Beschluss vom Bundesfinanzhof (3. Senat) - III B 24/12

Gründe

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Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

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1. Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist anzunehmen, wenn das Finanzgericht (FG) mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (z.B. Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2011 III B 56/11, BFH/NV 2012, 178).

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a) Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) --der Kindsvater-- vorträgt, die Vorentscheidung weiche von dem Urteil des FG München vom 4. Mai 2011  9 K 2928/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 2173) ab, liegt keine Divergenz vor.

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In der vorgeblichen Divergenzentscheidung wird zwar ausgeführt, dass die Entscheidung der ausländischen Behörde, soweit sie die Anwendung deren innerstaatlicher Rechtsvorschriften betreffe, Tatbestandswirkung für die deutschen Behörden habe. Das FG hat aber keinen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt, insbesondere nicht entschieden, dass eine derartige Bindungswirkung nicht bestehe. Es hat vielmehr ausgeführt, die Entscheidung der österreichischen Behörde, der Kindsmutter nach dem überstaatlichen Gemeinschaftsrecht österreichische Familienleistungen zu gewähren, binde weder die deutschen Behörden noch Gerichte. Damit fehlt es an voneinander abweichenden abstrakten Rechtssätzen.

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b) Soweit der Kläger behauptet, das FG sei von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. März 2003 VIII R 95/02 (BFH/NV 2003, 1306) abgewichen, ist ebenfalls keine Divergenz gegeben.

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Der Kläger führt zwar in seiner Beschwerdebegründung aus, der BFH habe in dem zitierten Urteil zu einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden, der dem Steuerpflichtigen nach den §§ 62 ff. des Einkommensteuergesetzes (EStG) zustehende Kindergeldanspruch sei aufgrund der im Ausland dem anderen Elternteil gezahlten Familienleistungen nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen gewesen. Das FG-Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung betreffen jedoch unterschiedliche Rechtsfragen.

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Der BFH hat in dem zitierten Urteil entschieden, dass ein in Deutschland lebender und Unterhalt zahlender Vater bei seiner Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1998 keinen Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG 1997 abziehen kann, wenn die in Österreich lebende Mutter dort für das gemeinsame Kind Kindergeld erhält, das nicht niedriger ist als die Steuerersparnis des Vaters bei Abzug eines Kinderfreibetrages (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 1306). Die vorgebliche Divergenzentscheidung betraf daher nicht die Rechtsfrage, ob dem Steuerpflichtigen ein Kindergeldanspruch zustand, sondern ob er einen Kinderfreibetrag abziehen konnte. Für diese Zwecke war im Rahmen der sog. Günstigerrechnung nach § 31 Satz 4 EStG 1997 zu prüfen, ob für den Steuerpflichtigen das Kindergeld oder die durch den Kinderfreibetrag bedingte Steuerentlastung vorteilhafter waren. Zur Ermittlung dieser Vorteilhaftigkeit wurde jedoch nach der bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2003 geltenden Rechtslage nicht ein bestehender Kindergeldanspruch einbezogen, sondern das tatsächlich gezahlte Kindergeld, und zwar unabhängig davon, wer Empfänger dieser Zahlungen war (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 1306; s. dazu auch Blümich/Selder, § 31 EStG Rz 54). Das FG-Urteil und die vermeintliche Divergenzentscheidung betreffen daher unterschiedliche Rechtsfragen.

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Abgesehen davon ist nicht erkennbar, dass die Rechtsausführungen des BFH zur Frage des Kindergeldanspruchs des Steuerpflichtigen entscheidungserheblich gewesen sind, wenn --wie dargelegt-- nach damaliger Rechtslage auf das tatsächlich gezahlte Kindergeld abzustellen war.

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c) Soweit der Kläger vorträgt, die angegriffene Entscheidung stehe im Widerspruch zu den Senatsurteilen vom 28. Juni 2006 III R 13/06 (BFHE 214, 287, BStBl II 2007, 714) und vom 3. März 2011 III R 11/08 (BFHE 233, 41, BStBl II 2011, 722), kommt eine Zulassung wegen Divergenz ebenfalls nicht in Betracht.

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aa) Der beschließende Senat hat in dem zitierten Urteil in BFHE 233, 41, BStBl II 2011, 722 zwar entschieden, § 70 Abs. 2 EStG betreffe den Fall, dass eine ursprünglich rechtmäßige Festsetzung durch Änderung der für den Kindergeldanspruch erheblichen (rechtlichen oder tatsächlichen) Verhältnisse nachträglich unrichtig werde. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass sich in der Vorentscheidung die Aussage findet, für die Anwendung des § 70 Abs. 2 EStG komme es nicht darauf an, ob der zu ändernde Bescheid rechtmäßig oder rechtswidrig gewesen sei. Bei isolierter Betrachtung dieser Urteilspassage könnte daher eine entscheidungserhebliche Abweichung von der zitierten Senatsrechtsprechung vorliegen.

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bb) Im Ergebnis hat das FG die Entscheidung aber auf einen weiteren selbständig tragenden Grund (sog. kumulative Begründung) gestützt, so dass sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der genannten Abweichung und dem Ergebnis der Entscheidung ausschließen lässt. In einem solchen Fall kann die Revision wegen Divergenz nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Gründe eine Divergenz zu einer Entscheidung eines anderen Gerichts gegeben ist (Senatsbeschluss vom 30. August 2000 III B 62/98, BFH/NV 2001, 455). Hieran fehlt es.

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(1) Der weitere selbständig tragende Grund ergibt sich aus der durch das FG erfolgten Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung. Es hat nach § 105 Abs. 5 FGO auf die (nach seiner Ansicht) zutreffenden Ausführungen der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) "in der Einspruchsentscheidung bezüglich der Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften, insbesondere zu Art. 76 bis 79 der Verordnung (EWG) 1408/71 und der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung (EWG) 574/72" verwiesen (s. II. Buchst. d der Gründe). Damit hat sich das FG die diesbezüglichen Gründe der Einspruchsentscheidung zu eigen gemacht (s. BFH-Beschluss vom 11. Juli 2008 IV B 121/07, BFH/NV 2008, 2002). Hiernach war jedoch die zu ändernde Kindergeldfestsetzung rechtmäßig und nicht rechtswidrig.

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Nach der dort vertretenen Rechtsauffassung sei die im Streitfall bestehende Konkurrenz zwischen dem Kindergeldanspruch des Klägers nach dem EStG und dem Anspruch der Kindsmutter auf österreichische Familienleistungen nach dem dem § 65 EStG vorgehenden Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 574/72) aufzulösen. Dies bedeute: Bestehe, wie im Streitfall für die Kindsmutter, ein Anspruch auf Familienleistungen im Wohnland der Kinder, der nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhänge, und ein Anspruch auf Familienleistungen im Beschäftigungsland --hier: Deutschland--, wie für den Kläger, so sei das deutsche Kindergeld erst dann bis zur Höhe der im Wohnland geschuldeten Familienleistungen auszusetzen, wenn der Anspruchsberechtigte im Wohnland der Kinder eine Berufstätigkeit ausübe. Diese Situation sei im Streitfall erst im Laufe des Monats November 2008 eingetreten, nachdem die Kindsmutter am 10. November 2008 in Österreich eine Beschäftigung aufgenommen habe.

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Nach dieser Rechtsauffassung schließt daher ein im Wohnland der Kinder bestehender Anspruch auf Familienleistungen, der betragsmäßig über dem deutschen Kindergeld liegt, einen deutschen Kindergeldanspruch erst dann aus, wenn der andere Elternteil im Wohnland der Kinder eine Beschäftigung ausübt. Dem Umstand, ob im Wohnland der Kinder Familienleistungen bezogen werden, kommt keine Bedeutung zu.

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Somit ist nach dieser rechtlichen Beurteilung, die sich das FG zu eigen gemacht hat, die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung zu Recht erfolgt; sie war --entgegen der Ansicht des Klägers-- nicht wegen eines Verstoßes gegen § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG rechtswidrig.

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(2) Dass das FG mit dieser Beurteilung von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, ist nicht geltend gemacht worden. Abgesehen davon wären die Rechtsausführungen zu Art. 10 der VO Nr. 574/72 revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (s. dazu Senatsurteile vom 17. April 2008 III R 36/05, BFHE 221, 50, BStBl II 2009, 921; vom 19. April 2012 III R 87/09, BFHE 237, 150).

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2. Mit dem Vortrag, im Streitfall bestünde Klärungsbedarf hinsichtlich der Rechtsfragen, ob erstens eine Bindung der Familienkasse an eine zeitlich frühere positive Entscheidung der ausländischen (österreichischen) Behörde bestehe, aufgrund derer das deutsche Kindergeld übersteigende Familienleistungen gezahlt würden, ob zweitens eine Kindergeldfestsetzung, die in positiver Kenntnis von im Ausland gezahlten Familienleistungen erfolge, wegen eines Verstoßes gegen § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG rechtswidrig sei, und ob drittens die Anwendbarkeit des § 70 Abs. 2 EStG von der Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der zu ändernden Festsetzung abhänge, kann die begehrte Revisionszulassung, gleich welcher Zulassungsgrund damit gemeint sein soll, nicht erreicht werden.

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3. Ob die Entscheidung des FG möglicherweise insoweit rechtsfehlerhaft ist, als es auch die Aufhebung der Festsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG für den Monat November 2008 als rechtmäßig beurteilt hat, obwohl sich die tatsächlichen Verhältnisse erst im Laufe des Monats November 2008 (Beschäftigungsaufnahme durch die Kindsmutter am 10. November 2008) zuungunsten des Klägers geändert haben (s. § 66 Abs. 2 EStG), kann dahinstehen, weil es insoweit bereits an der Darlegung eines Zulassungsgrundes fehlt.

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4. Von einer Darstellung des Sachverhalts und weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

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