Beschluss vom Bundesfinanzhof (7. Senat) - VII R 38/09
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ein in Slowenien ansässiges Luftfahrtunternehmen, verbrachte im Dezember 2003 ein ihr gehörendes Kleinflugzeug durch einen bei ihr angestellten Piloten nach Deutschland in der Absicht, es zu verkaufen, nachdem ein hier ansässiges Unternehmen ein Kaufinteresse bekundet und um einen Probeflug gebeten hatte. Das Flugzeug wurde bei dem Verbringen den Zollbehörden nicht gestellt; eine schriftliche oder mündliche Zollanmeldung wurde nicht abgegeben. Der beabsichtigte Verkauf kam nicht zustande.
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Mit der Begründung, dass der durchgeführte Probeflug von Nürnberg nach Hamburg am 8. Januar 2004 ein unzulässiger entgeltlicher innergemeinschaftlicher Flug gewesen sei, setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) mit Bescheid vom 13. Juli 2004 Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) gegen die Klägerin fest. Den Einspruch der Klägerin wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 2008 mit der Begründung zurück, die Voraussetzungen für eine formlose Überführung des Flugzeugs in das Verfahren der vorübergehenden Verwendung seien nicht erfüllt gewesen.
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Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) aus den in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (ZfZ) 2010, Beilage 1, Seite 1 veröffentlichten Gründen ab.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass die Voraussetzungen des Art. 202 Abs. 1 Buchst. a des Zollkodex (ZK) nicht vorlägen, weil das Flugzeug nicht vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden sei. Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. Juni 2005 VII R 44/02 (BFHE 210, 78, ZfZ 2005, 340) sowie einer Berufungsentscheidung des österreichischen Unabhängigen Finanzsenats (UFS) vom 24. Februar 2006 Zl. ZRV/0131-Z2L/05 (ZfZ 2006, 372) komme es für die formlose Überführung eines Beförderungsmittels in die vorübergehende Verwendung allein darauf an, ob die in Art. 558 der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) hierfür genannten Voraussetzungen im Zeitpunkt des Grenzübertritts objektiv vorlägen, nicht aber auf innere Tatsachen bzw. eine eventuelle Absicht des Verwenders, sich an die aus diesem Zollverfahren folgenden Beschränkungen nicht zu halten. Im Rahmen des ihr (der Klägerin) somit bewilligten Zollverfahrens der vorübergehenden Verwendung habe sie die ihr obliegenden Pflichten nicht verletzt, weil der Probeflug unentgeltlich durchgeführt worden sei. Im Übrigen sei die Abgabenschuld verjährt, weil die Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 2008 in Anbetracht ihrer im Vergleich zum ursprünglichen Steuerbescheid abweichenden Begründung als ein neuer Steuerbescheid anzusehen sei.
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Das HZA schließt sich der Ansicht des FG an, dass die Voraussetzungen für die formlose Überführung eines Beförderungsmittels in die vorübergehende Verwendung im Streitfall nicht vorgelegen hätten, weil das Flugzeug nicht zum Zweck der Personen- oder Warenbeförderung, sondern als Ware zur Ansicht in das Zollgebiet verbracht worden sei. Der Abgabenanspruch sei nicht verjährt. Die Klägerin habe erstmals mit ihrer Einspruchsbegründung darauf hingewiesen, dass das Flugzeug zum Verkauf an einen Interessenten eingeführt worden sei. Die daher unzutreffende rechtliche Begründung im angefochtenen Abgabenbescheid habe somit in der Einspruchsentscheidung berichtigt werden dürfen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Die Revision ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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1. Zutreffend hat das FG ausgeführt, dass die ZKDVO in Teil II Titel III Kapitel 5 Abschnitt 2 in sieben Unterabschnitten bestimmte Waren beschreibt, die unter den dort jeweils aufgeführten Voraussetzungen in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben übergeführt werden können. Während der Unterabschnitt 1 Beförderungsmittel betrifft, welche, wenn sie (z.B.) im Luftverkehr eingesetzt werden und die in Art. 558 ZKDVO genannten Voraussetzungen erfüllen, nach Art. 232 Abs. 1 Buchst. b, Art. 233 Abs. 1 Buchst. b ZKDVO konkludent durch einfaches Überschreiten der Zollgrenze zur vorübergehenden Verwendung angemeldet werden können mit der Folge, dass gemäß Art. 234 Abs. 1 ZKDVO das Beförderungsmittel als gestellt und die Zollanmeldung als angenommen gilt, betrifft der Unterabschnitt 6 Waren für Veranstaltungen oder zum Verkauf, die unter den in Art. 576 ZKDVO genannten Voraussetzungen ebenfalls in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung unter vollständiger Befreiung von den Einfuhrabgaben übergeführt werden können, jedoch nicht durch eine konkludente Zollanmeldung gemäß Art. 232, 233 ZKDVO.
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Bei einem in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Beförderungsmittel kommen daher mehrere Möglichkeiten seiner vorübergehenden Verwendung mit jeweils verschiedenen Arten der Zollanmeldung für dieses Verfahren in Betracht: z.B. zum eigenen Gebrauch oder zum Zweck seiner gewerblichen Verwendung als Beförderungsmittel (Art. 555 Abs. 1 Buchst. a ZKDVO) im Zollgebiet unter den Voraussetzungen des Art. 558 Abs. 1 ZKDVO; zum anderen aber auch zum Zweck einer Verwendung als Ware, die einem Kaufinteressenten im Zollgebiet der Gemeinschaft zur Ansicht vorgeführt werden soll. Die Frage, in welcher Weise das Beförderungsmittel zur vorübergehenden Verwendung anzumelden ist, ist daher mit dem FG danach zu entscheiden, welche tatsächliche Verwendungsabsicht nach den Umständen des Einzelfalls feststellbar ist (ebenso Witte/Henke, Zollkodex, 5. Aufl., Art. 141 Rz 2, mit Hinweis auf Abs. 5 der Dienstvorschrift Vorübergehende Verwendung, Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung Z 19 01).
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Im Streitfall gilt danach das Flugzeug der Klägerin gemäß Art. 234 Abs. 2 ZKDVO als vorschriftswidrig verbracht, denn es hätte, da es nach den Feststellungen des FG nach den seinerzeit objektiv erkennbaren Umständen bereits im Zeitpunkt seines Verbringens in das Zollgebiet der Gemeinschaft dort nicht als Beförderungsmittel gewerblich verwendet, sondern zum Zweck seines Verkaufs einem potenziellen Käufer vorgeführt werden sollte, bei der zuständigen Zollbehörde ausdrücklich zum Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung angemeldet werden müssen; eine konkludente Anmeldung durch einfaches Überschreiten der Zollgrenze war nicht möglich, wie das FG zutreffend erkannt hat. Daran ändert auch das Vorbringen der Revision nichts, dass mit dieser Vorführung notwendigerweise auch Probeflüge mit den Kaufinteressenten verbunden gewesen seien, denn diese waren nicht der eigentliche Verwendungszweck, sondern lediglich Teil der den Kaufinteressenten zu bietenden Ansicht der zum Verkauf dargebotenen Ware i.S. des Art. 576 Abs. 2 ZKDVO.
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2. Das Urteil in BFHE 210, 78, ZfZ 2005, 340, auf das sich die Klägerin beruft, steht dem nicht entgegen. Der erkennende Senat hat mit jenem Urteil entschieden, dass allein die im Zeitpunkt des Grenzübertritts bestehende Absicht, ein Beförderungsmittel im Zollgebiet der Gemeinschaft zur Durchführung eines unzulässigen Binnentransports zu verwenden, nicht dazu führt, dass dieses als vorschriftswidrig verbracht gilt. Maßgebend für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen der Art. 230 bis 232 ZKDVO erfüllt sind, seien nur die im Zeitpunkt der Willensäußerung vorliegenden objektiven Voraussetzungen, nicht jedoch innere Tatsachen wie etwa die Absicht, das verbrachte Beförderungsmittel zu einem späteren Zeitpunkt anders zu verwenden, als es nach den Bestimmungen über das Zollverfahren zulässig ist, zu dem das Beförderungsmittel durch die Willensäußerung konkludent angemeldet wurde.
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Dieser Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in welchem ein Fahrzeug (Sattelzugmaschine) nach den objektiven Tatsachen zweifellos lediglich als Beförderungsmittel zur gewerblichen Verwendung in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht und deshalb durch Grenzübertritt konkludent zur vorübergehenden Verwendung angemeldet worden war. So liegt der Streitfall indes nicht. Vielmehr ist nach den Feststellungen des FG davon auszugehen, dass im Zeitpunkt des Verbringens nichts darauf hindeutete, das Flugzeug solle im Zollgebiet der Gemeinschaft lediglich als Beförderungsmittel zum Transport von Personen oder Waren genutzt werden, sondern vielmehr nach den objektiv erkennbaren Umständen (telefonische und schriftliche Korrespondenz mit einem potenziellen Käufer) die Absicht bestand, das Flugzeug zu verkaufen, es also als eine zu verkaufende Ware in das Zollgebiet der Gemeinschaft zu verbringen. Zu den objektiven Tatsachen, an die nach dem Senatsurteil in BFHE 210, 78, ZfZ 2005, 340 der gesetzliche Tatbestand des Art. 718 Abs. 3 ZKDVO a.F. (entspricht Art. 558 Abs. 1 ZKDVO) anknüpft, nämlich die Voraussetzungen, die in der betreffenden Ware bzw. bei ihrer Verwendung tatsächlich erfüllt sein müssen, gehört nicht lediglich die Tatsache, dass die Grenze des Zollgebiets der Gemeinschaft mit einem Beförderungsmittel überschritten wird, sondern auch die erkennbare Absicht, dieses Beförderungsmittel im Zollgebiet der Gemeinschaft im (u.a.) Luftverkehr einzusetzen (so der Wortlaut des Art. 558 Abs. 1 ZKDVO) und nicht als Handelsware zu verwenden.
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Der Senat hält die Auslegung der im Streitfall maßgebenden unionsrechtlichen Vorschriften für zweifelsfrei und sieht keine Verpflichtung, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorzulegen. Entsprechende Zweifel werden insbesondere nicht durch die UFS-Entscheidung in ZfZ 2006, 372 begründet, da nicht erkennbar ist, dass dieser Entscheidung ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. In jenem Fall war die als Abgabenschuldner in Anspruch genommene Person mit einem PKW in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingereist, um mit einem Autohändler über den Kauf eines anderen Fahrzeugs zu verhandeln. Anschließend war der PKW auf dem Gelände des Autohändlers mit einem angebrachten Verkaufsangebot verblieben, um festzustellen, ob sich ein Kaufinteressent finden lasse. Mit dem Sachverhalt des Streitfalls, in dem bereits im Zeitpunkt des Verbringens anhand objektiv erkennbarer Umstände feststand, dass das Flugzeug einem bestimmten Kaufinteressenten zur Ansicht vorgeführt werden sollte, lässt sich jener Fall nicht vergleichen.
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3. Die Einfuhrabgaben sind nicht verjährt.
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Nach Art. 221 Abs. 3 ZK darf die Mitteilung des Abgabenbetrags nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen; diese Frist wird allerdings ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs. Für den Streitfall folgt daraus, dass der Abgabenbetrag mit dem Einfuhrabgabenbescheid vom 13. Juli 2004 fristgerecht mitgeteilt worden ist; für die Dauer der von Seiten der Klägerin eingelegten Rechtsbehelfe ist die Verjährungsfrist ausgesetzt.
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Anders als die Revision meint, ist mit der Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 2008 der Abgabenanspruch nicht auf ein anderes Ereignis als im Abgabenbescheid vom 13. Juli 2004 gestützt worden. Der Sachverhalt, welcher Gegenstand der rechtlichen Prüfung war, ob er zur Entstehung der Einfuhrabgabenschuld geführt hatte, war unverändert im gesamten Verlauf des Verfahrens das Verbringen des Flugzeugs in das Zollgebiet der Gemeinschaft und seine Verwendung im Zollgebiet. Das HZA hat diesen Sachverhalt lediglich rechtlich anders bewertet, indem es zunächst annahm, die Abgabenschuld sei durch einen als unzulässigen Binnenverkehr zu wertenden Probeflug entstanden, und später mit der Einspruchsentscheidung die (zutreffende) Ansicht vertrat, dass die Abgabenschuld bereits mit dem Verbringen des Flugzeugs in das Zollgebiet der Gemeinschaft entstanden sei. Die seitens der Revision behauptete Divergenz zum BFH-Urteil vom 19. Januar 1994 II R 32/90 (BFH/NV 1994, 758) besteht daher nicht.
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Referenzen
- 1994 II R 32/90 1x (nicht zugeordnet)
- 2005 VII R 44/02 1x (nicht zugeordnet)
- FGO § 126 1x