Beschluss vom Bundesarbeitsgericht (10. Senat) - 10 AZB 23/15

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 20. Mai 2015 - 4 Ta 29/15 (1) - aufgehoben.

2. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Zwickau vom 21. Januar 2015 - 7 Ca 1907/14 PKH - abgeändert:

Der Klägerin wird mit Wirkung ab dem 16. Dezember 2014 für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt, dass kein eigener Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten ist. Zur Wahrnehmung ihrer Rechte wird ihr Rechtsanwalt N, beigeordnet.

Gründe

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I. Die Parteien streiten im Ausgangsverfahren über die Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin gemäß § 23 BBiG Schadensersatz wegen einer durch den Beklagten mit Schreiben vom 21. November 2014 ausgesprochenen fristlosen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses zu leisten. Gleichzeitig mit der Einreichung der Klageschrift beim Arbeitsgericht am 16. Dezember 2014 hat die Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Anwaltsbeiordnung beantragt und die hierfür erforderlichen Unterlagen vorgelegt.

2

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. Januar 2015 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts N zurückgewiesen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg biete und mutwillig erscheine (§ 11a Abs. 1 ArbGG, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der hiergegen fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde vom 22. Januar 2015 hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 9. Februar 2015 nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Durch Beschluss vom 20. Mai 2015 hat dieses die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde für die Klägerin zugelassen. Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass keine hinreichende Erfolgsaussicht für die Klage bestehe.

3

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Klägerin ist begründet. Ihr ist für den ersten Rechtszug gemäß § 11a Abs. 1 ArbGG iVm. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen (§ 78 ArbGG iVm. § 577 Abs. 5 ZPO).

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1. Die Rechtsbeschwerde hätte allerdings nicht zugelassen werden dürfen. Die Zulassung setzt nach § 78 Satz 2 ArbGG voraus, dass einer der Zulassungsgründe nach § 72 Abs. 2 ArbGG vorliegt. Diese Voraussetzungen kommen bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht. Hängt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe allein von der Frage ab, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung (oder Rechtsverteidigung) hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kommt eine Rechtsbeschwerde dagegen nicht in Betracht. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung kann zwar entscheidungserhebliche Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG aufwerfen. Das Prozesskostenhilfeverfahren hat aber nicht den Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen vorweg zu entscheiden. Deshalb ist die Erfolgsaussicht einer beabsichtigten Rechtsverfolgung zu bejahen und Prozesskostenhilfe, wenn die persönlichen Voraussetzungen gegeben sind, zu gewähren, wenn ein Rechtsmittel zugelassen werden müsste, weil die durch die Rechtsverfolgung aufgeworfenen Rechtsfragen einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen. Ein Beschwerdegericht, das wegen der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG für gegeben hält, muss deshalb Prozesskostenhilfe bewilligen; es darf die Prozesskostenhilfe nicht ablehnen, gleichzeitig aber die Rechtsbeschwerde wegen eben jener Fragen zulassen. Geschieht dies dennoch, ist das Rechtsbeschwerdegericht allerdings nach § 78 ArbGG iVm. § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO an die Zulassung gebunden (vgl. BGH 13. Dezember 2005 - VI ZB 76/04 - zu II 2 b der Gründe; allgemein zur Bindung an die Zulassungsentscheidung BAG 5. April 2006 - 3 AZB 61/04 - Rn. 3 mwN, BAGE 117, 344).

5

2. Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.

6

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde nicht wegen Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Bewilligung zugelassen, sondern im Hinblick auf die Frage der Erfolgsaussichten eines möglichen Schadensersatzanspruchs nach § 23 Abs. 1 BBiG in der vorliegenden besonderen Konstellation. An diese Zulassung ist der Senat gebunden.

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b) Mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde hat das Landesarbeitsgericht gleichzeitig deutlich gemacht, dass es im Hinblick auf die Auslegung und Anwendung des § 23 BBiG eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung sieht. Diese Frage kann und darf aber nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Deshalb kann die Prozesskostenhilfe nicht unter Hinweis auf mangelnde Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt werden, sondern ist zu bewilligen. Dies kann nach § 78 ArbGG iVm. § 577 Abs. 5 ZPO durch den Senat erfolgen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen lagen zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Antragsstellung am 16. Dezember 2014 vor.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

        

        

        

                 

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