Beschluss vom Bundesfinanzhof (1. Senat) - I S 11/12

Tatbestand

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I. Das Hessische Finanzgericht (FG) wies mit Urteil vom 13. September 2011 die unter dem Aktenzeichen 4 K 1488/09 geführte Klage der Klägerin, Beschwerdeführerin und Rügeführerin (Klägerin), einer GmbH, ab.

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Die wegen Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 12. Juni 2012 I B 148/11 als unzulässig verworfen. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin habe nicht in der gebotenen Weise dargelegt, dass an der vorangegangenen Entscheidung des FG ein kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter mitgewirkt habe, ein Verstoß des Gerichts gegen den klaren Inhalt der Akten vorliege, das FG gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen habe und das FG-Urteil einen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler enthalte.

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Gegen den Senatsbeschluss wendet sich die Klägerin mit ihrer Anhörungsrüge, die sie insbesondere damit begründet, dass es ihr mangels vollständiger Akteneinsicht nicht möglich gewesen sei näher darzulegen, dass der Richter am Finanzgericht X von der Mitwirkung im finanzgerichtlichen Verfahren ausgeschlossen gewesen sei und dass sie im Jahre 2000 eine Bareinlage in Höhe von 760.000 DM geleistet habe.

Entscheidungsgründe

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II. Die Anhörungsrüge ist unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Sätze 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

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1. Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs wurde im Beschwerdeverfahren nicht deshalb verletzt, weil der Senat ihr vor seiner Entscheidung nicht die Möglichkeit eingeräumt hat, gestützt auf die Ergebnisse einer vorherigen umfassenden Akteneinsicht den Ausschluss des X von dem FG-Verfahren weiter gehend darzulegen.

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a) Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht nach den Prozessvorschriften ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. November 2009 VI S 17/09, BFH/NV 2010, 226; vom 15. Dezember 2010 II S 31/10, BFH/NV 2011, 619; vom 28. November 2011 III S 9/11, BFH/NV 2012, 433; Senatsbeschluss vom 11. Juli 2012 I S 8/12, juris). Dieses Recht wird dann i.S. des § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO in entscheidungserheblicher Weise verletzt, wenn der BFH bei seiner Beschwerdeentscheidung ein Vorbringen im Zusammenhang mit der Darlegung der Gründe für die Zulassung der Revision i.S. von § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat und die Revision bei Berücksichtigung dieses Vorbringens hätte zugelassen werden müssen (BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 2011 XI S 29/10, BFH/NV 2011, 824; in BFH/NV 2012, 433).

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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat durch seinen Beschluss vom 12. Juni 2012 den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Denn er durfte einen nach dem Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingehenden Vortrag zu dem Vorliegen eines Ausschlusses des X bei dem vorangegangenen FG-Verfahren bei seiner Entscheidung nicht mehr berücksichtigen und musste daher eine weitere Akteneinsicht nicht abwarten.

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aa) Bei der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde dürfen nur die innerhalb der Begründungsfrist vom Beschwerdeführer dargelegten oder bezeichneten Gründe beachtet werden. Eine am Fristende fehlende Darlegung i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO kann später nicht mehr nachgeholt werden (BFH-Beschluss vom 11. Januar 1995 V B 45/94, BFH/NV 1995, 804; Beermann in Beermann/Gosch, FGO § 116 Rz 54). Nach Ablauf der Begründungsfrist gemäß § 116 Abs. 3 FGO sind nur noch Erläuterungen, Ergänzungen und Vervollständigungen von solchen Zulassungsgründen möglich, die innerhalb der Frist mit dem gebotenen Mindestmaß an eine ordnungsgemäße Darlegung geltend gemacht worden sind (BFH-Beschlüsse vom 17. April 1997 VII B 200/96, BFH/NV 1997, 693; vom 24. April 2007 X B 169/06, BFH/NV 2007, 1504; Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 I B 88/11, BFH/NV 2012, 1089).

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Obwohl die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde i.S. des § 56 FGO grundsätzlich wiedereinsetzungsfähig ist (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 56 FGO Rz 6; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 56 Rz 2), scheidet eine Wiedereinsetzung aus, wenn lediglich ein einzelner Zulassungsgrund nach Ablauf der Begründungsfrist erstmals ordnungsgemäß gerügt wird. In solchen Fällen wird keine verfristete Prozesshandlung nachgeholt, sondern nur ein nicht rechtzeitig vorgebrachter Revisionszulassungsgrund nachgeschoben (s. zur Revisionsbegründung Senatsurteil vom 6. Dezember 1978 I R 9/78, BFHE 126, 383, BStBl II 1979, 184; BFH-Beschluss vom 21. Februar 2007 VII R 51/04, BFH/NV 2007, 1161; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 45; so bereits Urteil des Reichsgerichts vom 24. März 1928 V 420/27, RGZ 121, 5 zum Zivilprozessrecht).

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bb) Gemessen an diesen prozessrechtlichen Vorgaben war eine weitere Substantiierung des Ausschlussgrundes mit Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist am 5. Januar 2012 endgültig ausgeschlossen, so dass der Senat eine weitere Akteneinsicht der Klägerin vor seiner Entscheidung nicht abwarten musste. Denn die Klägerin hat bis zum Ablauf der Begründungsfrist den Ausschluss des X gemäß § 51 Abs. 2 FGO nicht in einer durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise gerügt.

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In der vor Ablauf der Begründungsfrist eingereichten Beschwerdebegründung hat die Klägerin nicht in hinreichender Weise dargelegt, dass X von der Ausübung des Amtes als Richter in dem Verfahren 4 K 1488/09 gemäß § 51 Abs. 2 FGO ausgeschlossen war, weil er bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hatte. Sie hat lediglich gemutmaßt, dass X zuvor an dem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren mitgewirkt hatte, weil sein Name nachträglich handschriftlich auf Blatt 177 der Finanzamtsakte hinzugefügt worden war; sie hat jedoch keinen konkreten Bezug des nicht die Streitjahre betreffenden Schreibens mit den konkreten Verwaltungs- oder Einspruchsverfahren hergestellt, die der Klage gegen die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 2002 und 2003 vorangegangen waren. Eine solche Behauptung eines Verfahrensfehlers "auf Verdacht" ist für eine ordnungsgemäße Rüge nicht hinreichend. Dies beruht auf der Erwägung, dass der Gesetzgeber auf die Gesetzmäßigkeit richterlichen Handelns vertraut und daher von der Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens in der Vorinstanz auszugehen ist. Daher obliegt es dem Beschwerdeführer, konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der Besetzung des Gerichts zu ermitteln und auf dieser Grundlage Tatsachen darzulegen, die seiner Meinung nach einen Besetzungsmangel begründen (BFH-Urteil vom 15. Juli 1987 X R 15/81, BFH/NV 1988, 446, m.w.N.).

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Hierdurch werden die Darlegungsanforderungen im konkreten Fall nicht überspannt. Auch wenn eine endgültige Gewissheit über das Vorliegen des Ausschlussgrundes erst durch finanzverwaltungsinterne Unterlagen oder eine Auskunft des X hätte erlangt werden können, wäre es der Klägerin zumindest möglich gewesen, weitere Darlegungen zu dem Vorliegen des Ausschlussgrundes zu machen. Sie hätte insbesondere darlegen können und sollen, warum der Umstand, dass der Name des X nachträglich handschriftlich auf einem die Jahre 1999 und 2000 --und damit nicht die Streitjahre-- betreffenden Schreiben hinzugefügt wurde, dafür sprechen soll, dass X auch mit den Einspruchsverfahren gegen die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 2002 und 2003 befasst war. Weitere Erläuterungen wären der Klägerin insbesondere deshalb möglich gewesen, weil sie den Inhalt dieses Schreibens nicht nur durch eine vor der mündlichen Verhandlung erfolgten Akteneinsicht kannte, sondern es sich um ein Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 14. April 2007 handelt.

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Da die Darlegungen bis zum Ablauf der Begründungsfrist nicht den Vorgaben des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprochen haben und deshalb endgültig nicht mehr ergänzt werden konnten, ist es unerheblich, dass die Klägerin nach Ablauf der Begründungsfrist mit Schreiben vom 30. März 2012 weitere Ausführungen zu dem Ausschlussgrund gemacht hatte.

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2. Soweit die Klägerin vorträgt, mangels Akteneinsicht sei es ihr auch nicht möglich gewesen, die Bareinlage in Höhe von 760.000 DM im Jahre 2000 darzulegen, hat sie eine Gehörsverletzung nicht in der gebotenen Weise dargelegt.

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a) Nach § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO muss die Rüge die in Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Vorschrift genannten Voraussetzungen und damit darlegen, dass der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist. Hierzu muss der Rügeführer insbesondere schlüssig und substantiiert darlegen, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen er sich im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nicht habe äußern können oder welches entscheidungserhebliche Vorbringen des Rügeführers das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen habe (BFH-Beschlüsse vom 20. April 2010 VI S 1/10, BFH/NV 2010, 1467; vom 14. Oktober 2010 X S 24/10, BFH/NV 2011, 279; in BFH/NV 2011, 824). Diese Ausführungen müssen innerhalb der Zweiwochenfrist gemäß § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO erfolgen (BFH-Beschluss vom 1. September 2010 V S 26/09, BFH/NV 2011, 51).

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b) Die Klägerin hat nicht schlüssig und substantiiert dargelegt, dass sie sich zu entscheidungserheblichen Sach- und Rechtsfragen nicht hat äußern können, bevor der Senat mit Beschluss vom 12. Juni 2012 über die Nichtzulassungsbeschwerde entschieden hat. Sie hat lediglich erklärt, sie habe zu keinem Zeitpunkt Einsicht in die beim Registergericht A geführten Akten über die Gründung sowie die Kapitalerhöhungen bei der Z AG erhalten, obwohl das Urteil zentral auf diesen Akten aufbaue und mehrfach Akteneinsicht beantragt worden sei. Hiermit hat die Klägerin jedoch nicht erläutert, weshalb eine Einsicht in diese Unterlagen für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde zu neuen entscheidungserheblichen Erkenntnissen hätte führen können, zumal die Klägerin in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde den Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten auf Unterlagen über eine Kapitalerhöhung stützte, die sie selbst durchgeführt hatte. Dass und inwieweit sie nicht über Abschriften dieser Unterlagen verfügte und deshalb auf eine Akteneinsicht angewiesen war, hat sie nicht substantiiert vorgetragen.

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3. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs wird auch nicht dadurch hinreichend dargelegt, dass es der Senat unterlassen habe, die Frage des Ausschlusses des X in der Sache weiter aufzuklären und festzustellen, ob X in dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren bereits mit der Sache beschäftigt war. Im Kern rügt die Klägerin hiermit keine Gehörsverletzung, sondern einen Verstoß des Senats gegen eine von der Klägerin angenommene Sachaufklärungspflicht, der im Rahmen einer Anhörungsrüge keine Berücksichtigung finden kann.

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4. Soweit die Klägerin darüber hinaus der Auffassung ist, der Senat sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Bezug des Blatts 177 der Finanzamtsakten zu dem Einspruchsverfahren nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden sei, trägt sie ebenfalls keine Gehörsverletzung vor, die Gegenstand einer Anhörungsrüge sein könnte. Vielmehr wendet sie sich gegen die Richtigkeit der rechtlichen Würdigung des Senats. Die Anhörungsrüge dient aber nicht dem Zweck, die angefochtene Entscheidung in der Sache in vollem Umfang nochmals zu überprüfen (BFH-Beschluss vom 27. März 2008 VI S 1/08, juris; Senatsbeschluss vom 11. Juli 2012 I S 8/12, juris; Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 133a FGO Rz 13).

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