Urteil vom Bundesfinanzhof (6. Senat) - VI R 102/10
Tatbestand
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I. Streitig ist die Kindergeldberechtigung des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) für die Zeit eines Au-pair-Aufenthalts seiner Tochter A.
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Die am … März 1984 geborene Tochter des Klägers befand sich von August 2003 bis Januar 2005 in einem Au-pair-Programm in den USA und lebte bei freier Unterkunft und Verpflegung bei einer amerikanischen Gastfamilie. Sie erhielt ein Taschengeld in Höhe von 139 US$ pro Woche.
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Mit Schreiben vom 30. März 2005 beantragte der Kläger für seine Tochter Kindergeld. Dem Antrag waren verschiedene in englischer Sprache abgefasste Zertifikate beigefügt:
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- US Presidents Course, 3 Credits, vom 11. Dezember 2004
- EurAuPair, Teilnahme am EurAupair Programm USA, vom 21. Januar 2005
- Au Pair Programm, 3 Credits, vom 5. Juni 2004
- American history and culture (von Februar bis Dezember 2004), 10 Stunden die Woche, vom 24. Oktober 2004
- EurAupair Au Pair Workshop, 3 credits, vom 11. Mai 2004
- EurAuPair 21. Juli 2004 bis 21. Januar 2005 Au Pair, 3 credits oder 36 Unterrichtsstunden, vom 25. Oktober 2004
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Nachfolgend forderte die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) den Kläger auf, (weitere) Unterlagen und Nachweise vorzulegen. Die Tochter des Klägers wies sodann darauf hin, dass sie nach Rückkehr aus den USA diese Nachweise nicht mehr vorlegen könne bzw. die Zertifikate bereits vorgelegt worden seien.
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Mit Bescheid vom 29. Juli 2005 lehnte die Familienkasse den Antrag für den Zeitraum August 2003 bis Januar 2005 ab und führte aus, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Au-pair-Aufenthalts als Berufsausbildung nicht erfüllt seien.
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Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 997 veröffentlichten Gründen ab.
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Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. A habe sich während des Au-pair-Aufenthalts in einer Sprachausbildung (einschließlich Vor- und Nachbereitung u.ä.) mit mehr als zehn Wochenstunden befunden. Dies habe das FG verfahrensfehlerhaft verkannt. Denn es habe die von A im Rahmen der Sprachausbildung erzielten "credits" nicht mit je 30 Arbeitsstunden angesetzt.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. November 2009 4 K 90/06 sowie den Ablehnungsbescheid vom 29. Juli 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2005 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, für den Zeitraum August 2003 bis einschließlich Januar 2005 Kindergeld zu gewähren.
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Die Familienkasse beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298).
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a) Eine Berufsausbildung kann auch im Ausland absolviert werden. Sofern ein Kind dort z.B. eine Universität oder Fachschule besucht oder ein Praktikum zur Erlangung beruflicher Qualifikationen ableistet (BFH-Urteil vom 26. August 2010 III R 88/08, BFH/NV 2011, 26), kann es auch dann berücksichtigt werden, wenn zugleich ein Au-pair-Verhältnis besteht. Ein Au-pair-Verhältnis dient regelmäßig nicht der Ausbildung; es schließt die Berücksichtigung eines Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wegen einer anderweitigen Ausbildung jedoch ebenso wenig aus wie ein neben der Ausbildung bestehendes Wehrdienstverhältnis (vgl. BFH-Urteil vom 27. August 2008 III R 88/07, BFH/NV 2009, 132).
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b) Nicht jeder Auslandsaufenthalt, der zu einer Verbesserung der Kenntnisse in der jeweiligen Landessprache führt, erfüllt das Tatbestandsmerkmal der Ausbildung für einen Beruf (BFH-Entscheidungen vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469; vom 31. August 2006 III B 39/06, BFH/NV 2006, 2256; vom 14. September 2009 III B 119/08, BFH/NV 2010, 34). Zwecks Abgrenzung von längeren Urlauben und sonstigen Auslandsaufenthalten, etwa zur Persönlichkeitsbildung --z.B. zur Verbesserung der Selbständigkeit oder um andere Länder und Kulturen kennenzulernen--, werden Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses nach ständiger Rechtsprechung daher nur dann als Berufsausbildung angesehen, wenn sie von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der nach seinem Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt und grundsätzlich mindestens zehn Wochenstunden umfassen muss (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701). Dabei ist eine Durchschnittsbetrachtung für die Dauer des gesamten Aufenthalts anzustellen, so dass bei insgesamt hinreichend umfangreichem Unterricht die Berücksichtigung in einem Ferienmonat nicht unterbrochen wird. Bei weniger als durchschnittlich zehn Wochenstunden können ausnahmsweise einzelne Monate gleichwohl als Berufsausbildung zu werten sein, wenn sie --z.B. infolge von Blockunterricht oder Lehrgängen-- durch intensiven, die Grenze von zehn Wochenstunden deutlich überschreitenden Unterricht geprägt werden (BFH-Urteil vom 15. März 2012 III R 58/08, BFHE 237, 64, BStBl II 2012, 743).
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c) Sprachaufenthalte im Ausland können darüber hinaus unter besonderen Umständen des Einzelfalls als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Fremdsprachenunterricht zwar weniger als zehn Wochenstunden umfasst, aber einen über die übliche Vor- und Nachbereitung hinausgehenden erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand des Kindes erfordert. Dies kann z.B. darauf beruhen, dass Einzelunterricht oder fachlich orientierter Sprachunterricht (z.B. Englisch für Juristen) erteilt wird oder das Kind Vorträge in der Fremdsprache hält (BFH-Urteil in BFHE 237, 64, BStBl II 2012, 743, m.w.N.).
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d) Bezwecken der Auslandsaufenthalt und der Sprachunterricht, ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderweitigen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest zu erlangen (z.B. TOEFL oder IELTS), oder wird ein Auslandsaufenthalt von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorausgesetzt, so kann ein Auslandsaufenthalt ebenfalls als Berufsausbildung zu qualifizieren sein, obwohl weniger als zehn Wochenstunden Sprachunterricht erteilt werden (BFH-Urteil in BFHE 237, 64, BStBl II 2012, 743).
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e) Ein Auslandsaufenthalt ohne gründliche Sprachausbildung gehört demgegenüber nicht bereits deshalb zur Berufsausbildung, weil er Erfahrungen und Fähigkeiten vermittelt, die sich allgemein förderlich auf die Aussichten auswirken, für einen Ausbildungsplatz oder eine Beschäftigung ausgewählt zu werden, ohne dafür indessen erforderlich zu sein. Denn derartige Vorteile können auch durch eine vorübergehende Berufstätigkeit im Ausland oder längere Besuche bei im Ausland lebenden Verwandten erreicht werden, die ebenfalls nicht als Berufsausbildung eingestuft werden könnten (BFH-Urteil in BFHE 237, 64, BStBl II 2012, 743).
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Im Übrigen berücksichtigen einige Hochschulen und Arbeitgeber bei der Bewerberauswahl auch die Ausübung von Mannschaftssportarten oder Leistungssport sowie soziales oder politisches Engagement von Jugendlichen, weil sie Kooperationsfähigkeit, Initiative oder Leistungsbereitschaft indizieren; um eine Berufsausbildung handelt es sich indessen bei der Mitgliedschaft in einer Sportmannschaft oder der Mitarbeit in einer Hilfsorganisation oder der Jugendorganisation einer politischen Partei unzweifelhaft nicht (BFH-Urteil in BFHE 237, 64, BStBl II 2012, 743).
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2. Gemessen an diesen Grundsätzen, die das FG der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist die Würdigung des FG, dass der Kläger die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld für seine Tochter A für die Zeit von August 2003 bis Januar 2005 nicht ausreichend nachgewiesen habe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Ob die von der Tochter des Klägers absolvierten Kurse als theoretisch-systematischer Fremdsprachenunterricht zu werten sind, hat das FG aufgrund der Umstände des Einzelfalls als Tatsacheninstanz zu entscheiden. Seine Sachverhaltswürdigung bindet den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist und nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt, und zwar auch dann, wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich ist (BFH-Urteil vom 29. April 2008 VIII R 28/07, BFHE 220, 332, BStBl II 2009, 842).
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aa) Mangels detaillierter Angaben des gemäß § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung in erhöhtem Maße zur Mitwirkung an der Aufklärung des Auslandssachverhalts verpflichteten Klägers zu Inhalt und Form des Unterrichts ist es nicht zu beanstanden, dass das FG die Teilnahme an den Kursen "American history and culture" sowie "US Presidents" nicht als hinreichend gründliche theoretisch-systematische Sprachausbildung gewürdigt hat. Denn es verstößt weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze, wenn das FG davon ausgeht, dass ein Geschichtskurs und ein Kurs mit allgemeinbildendem Inhalt auch bei einem Zeitaufwand von zehn Wochenstunden (Unterricht einschließlich Vor- und Nachbereitungszeit) keine qualifizierte Sprachausbildung vermitteln. Eine solche Würdigung ist vielmehr möglich. Insoweit zutreffend weist das FG darauf hin, dass allein die Beschäftigung mit der amerikanischen Geschichte und Kultur nur mittelbar der Sprachausbildung dient.
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bb) Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG insoweit, als es den von der Tochter des Klägers in der Zeit vom 20. Januar 2004 bis 11. Mai 2004 belegten Sprachkurs "advanced english, intensive writing" (36 Unterrichtsstunden, 3 "Credit-Points") weder für sich noch im Zusammenhang mit den übrigen Aktivitäten der Tochter des Klägers gesehen als ausreichend für eine sprachliche Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gewertet hat. Denn auch bei einer Zusammenschau von englischsprachig vermittelter Allgemeinbildung in den Kursen "American history and culture" und "US Presidents" sowie dem theoretisch-systematischen Sprachunterricht von wöchentlich 2,25 bis 2,4 Stunden und einer Berücksichtigung der vom Kläger behaupteten weiteren Vor- und Nachbereitungszeit von etwa 3,5 Stunden je Woche (entspricht 3 "Credit-Points" = 90 Arbeitsstunden) ist diese Wertung möglich. Besondere Umstände, die eine solche Würdigung als lebensfremd und nicht nachvollziehbar erscheinen lassen, hat der Kläger insoweit jedenfalls nicht vorgetragen.
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b) Die von A belegten Au-pair-Kurse hinsichtlich der Sicherheitsmaßnahmen für (Klein)Kinder und der Kindesentwicklung sind auch nicht für sich als Berufsausbildung einzuordnen. Sie wurden nicht im Rahmen einer anerkannten Form der Berufsausbildung belegt, sollten nicht zu einem fachlich anerkannten Abschluss führen und waren für das anschließend im Inland betriebene Studium ohne Bedeutung (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2012 III R 82/10, BFH/NV 2012, 1588).
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c) Schließlich hat das FG auch rechtsfehlerfrei darauf erkannt, dass die absolvierten Kurse mangels entsprechender Anforderungen in der Studienordnung des nachfolgend von A belegten Diplomstudiengangs Betriebswirtschaftslehre der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der … Universität nicht als Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG die streitige Kindergeldberechtigung vermitteln können. Denn nach den insoweit ebenfalls bindenden Feststellungen des FG ist in der entsprechenden Studienordnung ein Sprachaufenthalt weder vorgeschrieben noch empfohlen.
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3. Die geltend gemachten Verfahrensrügen der mangelhaften Sachverhaltsaufklärung und des Verstoßes gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs greifen nicht durch. Von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).
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Referenzen
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- 2008 VIII R 28/07 1x (nicht zugeordnet)
- 2012 III R 82/10 1x (nicht zugeordnet)
- 1999 VI R 33/98 1x (nicht zugeordnet)
- 2009 III R 85/08 1x (nicht zugeordnet)
- 2012 III R 58/08 1x (nicht zugeordnet)
- 2006 III B 39/06 1x (nicht zugeordnet)
- 2002 VIII R 83/00 1x (nicht zugeordnet)
- 2010 III R 88/08 1x (nicht zugeordnet)
- 2009 III B 119/08 1x (nicht zugeordnet)