Beschluss vom Bundesfinanzhof (5. Senat) - V B 19/12

Tatbestand

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I. Die in Belgien ansässige Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte am 12. Februar 2001 erstmals gemäß § 18 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) i.V.m. §§ 59 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung die Vergütung von Vorsteuern für den Zeitraum Januar bis Dezember 2000 in Höhe von 50.960,07 DM. Der Antrag enthielt keine Angaben zu Ziffer 9 a des amtlichen Vordrucks. Der Beklagte und Beschwerdegegner (Bundesamt für Finanzen, seit 1. Januar 2006: Bundeszentralamt für Steuern --BZSt--) stimmte der Anmeldung zunächst zu. Bis Februar 2002 gingen beim BZSt weitere Vorsteuervergütungsanträge für die Zeiträume Januar bis Juni 2001 in Höhe von 155.201,58 €, Juli bis September 2001 in Höhe von 222.811,41 € und Oktober bis Dezember 2001 in Höhe von 124.552,60 € ein. Auch diese Anträge enthielten keine Angaben zu Ziffer 9 a des amtlichen Vordrucks.

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Mit Bescheid vom 4. Juli 2002 lehnte das BZSt die für 2001 beantragte Vorsteuervergütung ab. Mit Änderungsbescheid vom 14. November 2002 setzte es zudem die Vorsteuervergütung für 2000 auf 0 DM fest. Die hiergegen gerichteten Einsprüche und die Klage blieben erfolglos.

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Mit der Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision und macht geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und die Fortbildung des Rechts erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH--(§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Es sei zu klären, ob ein wirksamer Vorsteuer-Vergütungsantrag einen Eintrag in Ziffer 9 a des amtlichen Vordrucks erfordere und welche inhaltlichen Anforderungen an diesen Eintrag zu stellen seien. Ferner liege ein Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vor, da das Finanzgericht (FG) seiner Entscheidung nicht den wesentlichen Inhalt der Akten zugrunde gelegt habe.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unbegründet.

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1. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 24. Juli 2012 V B 76/11, BFH/NV 2012, 1840). Daran fehlt es hier.

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Die von der Klägerin als grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage, ob ein wirksamer Vorsteuer-Vergütungsantrag einen Eintrag in Ziffer 9 a erfordert, ist nicht klärungsbedürftig, da der BFH bereits entschieden hat, dass es sich ohne die Angaben zu Ziffer 9 b nicht um einen vollständigen Antrag handelt, so dass ein Antrag ohne diese Angabe nicht fristwahrend ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 1840, m.w.N.).

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a) Es ist geklärt, dass der Vergütungsantrag dem amtlichen Muster entsprechen muss (BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 1840, m.w.N.). Geklärt ist auch, dass die Frist für den Vergütungsantrag (§ 18 Abs. 9 Satz 3 UStG) eine Ausschlussfrist ist, die nicht rückwirkend verlängert werden kann (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 1840; BFH-Urteile vom 18. Januar 2007 V R 23/05, BFHE 217, 32, BStBl II 2007, 430, unter II.4.; vom 21. Oktober 1999 V R 76/98, BFHE 190, 239, BStBl II 2000, 214, m.w.N.). Schließlich wird die Antragsfrist nur durch einen vollständigen, dem amtlichen Muster in allen Einzelheiten entsprechenden Antrag gewahrt (BFH-Urteil in BFHE 190, 239, BStBl II 2000, 214, unter II.1.; BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 1840). Da die Vergütungsanträge der Klägerin keine Angaben zu Ziffer 9 a enthalten, liegen im Streitfall keine vollständigen Anträge vor.

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b) Die von der Klägerin vorgetragenen Gesichtspunkte machen keine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich. Insbesondere ist die Rechtslage --entgegen der Auffassung der Klägerin-- auch aus unionsrechtlicher Sicht eindeutig. Art. 3 Buchst. a der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (Richtlinie 79/1072/EWG) bestimmt, dass ein in Art. 2 der Richtlinie 79/1072/EWG genannter Steuerpflichtiger, der im Inland keine Gegenstände liefert oder Dienstleistungen erbringt, u.a. bei der zuständigen Behörde nach dem in Anhang A aufgeführten Muster einen Antrag stellen muss, um die Erstattung zu erhalten. Hierzu zählen auch die in Ziffer 9 a geforderten Angaben. Diese sind mithin nicht entbehrlich.

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Bestätigt wird dies durch Art. 3 Buchst. a Satz 2 der Richtlinie 79/1072/EWG i.V.m. Anhang C Buchst. F. Danach stellen die Mitgliedstaaten den Antragstellern eine Erläuterung zur Verfügung, die auf jeden Fall die Mindestinformationen laut Anhang C enthalten muss. Zu diesen Mindestanforderungen gehört der Hinweis, dass der Antragsteller unter Ziffer 9 a des Formulars die Art der Tätigkeit oder des Gewerbezweigs anzugeben hat, für die er die Güter erworben bzw. die Leistungen erbracht hat, auf die sich der Antrag auf Steuervergütung bezieht.

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2. Auch die Fortbildung des Rechts erfordert keine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alternative FGO), weil auch dieser Zulassungsgrund eine klärungsbedürftige Rechtsfrage voraussetzt (BFH-Beschlüsse vom 29. September 2011 IV B 56/10, BFH/NV 2012, 266, unter 1.b; vom 18. September 2012 VI B 9/12, BFH/NV 2012, 1961).

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3. Die Klägerin hat keinen Verfahrensfehler, auf dem das FG-Urteil i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beruhen könnte, in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.

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a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Dabei ist neben dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch der gesamte Akteninhalt vollständig zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Juni 2012 VI B 108/11, BFH/NV 2012, 1612, m.w.N.). Die Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO erfordert insofern die genaue Bezeichnung des nicht berücksichtigten Akteninhalts sowie die Darlegung, inwieweit dessen Berücksichtigung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 1612, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall.

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Auf Antrag der Klägerin hat das FG den Tatbestand des Urteils dahin ergänzt, dass dem Gericht die Rechnungen der X-GmbH aus dem Jahr 2000 vorlagen. Danach kann grundsätzlich von deren Berücksichtigung bei der Entscheidungsfindung ausgegangen werden (vgl. zur Wiedergabe klägerischen Vorbringens BFH-Urteile vom 27. Januar 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543; vom 25. August 2009 I R 88, 89/07, BFHE 226, 296, BFH/NV 2009, 2047). Alleine aus dem Umstand, dass das FG die Rechnungen vor der Tatbestandsberichtigung in seinem Urteil nicht angesprochen hat, kann nicht geschlossen werden, es habe diese nicht zur Kenntnis genommen. § 96 FGO gebietet es nämlich nicht, alle im Einzelfall gegebenen Umstände im Urteil zu erörtern; vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt und Vortrag in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (z.B. BFH-Beschluss vom 26. Mai 2010 V B 70/09, BFH/NV 2010, 1837, m.w.N.).

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b) Letztlich rügt die Klägerin mit ihrem Vorbringen zum einen eine unzutreffende Tatsachenwürdigung durch das FG und zum anderen eine unzutreffende Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, also materiell-rechtliche Fehler. Ein Fehler bei der Rechtsanwendung kann nur ausnahmsweise nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO zur Zulassung der Revision führen, wenn es sich um einen schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehler handelt, der geeignet ist, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Ein derartiger Fehler liegt jedoch nur dann vor, wenn die angefochtene FG-Entscheidung objektiv willkürlich und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (z.B. BFH-Beschluss vom 25. März 2010 X B 176/08, BFH/NV 2010, 1455, m.w.N.). Einen solchen qualifizierten Rechtsanwendungsfehler des FG hat die Klägerin nicht dargelegt.

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4. Einer weiteren Begründung bedarf es nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

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