Urteil vom Bundesarbeitsgericht (9. Senat) - 9 AZR 120/16

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 21. September 2015 - 8 Sa 46/14 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 27. Mai 2014 - 21 Ca 371/13 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

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Der Kläger verlangt von der Beklagten, ihm Erholungsurlaub in Form von halben Tagen zu gewähren.

2

Die Beklagte beschäftigt den mit einem Grad von 70 schwerbehinderten Kläger seit dem 1. September 2002 als Percussionist und setzt ihn bei Aufführungen des Musicals „K“ ein. Das Musical wird grundsätzlich einmal am Tag, ausnahmsweise, nämlich zumeist samstags und sonntags, zweimal pro Tag (sog. Doppel-Show-Tage) aufgeführt. Bis Oktober 2012 gewährte die Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag hin an Tagen, an denen zwei Aufführungen stattfanden, jeweils einen halben Urlaubstag, sodass der Kläger an diesen Tagen nur an einer Vorstellung mitzuwirken hatte.

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Unter dem 5. Dezember 2012 beantragte der Kläger erfolglos, ihm für den 16., 23. und 30. Dezember 2012 jeweils einen halben Urlaubstag zu gewähren. Das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 11. Dezember 2012, mit dem er sein Urlaubsbegehren wiederholte, ließ die Beklagte unbeantwortet.

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Der Kläger hat die Rechtsauffassung vertreten, mit der Änderung ihrer Genehmigungspraxis verletze die Beklagte ihre Verpflichtung, ihm als schwerbehinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben zu ermöglichen. Er hat in diesem Zusammenhang behauptet, Doppel-Show-Tage belasteten ihn psychisch und physisch sehr stark.

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Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Belang - zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag unter Beachtung der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG Erholungsurlaub bezogen auf eine Vorstellung (vier Stunden pro Tag) in Form von halben Urlaubstagen zu gewähren, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen.

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Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, sowohl die Vorschriften des BUrlG als auch tarifliche und arbeitsvertragliche Bestimmungen ständen einem Anspruch auf halbe Urlaubstage entgegen.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage insoweit stattgegeben, als es die Beklagte verurteilt hat, dem Kläger unter Beachtung von § 7 Abs. 2 BUrlG auf seinen Wunsch halbe Urlaubstage zu gewähren, sofern dem nicht im Einzelfall dringende betriebliche Erfordernisse oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang genießen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte, das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts der Klage - soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist insoweit bereits unzulässig.

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I. Der Leistungsantrag, der auf die Gewährung von Erholungsurlaub in Form von halben Urlaubstagen abzielt, genügt nicht den zivilprozessualen Bestimmtheitsanforderungen, wie sie § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO für Klageanträge formuliert.

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1. Der Kläger hat eine Leistungsklage erhoben. Dies ergibt die Auslegung seines Antrags.

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a) Für das Verständnis eines Klageantrags ist nicht an dem buchstäblichen Wortlaut der Antragsfassung zu haften. Bei Zweifeln ist der Antrag auszulegen (vgl. BAG 3. April 2001 - 9 AZR 301/00 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 97, 241). Das Gericht hat den erklärten Willen zu erforschen, wie er aus der Klagebegründung, dem Prozessziel und der Interessenlage hervorgeht (BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 145/08 - Rn. 35). Die für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) sind für die Auslegung von Klageanträgen heranzuziehen. Das gilt auch im Revisionsverfahren (BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 557/06 - Rn. 20).

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b) Der Kläger hat beantragt, „die Beklagte zu verurteilen“, ihm unter den im Antrag im Einzelnen aufgeführten Bedingungen „Erholungsurlaub … in Form von halben Urlaubstagen zu gewähren“. Die vom Kläger gewählte Formulierung ist typisch für eine Leistungsklage. Für das vom Wortlaut des Antrags vorgegebene Auslegungsergebnis spricht zudem der Umstand, dass der Kläger sein Begehren ursprünglich in Form einer Feststellungsklage verfolgt hat. Erst im Laufe des Verfahrens hat er die Klage umgestellt und fortan eine Verurteilung der Beklagten im Wege der Leistungsklage verlangt. Der Wechsel von der Feststellungs- zur Leistungsklage belegt, dass der Kläger nicht lediglich die Feststellung seiner Rechte begehrt, sondern die Fiktion der Freistellungserklärung der Beklagten nach § 894 ZPO erwirken will. Eine Auslegung des Leistungsantrags als Feststellungsantrag, die grundsätzlich möglich ist (vgl. BAG 25. März 2015 - 5 AZR 874/12 - Rn. 12), kommt deshalb im Streitfall nicht in Betracht.

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2. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein (BAG 19. Februar 2008 - 9 AZR 70/07 - Rn. 16, BAGE 126, 26). Bei einer Klage auf Abgabe einer Willenserklärung, die nach § 894 Satz 1 ZPO mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils als abgegeben gilt, erfordert das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dass der beantragte Entscheidungsausspruch keine Zweifel darüber lässt, ob die gesetzliche Fiktion eingetreten ist.

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3. Der Leistungsantrag, den der Kläger zur Entscheidung stellt, genügt - selbst bei der gebotenen Auslegung - nicht den gesetzlichen Bestimmtheitsanforderungen.

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a) Dass es sich um einen Globalantrag handelt, der eine unbestimmte Vielzahl möglicher zukünftiger Fallgestaltungen erfasst, steht seiner Bestimmtheit nicht entgegen. Er ist ausnahmslos auf alle denkbaren Fälle gerichtet. Ob das verfolgte Leistungsbegehren für sämtliche Fälle berechtigt ist, betrifft nicht die Zulässigkeit (vgl. BAG 18. November 2014 - 1 AZR 257/13 - Rn. 24, BAGE 150, 50), sondern allein die Begründetheit des Antrags (vgl. BAG 18. Mai 2016 - 7 ABR 41/14 - Rn. 25).

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b) Der Klageantrag macht die Verpflichtung der Beklagten, ihm Urlaub zu gewähren, allerdings in unzulässiger Weise von mehreren Bedingungen abhängig. Die Urlaubserteilung soll erstens von einem Urlaubsantrag des Klägers abhängen, zweitens unter Beachtung der gesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG erfolgen, drittens dadurch bedingt sein, dass dringende betriebliche Belange nicht entgegenstehen, und viertens nur die Fälle betreffen, in denen nicht Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer bestehen, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang genießen. Wie sich aus § 726 Abs. 1 ZPO ergibt, kann zwar eine Verurteilung „von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt einer anderen Tatsache als einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung“ und damit auch von einer Bedingung abhängig gemacht werden. Eine solche Bedingung muss jedoch so bestimmt sein, dass erforderlichenfalls ihr Eintritt zuverlässig feststellbar ist. Dies ist hier nicht der Fall. Ob die genannten Bedingungen, die zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht sämtlich in der Zukunft lagen, - kumulativ - gegeben sein werden, ist nicht festzustellen, ohne eine möglicherweise umfangreiche Prüfung betrieblicher Belange und vorrangiger Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer vorzunehmen. Die vom Kläger formulierten Bedingungen sind derart abstrakt, dass im Falle einer Verurteilung der Beklagten nicht klar wäre, ob die auf die Gewährung von Erholungsurlaub gerichtete Freistellungserklärung der Beklagten nach § 894 ZPO fingiert wird oder nicht.

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II. Darüber hinaus hat der Kläger die auf eine zukünftige Leistung der Beklagten gerichtete Klage erhoben, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 259 ZPO vorliegen.

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1. Ein auf die Vornahme einer künftigen Handlung gerichteter Antrag ist nach § 259 ZPO zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen. Die Besorgnis der Leistungsverweigerung kann sich auf einen bedingten Anspruch beziehen, sofern abgesehen vom Eintritt der Bedingung die Verpflichtung des Schuldners zur Erbringung der künftigen Leistung in ihrem Bestand gewiss ist. § 259 ZPO ermöglicht aber nicht die Verfolgung eines erst in der Zukunft entstehenden Anspruchs. Die Vorschrift setzt vielmehr voraus, dass der geltend gemachte Anspruch bereits entstanden ist (BAG 22. Oktober 2014 - 5 AZR 731/12 - Rn. 40, BAGE 149, 343).

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2. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Der Kläger begehrt die Erteilung von Urlaub. Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 21. September 2015 waren lediglich die Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2015 und den davor liegenden Kalenderjahren entstanden. Soweit die Beklagte die Ansprüche nicht bereits erfüllt hatte, gingen diese spätestens mit Ablauf des 31. März 2016 unter. Die Ansprüche für die Kalenderjahre 2016 und später entstanden frühestens mit dem 1. Januar 2016 (vgl. BAG 11. Juli 2006 - 9 AZR 535/05 - Rn. 21) und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz.

20

III. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    Merte    

        

    Martin Lücke    

                 

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