Beschluss vom Bundesarbeitsgericht (7. Senat) - 7 AZN 732/16 (A)

Tenor

Das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird für von dem Insolvenzverwalter aufgenommen erklärt.

Mit der Zustellung dieses Beschlusses beginnt die zweimonatige Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde.

Gründe

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I. Im vorliegenden Verfahren haben der frühere, inzwischen verstorbene Kläger und das beklagte Land im Wesentlichen über die Wirksamkeit von zwei Kündigungen des beklagten Landes und Annahmeverzugslohnansprüche gestritten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung durch Urteil vom 10. Juni 2016 zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Am 21. Juni 2016 ist der frühere Kläger verstorben. Sein Prozessbevollmächtigter hat gegen das ihm am 18. Juli 2016 zugestellte Urteil am 17. August 2016 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Der Senat hat durch Beschluss vom 15. September 2016 auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des früheren Klägers gemäß § 246 Abs. 1 ZPO die Aussetzung des Verfahrens angeordnet. Durch Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 26. September 2016 - 91 IN 220/16 - ist das Insolvenzverfahren über den Nachlass des früheren Klägers eröffnet und Rechtsanwalt Dr. B zum Insolvenzverwalter ernannt worden. Das beklagte Land hat den Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 gebeten, über die Weiterführung des Verfahrens zu entscheiden. Auf Antrag des beklagten Landes, den Insolvenzverwalter zur Aufnahme des Verfahrens zu laden, hat der Senat den Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 2. März 2017 aufgefordert, bis zum 31. März 2017 zu erklären, ob er das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren aufnimmt. Dieses Schreiben ist auch dem Prozessbevollmächtigten des früheren Klägers zugestellt worden. Der Insolvenzverwalter hat die Aufnahme des Verfahrens abgelehnt. Daraufhin hat das beklagte Land erklärt, das Verfahren nach § 85 Abs. 2 InsO aufzunehmen.

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II. Das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist durch Beschluss für von dem Insolvenzverwalter aufgenommen zu erklären.

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1. Eine Entscheidung über die Aufnahme des Verfahrens ist erforderlich, weil der Insolvenzverwalter die Aufnahme abgelehnt hat. Die Entscheidung ist nicht deshalb entbehrlich, weil das beklagte Land die Aufnahme des Verfahrens nach § 85 Abs. 2 InsO erklärt hat. Damit ist nur die Unterbrechung des Verfahrens beendet, die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass des früheren Klägers eingetreten ist. Die durch Beschluss des Senats vom 15. September 2016 angeordnete Aussetzung ist davon nicht berührt.

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2. Die Aufnahmeerklärung des Insolvenzverwalters ist nach § 246 Abs. 2, § 239 Abs. 2 ZPO zu ersetzen.

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a) Nach § 246 Abs. 2 ZPO richten sich die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens nach §§ 239, 241 bis 243 ZPO. In den Fällen des Todes endet die Aussetzung nach § 239 Abs. 1 ZPO mit der Aufnahme durch die Rechtsnachfolger. Wird die Aufnahme verzögert, sind die Rechtsnachfolger nach § 239 Abs. 2 ZPO auf Antrag des Gegners zur Aufnahme und zugleich zur Verhandlung der Hauptsache zu laden, um die Aufnahmeerklärung der Rechtsnachfolger zu ersetzen. Nach § 239 Abs. 3 ZPO ist die Ladung mit dem den Antrag enthaltenden Schriftsatz den Rechtsnachfolgern selbst und nach § 246 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO auch dem Bevollmächtigten des verstorbenen Prozessbeteiligten zuzustellen.

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Der Zwischenstreit über die Aufnahme dient der Klärung, wer Rechtsnachfolger des verstorbenen Prozessbeteiligten geworden ist. Der Rechtsnachfolger ist zur Aufnahme des Rechtsstreits verpflichtet. Steht die Rechtsnachfolge nach der Verhandlung fest, ergeht entweder ein Zwischenurteil, durch das die Aufnahme für bewirkt erklärt wird, oder sofort eine Entscheidung in der Sache, bei der die Rechtsnachfolge in den Entscheidungsgründen festgestellt wird (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 37. Aufl. § 239 Rn. 8, 20).

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b) Geht es um die Aufnahme eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens und ist die Aussetzung nach Einlegung, aber vor Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde erfolgt, sind die Rechtsnachfolger nur zur Aufnahme aufzufordern. Eine mündliche Verhandlung über die Aufnahme ist nicht erforderlich. Die ehrenamtlichen Richter wirken an dem Zwischenbeschluss über die Aufnahme nicht mit.

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aa) Ist die Nichtzulassungsbeschwerde im Zeitpunkt der Aussetzung noch nicht begründet, ist eine „Ladung zur Verhandlung der Hauptsache“ nicht möglich, weil der Lauf der Begründungsfrist mit der Aussetzung nach § 249 Abs. 1 ZPO aufhört und mit Beendigung der Aussetzung von neuem beginnt. In diesem Fall sind die Rechtsnachfolger nur zur Aufnahme aufzufordern. Nehmen die Rechtsnachfolger das Verfahren nicht auf, ist die Aufnahme durch Zwischenbeschluss für bewirkt zu erklären (vgl. zum Revisionsverfahren RG 18. Mai 1908 - VI 562/07 - RGZ 68, 390).

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bb) Ein Beschluss über die Aufnahme eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens setzt keine mündliche Verhandlung über die Aufnahme voraus. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet über die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a Abs. 5 Satz 2 ArbGG durch Beschluss, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Das gilt auch dann, wenn das Bundesarbeitsgericht über die Aufnahme und zugleich über die Nichtzulassungsbeschwerde oder nur über die Aufnahme entscheidet. § 239 Abs. 2 ZPO bestimmt nichts anderes. Findet keine mündliche Verhandlung statt, erfolgt die „Ladung zur Aufnahme“ durch Aufforderung zur Stellungnahme zur Aufnahme unter Fristsetzung.

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cc) Der Beschluss über die Aufnahme ergeht ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter. Nach § 72a Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 ArbGG entscheidet das Bundesarbeitsgericht über die Nichtzulassungsbeschwerde unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter, es sei denn, die Nichtzulassungsbeschwerde wird als unzulässig verworfen, weil sie nicht statthaft oder nicht form- und fristgerecht eingelegt oder begründet worden ist. Der Zwischenbeschluss über die Aufnahme des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist keine Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde iSv. § 72a Abs. 5 Satz 2 ArbGG. Der Beschluss betrifft nur die prozessuale Vorfrage der Aufnahme des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Ehrenamtliche Richter wirken nur mit, wenn über die Nichtzulassungsbeschwerde in der Sache entschieden wird.

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c) Die Voraussetzungen für die Ersetzung der Aufnahmeerklärung des Insolvenzverwalters liegen vor.

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aa) Der Insolvenzverwalter ist in Bezug auf den Verfahrensgegenstand Rechtsnachfolger des früheren Klägers. Durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ist das Recht der Erben, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über dieses zu verfügen, gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Die Insolvenzmasse ist durch das vorliegende Verfahren betroffen. Das gilt auch hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags. Der Charakter des Klagerechts nach § 4 KSchG schließt das vorliegend nicht aus. Zwar ist das Klagerecht nach § 4 KSchG höchstpersönlicher Natur (BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 25; 5. November 2009 - 2 AZR 609/08 - Rn. 10). Die Entscheidung über die Erhebung einer Kündigungsschutzklage und die Prozessführungsbefugnis verbleiben beim Schuldner. Die mittelbare Wirkung auf die Insolvenzmasse ist dabei hinzunehmen. Andernfalls könnte das Recht des Schuldners, über seine Arbeitskraft selbst zu verfügen, durch den Insolvenzverwalter eingeschränkt werden. Daher wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitnehmers ein Kündigungsrechtsstreit grundsätzlich nicht unterbrochen (vgl. BAG 20. Juni 2013 - 6 AZR 789/11 - Rn. 26; 5. November 2009 - 2 AZR 609/08 - Rn. 10). Tritt jedoch die Insolvenz - wie hier - nach dem Tod des Arbeitnehmers ein, geht die Entscheidung über die Fortführung des Kündigungsschutzverfahrens von den Erben auf den Insolvenzverwalter über. Da der frühere Schuldner verstorben ist, ist sein Recht, über seine Arbeitskraft selbst zu verfügen, nicht mehr berührt. Die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Kündigung und das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses (ggf. bis zum Tod) hat nur Bedeutung für Annahmeverzugslohnansprüche und betrifft damit die Insolvenzmasse.

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bb) Der Insolvenzverwalter hat die Aufnahme des Verfahrens verzögert. Er hatte jedenfalls seit Erhalt des Schreibens des beklagten Landes vom 26. Oktober 2016 Kenntnis von diesem Verfahren. Er hat das Verfahren ohne Begründung nicht aufgenommen.

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cc) Das beklagte Land hat die Ladung des Insolvenzverwalters zur Aufnahme beantragt.

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dd) Der Senat hat den Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 2. März 2017, das dem Insolvenzverwalter am 13. März 2017 zugestellt worden ist, aufgefordert, bis zum 31. März 2017 zu erklären, ob er das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren aufnimmt. Der den Antrag enthaltende Schriftsatz des beklagten Landes war dem Insolvenzverwalter bereits am 17. Februar 2017 zugestellt worden. Die Aufforderung zur Aufnahme und der den Antrag enthaltende Schriftsatz des beklagten Landes wurde auch dem Prozessbevollmächtigten des früheren Klägers zugestellt.

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3. Mit der Zustellung dieses Beschlusses endet die Aussetzung. Damit beginnt gemäß § 249 Abs. 1 ZPO die zweimonatige Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde.

        

    Gräfl    

        

    Kiel    

        

    M. Rennpferdt     

        

        

        

        

        

        

                 

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