Urteil vom Bundesfinanzhof (4. Senat) - IV R 48/09

Tatbestand

1

I. Die verheirateten Kläger und Revisionskläger zu 1. und 2. (Kläger) sind zu je 50 % Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin zu 3. (OHG), die als Bauträgerin tätig ist und seit 1999 diverse unbebaute Grundstücke erwarb. Die OHG ermittelte ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich für das jeweilige Kalenderjahr.

2

2001 befanden sich im Anlagevermögen der OHG zwei Grundstücke nebst aufstehenden Gebäuden, während sich im Umlaufvermögen fünf Grundstücke befanden. Bezogen auf die Jahre 2002 bis 2005 (Streitjahre) bilanzierte die OHG folgende Grundstücke im Umlaufvermögen:

3
                 

           

Jahr   

Grundstück

Wert (€)

2002   

                 
        

Nr. 1 

922.253,25

        

Nr. 2 

72.337,19

        

Nr. 3 

27.603,43

        

Nr. 4 

22.241,20

2003   

                 
        

Nr. 1 

485.024,45

        

Nr. 5 

188.571,25

        

Nr. 2 

39.060,00

        

Nr. 3 

27.603,43

        

Nr. 4 

22.241,20

2004   

                 
        

Nr. 1 

276.331,65

        

Nr. 5 

191.297,47

        

Nr. 2 

39.060,00

        

Nr. 3 

27.603,43

        

Nr. 4 

15.620,00

2005   

                 
        

Nr. 1 

153.456,45

        

Nr. 5 

0       

        

Nr. 2 

39.060,00

        

Nr. 3 

27.603,43

        

Nr. 4 

22.241,20

4

Die Gewinne und die Entnahmen der OHG entwickelten sich seit 1999 wie folgt:

5

           

Jahr   

Gewinn

Einlagen

Entnahmen

Über-/Unterent-nahmen

Überentnahmen mit Vorjahr

1999   

80.663 DM

        

625.964 DM

- 545.301 DM

- 545.301 DM

2000   

105.334 DM

        

137.504 DM

- 32.160 DM

- 577.461 DM

2001   

141.385 DM

124.402 DM

        

+ 265.787 DM

- 311.674 DM

2002   

163.729 €

4.612 €

132.374 €

+ 35.967 €

- 123.389 €

2003   

122.633 €

150.000 €

176.626 €

+ 99.007 €

- 24.382 €

2004   

143.301 €

        

200.365 €

- 57.064 €

- 81.446 €

2005   

111.586 €

        

135.299 €

- 23.713 €

- 105.159 €

6

In ihren Gewinnermittlungen für die Streitjahre behandelte die OHG Schuldzinsen in folgender Höhe als Betriebsausgaben:

7
                 

           

Jahr   

Schuldzinsen

davon auf Anlagevermögen entfallend

2002   

129.429 €

29.149 €

2003   

60.329 €

27.810 €

2004   

48.163 €

26.936 €

2005   

32.719 €

19.148 €

8

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erhöhte durch Feststellungsbescheid vom 22. März 2004 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 31. März 2004 (2002) sowie durch Feststellungsbescheide vom 20. Januar 2005 (2003), vom 21. Februar 2006 (2004) und vom 13. Juni 2006 (2005) jeweils den Gewinn der OHG um gemäß § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) nicht abziehbare Schuldzinsen in Höhe von 7.403 € für 2002, 1.462 € für 2003, 4.886 € für 2004 und 6.309 € für 2005. Die nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen ermittelte das FA dabei wie folgt:

9
                                   

           

        

2002   

2003   

2004   

2005   

Verbleibende Überentnahme

- 123.389 €

- 24.382 €

- 81.446 €

- 105.159 €

Schuldzinsen

129.429 €

60.329 €

48.163 €

32.719 €

./. Schuldzinsen Anlagevermögen

29.149 €

27.810 €

26.936 €

19.148 €

./. Freibetrag

2.050 €

2.050 €

2.050 €

2.050 €

Verbleibende Schuldzinsen

98.238 €

30.469 €

19.177 €

11.521 €

6 %     

7.403 €

1.462 €

4.886 €

6.309 €

10

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhoben die Kläger dagegen Klage vor dem Finanzgericht (FG), mit der sie geltend machten, § 4 Abs. 4a EStG bestimme, dass der Abzug von Schuldzinsen für Darlehensfinanzierungen von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens unberührt bleibe, weil insofern ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsgut und der daraus resultierenden Zinsbelastung hergeleitet werden könne. Dies sei auch beim Umlaufvermögen möglich, so dass deutlich werde, dass die angefallenen Schuldzinsen unzweifelhaft mit den betrieblichen Investitionen in das Umlaufvermögen entstanden seien. Der Gesetzgeber habe mit § 4 Abs. 4a EStG lediglich regeln wollen, dass Schuldzinsen, soweit sie nicht betrieblich veranlasst seien, auch nicht zu den Betriebsausgaben zählten. Sinn der Vorschrift sei es, den betrieblichen Zusammenhang der angefallenen Schuldzinsen sicherzustellen. Im Streitfall sei dieser Zusammenhang aber insgesamt gegeben.

11

Das FG wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 398 veröffentlichtem Urteil als unbegründet ab.

12

Dagegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung des § 4 Abs. 4a EStG geltend machen. Im Einzelnen tragen sie vor, der Gesetzgeber habe durch § 4 Abs. 4a EStG nicht bezweckt, betrieblich veranlasste Zinsen zu nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben zu machen. Wenn die Fiktion, mit der § 4 Abs. 4a EStG den Betriebsausgabenabzug von Schuldzinsen aufgrund von Überentnahmen korrigieren wolle, als Ausnahme die nachgewiesene Finanzierung von Anlagevermögen zulasse, dann müsse auch ein Gegenbeweis für Hinzurechnungsbeträge für Umlaufvermögen zugelassen werden, weil im Gesetzgebungsverfahren offenbar übersehen worden sei, dass bei einem Bauträger eine bilanzielle Zuordnung zu veräußernder Grundstücke zum Anlagevermögen handelsrechtlich ausgeschlossen sei. Das FG habe insoweit den nachgewiesenen Zusammenhang der angefallenen kurzfristigen Schuldzinsen mit dem damit finanzierten Umlaufvermögen nicht berücksichtigt; insoweit seien die geltend gemachten Schuldzinsen ausschließlich durch die zwischenfinanzierten Grundstücksinvestitionen verursacht worden, weshalb i.S. des § 4 Abs. 4a EStG nicht von einem zusätzlichen, d.h. den Wert des erworbenen Umlaufvermögens übersteigenden Finanzierungsbedarf ausgegangen werden könne.

13

Zu beachten sei insoweit, dass die finanzierende Bank die Möglichkeit der Finanzierung der zum Verkauf bestimmten Immobilien über die laufenden Konten nur zugestanden habe, weil sie, die Kläger, insoweit mit ihrem Privatvermögen gehaftet hätten. Ohne diese persönliche "Bürgschaft" wäre die Finanzierung über Kontokorrentkonto nicht realisierbar gewesen. Mit der Bank sei dazu vereinbart worden, dass mit den Erlösen aus dem Verkauf der Objekte unverzüglich die entsprechenden Kontokorrentverbindlichkeiten hätten abgelöst werden müssen. Eine Verwendung zu einem anderen Zweck sei insoweit ausgeschlossen gewesen und die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG insoweit "rechtsmißbräuchlich".

14

Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG Köln vom 10. Februar 2009  8 K 4048/06 aufzuheben und die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre vom 31. März 2004 (2002), 20. Januar 2005 (2003), 21. Februar 2006 (2004) und vom 13. Juni 2006 (2005) jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2006 dahingehend zu ändern, dass ein Hinzurechnungsbetrag gemäß § 4 Abs. 4a EStG nicht berücksichtigt wird.

15

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

II. Die Revision ist unbegründet und war daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend entschieden, dass Schuldzinsen in Höhe von 7.403 € für 2002, 1.462 € für 2003, 4.886 € für 2004 und 6.309 € für 2005 gemäß § 4 Abs. 4a EStG nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden durften.

17

1. Seit der Neuregelung des Schuldzinsenabzugs durch das Steuerbereinigungsgesetz (StBereinG) 1999 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) sind Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist nach § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der Überentnahmen des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt (§ 4 Abs. 4a Satz 3 Halbsatz 1 EStG). Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 2.050 € verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, ist nach § 4 Abs. 4a Satz 4 EStG dem Gewinn hinzuzurechnen. Von der Abzugsbeschränkung sind Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ausgenommen (§ 4 Abs. 4a Satz 5 EStG).

18

2. Seit dem Inkrafttreten des StBereinG 1999 ist der Schuldzinsenabzug --wovon auch das FG ausgegangen ist-- zweistufig zu prüfen: Zunächst ist zu prüfen, ob der betreffende Kredit nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen (vgl. insbesondere Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193) eine betriebliche oder private Schuld ist. Dann ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob und in welchem Umfang die betrieblich veranlassten Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG abziehbar sind (BFH-Urteile vom 21. September 2005 X R 46/04, BFHE 211, 238, BStBl II 2006, 125; vom 23. März 2011 X R 28/09, BFHE 233, 404, BStBl II 2011, 753, sowie X R 4-5/06, X R 43-44/07, BFH/NV 2011, 1485, und X R 33/05, BFH/NV 2011, 1669; vom 27. Oktober 2011 III R 60/09, BFH/NV 2012, 576; vom 9. Mai 2012 X R 30/06, BFHE 237, 484, BStBl II 2012, 667). Im Streitfall liegen keine Anhaltspunkte für außerbetrieblich veranlasste Schuldzinsen vor; eine Aufteilung der Kredite scheidet daher aus.

19

3. Darüber, ob das FG § 4 Abs. 4a EStG im Streitfall zutreffend angewendet hat, besteht zwischen den Beteiligten nunmehr ausschließlich insoweit Streit, als nach Auffassung der Kläger nicht nur der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (vgl. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG), sondern auch der Zinsaufwand für Darlehen zur Finanzierung der Anschaffung von Umlaufvermögen von § 4 Abs. 4a EStG unberührt bleiben soll.

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a) Der insoweit von den Klägern begehrten Gesetzesauslegung, die nicht abziehbaren Schuldzinsen seien auch um den Zinsaufwand für die angeschafften und im Umlaufvermögen der OHG ausgewiesenen Grundstücke zu kürzen bzw. es sei diesbezüglich zumindest ein Gegenbeweis zuzulassen, steht allerdings der eindeutige Wortlaut von § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG entgegen, der nur die Finanzierungskosten für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens privilegiert (BFH-Urteile in BFHE 233, 404, BStBl II 2011, 753; in BFH/NV 2011, 1485, und in BFH/NV 2011, 1669).

21

b) Entgegen der Auffassung der Kläger bleibt der Wortlaut der Vorschrift auch nicht hinter dem vom Gesetzgeber verfolgten Normzweck zurück und ist deshalb auch nicht dahingehend erweitert auszulegen, dass auch der Zinsaufwand für die Finanzierung von Umlaufvermögen ebenso wie die Zinsen für Investitionsdarlehen von dem typisiert ermittelten Betrag der nicht abziehbaren Schuldzinsen abzuziehen wäre (vgl. BFH-Urteile in BFHE 233, 404, BStBl II 2011, 753; in BFH/NV 2011, 1485, und in BFH/NV 2011, 1669). Mit der Beschränkung des Schuldzinsenabzugs trat der Gesetzgeber dem von der Rechtsprechung für zulässig erklärten Mehrkontenmodell entgegen. § 4 Abs. 4a EStG beschränkt den Schuldzinsenabzug, wenn und soweit die Entnahmen die Summe von Gewinn und Einlagen in diesem Wirtschaftsjahr und in den Vorjahren übersteigen. § 4 Abs. 4a EStG stellt damit nicht auf einen entnahmebedingt entstandenen oder vergrößerten Liquiditätsmangel ab (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 576). Vielmehr soll der Betriebsausgabenabzug eingeschränkt werden, sofern die Summe der Entnahmen die Summe aus angesammelten Gewinnen und Einlagen, also das gesamte in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital, übersteigt. Folglich führen Entnahmen aus einem überschuldeten Betrieb zur Kürzung des Schuldzinsenabzugs, während Eigenkapital entnommen werden kann, ohne dass sich dies im Rahmen von § 4 Abs. 4a EStG auf den betrieblichen Schuldzinsenabzug negativ auswirkt (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 21. September 2005 X R 40/02, BFH/NV 2006, 512; in BFHE 233, 404, BStBl II 2011, 753). Das Gesetz unterstellt damit bei Vorliegen von Überentnahmen eine private Veranlassung und stuft die Schuldzinsen als nicht abziehbar ein.

22

c) Von diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber lediglich in § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG eine Ausnahme gemacht, wodurch anstehende betriebliche Investitionen in Anlagevermögen nicht erschwert werden sollten. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Privilegierung des Anlagevermögens bestehen insoweit nicht. § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG ist nicht willkürlich und verstößt insoweit nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. August 2010 VIII R 42/07, BFHE 230, 424, BStBl II 2010, 1041; in BFHE 233, 404, BStBl II 2011, 753; vom 22. Dezember 2011 III R 99/07, BFH/NV 2012, 729). Für eine Gleichbehandlung des Umlaufvermögens mit dem Anlagevermögen besteht kein Anlass, da Umlaufvermögen zum alsbaldigen Absatz bestimmt ist und bei späteren Käufen häufig von Lieferanten Zahlungsziele eingeräumt werden (BFH-Urteile in BFHE 233, 404, BStBl II 2011, 753, und in BFH/NV 2012, 576, sowie in BFH/NV 2012, 729). Die Differenzierung zwischen Anlage- und Umlaufvermögen beim Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG ist selbst dann nicht willkürlich, wenn Umlaufvermögen anlässlich der Betriebseröffnung angeschafft wird, weil auch diese Wirtschaftsgüter zum alsbaldigen Verkauf bestimmt sind und die investierten Gelder zeitnah wieder frei werden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 233, 404, BStBl II 2011, 753, und in BFH/NV 2012, 576). Es liegt auch keine sinnwidrige Ungleichbehandlung der Finanzierungskosten von Anlage- und Umlaufvermögen vor (BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1485), denn der Gesetzgeber geht davon aus, dass es dem Steuerpflichtigen freisteht, wie er seine Privat- und Betriebsausgaben finanziert. Privilegiert werden lediglich Aufwendungen für betriebliche Investitionen, welche dem Betrieb auf Dauer zu dienen bestimmt sind. Im Übrigen sind Schuldzinsen für den Erwerb von Umlaufvermögen nicht per se nicht abziehbar, sondern lediglich dann, wenn der Steuerpflichtige durch Überentnahmen Privataufwendungen in den betrieblichen Bereich verlagert hat. Denn auch insoweit gilt, dass die Tatsache des Vorliegens von Überentnahmen der Anknüpfungspunkt für die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs ist und nicht etwa die Finanzierung von Umlaufvermögen (BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1485).

23

d) Auch ansonsten bestehen aus Sicht des Senats gegen § 4 Abs. 4a EStG keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

24

aa) Dies gilt zunächst, soweit § 4 Abs. 4a EStG nur die Gewinneinkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG, nicht aber die Überschusseinkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 bis 7 EStG betrifft (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 729), denn auch ein Bezieher von Überschusseinkünften kann frei wählen, ob er eine Vermögensanlage mit Eigen- oder Fremdkapital finanziert, er ist jedoch an die einmal getroffene Entscheidung gebunden (BFH-Urteil in BFHE 211, 238, BStBl II 2006, 125, mit Hinweis auf das BFH-Urteil vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676). Im Bereich der Gewinneinkünfte verhindert § 4 Abs. 4a EStG, dass ein Unternehmer Eigen- durch Fremdkapital substituiert und die dafür zu entrichtenden Schuldzinsen als Betriebsausgaben abzieht.

25

bb) § 4 Abs. 4a EStG ist auch im Hinblick auf das sog. Nettoprinzip unbedenklich, da die Vorschrift an Überentnahmen und somit an private Ursachen anknüpft (vgl. BFH-Urteile vom 7. März 2006 X R 44/04, BFHE 212, 501, BStBl II 2006, 588; in BFH/NV 2012, 729).

26

cc) Der Gesetzgeber war schließlich auch befugt, im Rahmen der Vorschrift die Kürzung des Schuldzinsenabzugs typisierend vorzunehmen. Der vom Gesetzgeber gewählte Zinssatz ist nicht überhöht und die Typisierung dient in erster Linie einem Vereinfachungszweck. Insbesondere erspart sie dem Steuerpflichtigen wie der Finanzverwaltung eine genaue umfangmäßige und zeitanteilige Zuordnung der angefallenen Zinsen, die sich letztlich nur bei einer liquiditätsbezogenen Betrachtungsweise leisten ließe. Die Typisierung erweist sich daher als technische Folge der praktikableren kapitalbezogenen Sichtweise (vgl. BFH-Urteile in BFHE 230, 424, BStBl II 2010, 1041; in BFH/NV 2011, 1669). Dass insoweit Besonderheiten einzelner Branchen (hier: Bauträgerbranche) nicht berücksichtigt werden können, ergibt sich aus der Natur der Typisierung; eine --wie auch immer geartete-- Rechtsmissbräuchlichkeit kann sich insoweit aus der Normanwendung nicht ergeben.

27

4. Das FG ist im Ergebnis von den vorstehenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen und es sind Fehler bei der --diesen Grundsätzen entsprechenden-- Ermittlung der Hinzurechnungsbeträge nach § 4 Abs. 4a EStG weder erkennbar noch gerügt worden.

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