Urteil vom Bundesfinanzhof (2. Senat) - II R 7/11

Tatbestand

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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Halter eines Pickup-Fahrzeugs mit Doppelkabine der Marke Landrover, Typ Defender 130 Crew Cab. Das Fahrzeug ist verkehrsrechtlich als Lastkraftwagen (LKW) mit Plane und Spriegel zugelassen, verfügt über einen Dieselmotor mit 2495 ccm, ein Leergewicht von 2197 kg und ein zulässiges Gesamtgewicht von 3500 kg. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 130 km/h. Das Fahrzeug hat fünf Sitzplätze einschließlich des Fahrersitzes.

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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte die Größe der Ladefläche zunächst mit 2,58 qm (167 cm x 155 cm) und die zur Personenbeförderung dienende Fläche mit 2,87 qm (205 cm x 140 cm) fest und erließ am 3. Juli 2007 gegenüber dem Kläger einen Kraftfahrzeugsteuerbescheid unter Einordnung des Fahrzeugs als Personenkraftwagen (PKW).

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Der Kläger beantragte die Änderung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids unter Einordnung des Fahrzeugs als LKW. Er ließ das Fahrzeug nochmals vom Sachverständigen des FA vermessen. Dieser kam bei der erneuten Vermessung zu einer für die Personenbeförderung vorgesehenen Fläche von 2,81 qm (201 cm x 140 cm) und zu einer für die Lastenbeförderung vorgesehenen Fläche von 2,86 qm (172 cm x 166 cm). Das FA lehnte eine Änderung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids mit der Begründung ab, von der Ladefläche von 2,86 qm seien 0,3 qm für die Fläche der beiden Radkästen und des Kraftstoffeinfüllstutzens abzuziehen.

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Einspruch und Klage blieben erfolglos. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) ist das Fahrzeug des Klägers als PKW einzuordnen. Bei der Berechnung der Ladefläche sei der Teil über den Radkästen und über dem Kraftstoffeinfüllstutzen nicht zu berücksichtigen. Die so ermittelte Ladefläche mache weniger als die Hälfte der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs aus. Damit sei typisierend davon auszugehen, dass das Fahrzeug überwiegend zur Personenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt sei. Auf andere Kriterien zur Einstufung als PKW oder LKW komme es folglich nicht mehr an. Die Entscheidung ist veröffentlicht in Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2011, 108. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

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Der Kläger beantragt, das FA unter Aufhebung der Vorentscheidung zu verurteilen, einen neuen Kraftfahrzeugsteuerbescheid zu erlassen und dabei das Fahrzeug als LKW einzuordnen.

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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Einordnung des Fahrzeugs als PKW, der der emissionsbezogenen Hubraumbesteuerung gemäß § 8 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) unterliegt, erweist sich im Ergebnis als zutreffend.

 

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1. Für die Einordnung eines Fahrzeugs als PKW oder LKW ist maßgeblich, ob das Fahrzeug für die Personen- oder für die Lastenbeförderung geeignet und bestimmt ist.

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a) Das KraftStG enthält keine ausdrückliche Definition des PKW. § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG verweist lediglich auf die "jeweils geltenden verkehrsrechtlichen Vorschriften", wenn nichts anderes bestimmt ist. Die verkehrsrechtlichen Vorschriften enthalten ebenfalls keine ausdrücklichen Bestimmungen des Begriffs des PKW (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. August 2006 VII B 333/05, BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721; vom 28. November 2006 VII R 11/06, BFHE 215, 568, BStBl II 2007, 338; vom 23. Februar 2007 IX B 222/06, BFH/NV 2007, 1351, und vom 1. Oktober 2008 II R 63/07, BFHE 222, 100, BStBl II 2009, 20, jeweils m.w.N.). Der höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt ein eigenständiger kraftfahrzeugsteuerrechtlicher PKW-Begriff zugrunde. Danach ist ein PKW ein Fahrzeug mit vier oder mehr Rädern, das nach seiner Bauart und Einrichtung zur Personenbeförderung geeignet und bestimmt ist (BFH-Beschlüsse in BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721, und vom 30. Oktober 2008 II B 60/08, nicht veröffentlicht; BFH-Urteil vom 24. Februar 2010 II R 6/08, BFHE 228, 437, BStBl II 2010, 994).

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b) Die Abgrenzung zwischen LKW und PKW ist nach der objektiven Beschaffenheit des Fahrzeugs vorzunehmen. Als für die Einstufung bedeutsame Merkmale sind von der Rechtsprechung z.B. die Zahl der Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Verblechung der Seitenfenster, die Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die Motorisierung und die damit erreichbare Höchstgeschwindigkeit, das äußere Erscheinungsbild und bei Serienfahrzeugen die Konzeption des Herstellers anerkannt worden (vgl. hierzu BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 1351, und BFH-Urteil in BFHE 222, 100, BStBl II 2009, 20).

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c) Der Eignung und Bestimmung zur Personenbeförderung steht es grundsätzlich nicht entgegen, dass Fahrzeuge neben der Beförderung von Personen auch dem Transport von Gepäck oder anderer Güter im privaten oder gewerblichen Bereich dienen oder zu dienen bestimmt sind, wie dies z.B. bei Kombinationskraftwagen der Fall ist. Bestandteil des Regelungsplans des historischen Gesetzgebers war es nämlich, unter bestimmten Voraussetzungen auch solche Kraftfahrzeuge als PKW zu bezeichnen, die nach ihrer Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt waren, nicht nur Personen (einschließlich ihres üblichen Gepäcks) zu befördern, sondern einem weiteren Hauptzweck zu dienen (BFH-Urteile vom 22. Juni 1983 II R 64/82, BFHE 138, 493, BStBl II 1983, 747, und in BFHE 228, 437, BStBl II 2010, 994).

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d) Nach der Aufhebung des § 23 Abs. 6a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) gilt auch für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, dass anhand von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs zu beurteilen ist, ob ein LKW oder ein PKW vorliegt. Hierzu muss das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Merkmale die objektive Beschaffenheit des jeweiligen Fahrzeugs bewerten. Kein Merkmal kann dabei als alleinentscheidend angesehen werden; dies schließt nicht aus, dass einzelne Merkmale ein besonderes Gewicht haben und eine Zuordnung als PKW oder LKW nahelegen können (BFH-Beschluss in BFHE 213, 281, BStBl II 2006, 721, m.w.N.).

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e) Bei Pickup-Fahrzeugen kommt nach ständiger Rechtsprechung neben den anderen technischen Merkmalen der Größe der Ladefläche eine besondere, wenn auch nicht allein ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Größe der Ladefläche lässt nämlich den Schluss zu, ob die Möglichkeit einer Nutzung des Fahrzeugs zur Lastenbeförderung gegenüber seiner Eignung zur Personenbeförderung Vorrang hat. Im Interesse praktikabler Zuordnungsmaßstäbe und der um der Rechtssicherheit willen geforderten Vorhersehbarkeit kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Zuordnungen hat die Rechtsprechung es für gerechtfertigt erachtet, typisierend davon auszugehen, dass Fahrzeuge nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt sind, wenn ihre Ladefläche oder ihr Laderaum nicht mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche ausmacht (BFH-Urteil vom 1. August 2000 VII R 26/99, BFHE 194, 257, BStBl II 2001, 72; BFH-Beschlüsse vom 7. November 2006 VII B 79/06, BFH/NV 2007, 778; vom 26. Oktober 2006 VII B 125/06, BFH/NV 2007, 767; vom 10. Februar 2010 II B 96/09, BFH/NV 2010, 952).

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f) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Sie führt jedoch nicht dazu, dass in den Fällen, in denen die Ladefläche größer als die für die Personenbeförderung vorgesehene Fläche ist, umgekehrt typisierend von der Eigenschaft des Fahrzeugs als LKW auszugehen ist. In diesen Fällen erfolgt die Abgrenzung vielmehr nach den allgemeinen Kriterien. Dabei ist die Größe der Ladefläche und ihr Verhältnis zur Fläche für die Personenbeförderung nur ein Gesichtspunkt im Rahmen der Gesamtabwägung, dem allerdings umso größere Bedeutung zukommt, je deutlicher die Ladefläche die Fläche für die Personenbeförderung überwiegt. Überwiegt die Ladefläche die zur Personenbeförderung indes nur unwesentlich, spricht dies eher dafür, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt ist. In die Berechnung der Ladefläche sind alle Flächen einzubeziehen, die geeignet sind, eine Ladung zu transportieren. Dazu gehören regelmäßig auch Ausbeulungen in den Laderaum, z.B. für Radkästen, die aufgrund ihres Abstandes zum oberen Rand der Ladekante und bei gegebener Belastbarkeit noch als Ladefläche (z.B. für Schüttgut oder für flache Gegenstände) genutzt werden können.

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2. Im Streitfall kann im Ergebnis dahinstehen, ob der auf die Radkästen und den Tankeinfüllstutzen entfallende Teil der Ladefläche zum Transport von Ladung geeignet und deshalb in die Berechnung der Ladefläche mit einzubeziehen ist. Selbst wenn man dies bejahen würde und die Ladefläche folglich die für den Personentransport vorgesehene Fläche geringfügig überwiegen sollte, erweist sich die Entscheidung des FG aus anderen Gründen als richtig.

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Bezieht man die Radkästen und den Tankeinfüllstutzen in die Berechnung ein, beträgt die so ermittelte Ladefläche 2,86 qm und ist damit nur unwesentlich größer als die für die Personenbeförderung vorgesehene Fläche von 2,81 qm. Dies spricht nicht dafür, dass das Fahrzeug vorwiegend der Lastenbeförderung zu dienen geeignet und bestimmt ist. Das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs und die Herstellerkonzeption als "Crew Cab" mit vier Türen, fünf vollständigen Sitzen und vollständiger Verglasung der Personenkabine lassen auch bei einer rechnerisch etwas größeren Ladefläche das Fahrzeug als PKW erscheinen. Auch die für einen PKW übliche Motorisierung und die Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h lassen den Schluss zu, dass das Fahrzeug nicht vorwiegend zum Transport von Gütern, sondern von Personen geeignet und bestimmt ist. Dasselbe gilt für die Möglichkeit, Lasten zuzuladen. Die Zuladung liegt mit 1300 kg zwar über der Grenze von 800 kg, die der Senat bei Fahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 2800 kg als Mindestzuladung ansieht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 228, 437, BStBl II 2010, 994). Mit nur etwas mehr als einem Drittel des zulässigen Gesamtgewichts von 3500 kg liegt sie jedoch nicht so hoch, dass sie eine überwiegende Verwendung des Fahrzeugs zum Gütertransport eindeutig indiziert. Danach erscheint das Fahrzeug nicht überwiegend zum Transport von Gütern geeignet und bestimmt und ist für Zwecke der Kraftfahrzeugsteuer als PKW einzuordnen.

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