Beschluss vom Bundesfinanzhof (7. Senat) - VII B 16/12

Tatbestand

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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) übernahm 1997 das Handelsgeschäft des Einzelunternehmers N. In der Folgezeit gab er auf dieses Handelsgeschäft bezogene Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1997 und 1998 ab, nicht jedoch für das Jahr 1999, für das sodann ein Steuerbescheid aufgrund vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) geschätzter Umsätze erging. Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung erließ das FA auf der Grundlage weiterer Hinzuschätzungen geänderte Umsatzsteuerbescheide 1997 bis 1999 sowie einen Umsatzsteuerbescheid 2000. Auf die hiergegen nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhobenen Klagen hob das Finanzgericht (FG) mit Urteilen vom 26. Juli 2006 (5 K 4788/02 und 5 K 4789/02) die Steuerbescheide mit der Begründung auf, der Kläger sei in den Streitjahren nicht Unternehmer, sondern lediglich Strohmann des weiterhin als Inhaber des Handelsgeschäfts anzusehenden Einzelunternehmers N gewesen.

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Das FA folgerte daraus, dass die sich aus einzelnen Umsatzsteuervoranmeldungen des Klägers in den Jahren 1998 bis 2000 ergebenden Guthaben ihm seinerzeit zu Unrecht erstattet bzw. auf offene Forderungen umgebucht worden seien, und forderte diese Beträge mit Bescheid vom 19. November 2007 vom Kläger zurück.

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Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das FG ab. Das FA habe gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) einen Anspruch auf Rückzahlung der an den Kläger ausgekehrten Guthaben. Für diese Erstattungen und Verrechnungen habe es keinen Rechtsgrund gegeben, weil die den Erstattungen bzw. Verrechnungen zugrunde liegenden Steuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2000 wegen fehlender Unternehmereigenschaft des Klägers aufgehoben worden seien. Die entsprechenden Vorauszahlungsbescheide dieser Jahre seien allesamt Gegenstand der Umsatzsteuer-Jahresbescheide geworden. Der Kläger sei als Empfänger der rechtsgrundlosen Leistung anzusehen, denn das FA habe die streitigen Erstattungen bzw. Verrechnungen erkennbar ausschließlich dem Kläger leisten wollen, der sich nach außen und gegenüber dem FA als Inhaber des Handelsgeschäfts geriert habe. Der Rückzahlungsanspruch sei auch nicht verjährt, da er erst mit der Rechtskraft der Urteile vom 26. Juli 2006 fällig geworden sei.

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Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, welche er auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

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1. Die von der Beschwerde als klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage, "ob die Aufhebung von Umsatzsteuer-Jahresbescheiden auch dann nicht zum Erlöschen der materiell-rechtlichen Ansprüche aus den Umsatzsteuervoranmeldungen führt, wenn die Umsatzsteuer-Jahresbescheide mit einer Verneinung der Unternehmereigenschaft aufgehoben worden sind", ist durch die Rechtsprechung des beschließenden Senats geklärt. In dem Revisionsverfahren VII R 47/11, auf das in der Beschwerdebegründung als seinerzeit noch anhängiges Verfahren verwiesen wird, hat der Senat mit Urteil vom 22. Mai 2012 (BFHE 238, 10, BFH/NV 2012, 1849) entschieden, dass sich Umsatzsteuer-Vorauszahlungsfestsetzungen zwar mit dem Erlass des Jahressteuerbescheids erledigen, weil nach der Festsetzung der Jahressteuer von den Vorauszahlungsfestsetzungen (grundsätzlich) keine Rechtswirkungen mehr ausgehen, diese jedoch wieder wirksam werden, wenn der Jahressteuerbescheid, durch dessen Erlass sich die Vorauszahlungsfestsetzungen in anderer Weise i.S. des § 124 Abs. 2 AO erledigt hatten, aufgehoben wird. Dies gilt allerdings nicht, wenn das FA den Jahressteuerbescheid mangels Schuldnerschaft des Adressaten aufhebt, denn damit wird deutlich, dass die Grundlage für jedwede Umsatzsteuerfestsetzung fehlt und der Wille des FA gerade nicht darauf gerichtet ist, die Vorauszahlungsfestsetzungen wieder in Kraft zu setzen. In einem solchen Fall sind die Vorauszahlungsfestsetzungen als stillschweigend aufgehoben anzusehen.

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Das angefochtene FG-Urteil entspricht im Ergebnis dieser Senatsrechtsprechung, so dass die Revision auch nicht wegen nachträglich entstandener Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zu vorgenanntem Senatsurteil zuzulassen ist. Zwar unterscheidet sich der Streitfall von dem mit dem Senatsurteil in BFH/NV 2012, 1849 entschiedenen Fall insoweit, als vorliegend die Jahressteuerbescheide nicht durch das FA, sondern durch das FG aufgehoben worden sind. Auch im Streitfall hat aber das FA die mit den FG-Urteilen vom 26. Juli 2006 getroffene Entscheidung, der zufolge der Kläger in den Streitjahren nicht als Unternehmer tätig war, akzeptiert und hat spätestens mit dem Erlass des Rückforderungsbescheids vom 19. November 2007 zweifelsfrei zu erkennen gegeben, dass es die wegen fehlender Unternehmereigenschaft des Klägers fehlgeschlagenen Umsatzsteuerfestsetzungen der Streitjahre 1998 bis 2000 insgesamt, also auch hinsichtlich der Festsetzungen der Vorauszahlungen bereinigen wollte, weshalb von einer stillschweigenden Aufhebung der Vorauszahlungsfestsetzungen dieser Jahre auszugehen ist.

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Die Entscheidung des FG, der Rechtsgrund für die dem Kläger für einzelne Voranmeldungszeiträume der Streitjahre 1998 bis 2000 gezahlten Erstattungen bzw. für die Verrechnung entsprechender Guthaben mit offenen Forderungen sei nachträglich entfallen, erweist sich somit jedenfalls im Ergebnis als richtig (vgl. für die entsprechende Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde: Senatsbeschluss vom 8. Januar 1998 VII B 102/97, BFH/NV 1998, 729, m.w.N.).

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2. Ob mit dem Beschwerdevorbringen, das FG habe die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bestehende Eigenständigkeit von Vorauszahlungsfestsetzungen verneint, der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO in Gestalt der Divergenz schlüssig dargelegt wird, kann offenbleiben. Auf diese Frage käme es in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht an, weil --wie ausgeführt-- davon auszugehen ist, dass die Vorauszahlungsfestsetzungen des Streitfalls, die Grundlage für die streitigen Erstattungen bzw. Verrechnungen waren, als stillschweigend aufgehoben anzusehen sind.

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3. Hinsichtlich der Frage der Zahlungsverjährung ist das FG im Ergebnis davon ausgegangen, dass ein fälliger, den Lauf der Verjährungsfrist auslösender (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO) Rückzahlungsanspruch des FA erst mit der Aufhebung der betreffenden Vorauszahlungsfestsetzungen entstanden ist. Auch dies entspricht der Rechtsprechung des beschließenden Senats gemäß dem Urteil in BFH/NV 2012, 1849, weshalb auch insoweit keine Gründe für die Zulassung der Revision vorliegen. Das seitens der Beschwerde angeführte Senatsurteil vom 25. Februar 1992 VII R 8/91 (BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713) steht dem nicht entgegen, weil es einen mit dem Streitfall nicht vergleichbaren Sachverhalt betrifft.

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