Beschluss vom Bundesfinanzhof (7. Senat) - VII B 49/12

Tatbestand

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I. Über das Vermögen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Während der Insolvenzverwalter die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) angemeldeten Beträge in voller Höhe zur Insolvenztabelle feststellte, widersprach die Klägerin im Berichts- und Prüfungstermin dem Forderungsgrund und der Forderungshöhe. Die von ihr daraufhin erhobene Klage "wegen Feststellung zur Insolvenztabelle" hat das Finanzgericht (FG) als Klage gemäß § 184 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) ausgelegt und aufgrund des fehlenden Vorverfahrens als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat das FG ausgeführt, die Klägerin hätte anstatt Klage zu erheben das Einspruchsverfahren wieder aufnehmen und eine Entscheidung des FA herbeiführen müssen.

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Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es liege noch keine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu der Frage vor, ob entgegen dem Wortlaut des § 184 Abs. 2 InsO vor Klageerhebung ein Rechtsbehelfsverfahren durchzuführen sei. Dem FG sei ein schwerwiegender Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts unterlaufen. Dies führe zur Verweigerung des Rechtsschutzes. Die amtliche Überschrift "Klage gegen einen Widerspruch des Schuldners" gelte auch für § 184 Abs. 2 InsO. Die Behauptung des FG, das Rechtsbehelfsverfahren sei wieder aufzunehmen, finde keine Stütze im Gesetz. Darüber hinaus liege der Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), weil das FG einen neuen Auslegungsgrundsatz unter dem Begriff "was schert mich der Gesetzgeber" postuliert habe.

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Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unzulässig, denn die Klägerin hat die von ihr angeführten Zulassungsgründe nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.

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Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung der Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer auch mit dem Schrifttum und der Rechtsprechung auseinandersetzen.

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a) Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Soweit dem Vorbringen die Frage entnommen werden könnte, ob § 184 Abs. 2 InsO im Falle eines durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Einspruchsverfahrens die Fortsetzung desselben verlangt, oder der Schuldner unmittelbar Klage erheben kann, legt die Beschwerde nicht hinreichend dar, aus welchen Gründen diese Frage in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des § 184 Abs. 2 InsO --und der wortgleichen Regelung in § 179 Abs. 2 InsO-- einer Klärung bedarf. Mit der Behauptung, nach § 184 Abs. 2 InsO müsse der Schuldner binnen einer Frist von einem Monat seinen Widerspruch zur Forderungsanmeldung mittels einer Klage verfolgen, unterstellt die Klägerin der Vorschrift einen Wortlaut, der ihr nicht entnommen werden kann. Vielmehr ist § 184 Abs. 2 InsO lediglich zu entnehmen, dass es dem Schuldner obliegt, binnen einer Frist von einem Monat den Widerspruch zu verfolgen. Von der Erhebung einer Klage ist indes keine Rede.

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b) Vorbild für diese Regelung war § 179 Abs. 2 InsO, nach dem es bei streitigen Forderungen dem Bestreitenden obliegt, den Widerspruch zu verfolgen (Gerhardt in Jaeger, Insolvenzordnung, § 184 Rz 21; BTDrucks 16/3227, S. 21). Sowohl § 184 Abs. 2 InsO als auch § 179 Abs. 2 InsO verlangen die Verfolgung des Widerspruchs. Es entspricht der herrschenden Meinung im Schrifttum, dass der Rechtsstreit nach § 179 Abs. 2 InsO in dem Stadium und auf die Weise fortzusetzen ist, wie ihn der Schuldner fortsetzen könnte, und zwar mit den in den jeweiligen Verfahrensordnungen vorgesehenen Rechtsbehelfen oder Rechtsmitteln. Im Falle von Steuerbescheiden, die aufgrund ihrer Vollstreckbarkeit als vollstreckbare Schuldtitel i.S. des § 179 Abs. 2 und des § 184 Abs. 2 InsO anzusehen sind (Senatsentscheidungen vom 23. Februar 2010 VII R 48/07, BFHE 228, 134, BStBl II 2010, 562 zu § 179 Abs. 2 InsO, und vom 10. August 1993 VII B 46/91, BFH/NV 1994, 293 zu § 146 der Konkursordnung), ist der Widerspruch durch Aufnahme eines durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Vorverfahrens zu verfolgen, das nach § 44 Abs. 1 FGO Voraussetzung für eine gerichtliche Geltendmachung ist (Gerhardt in Jaeger, a.a.O., § 179 Rz 83, § 184 Rz 21; Schumacher in Münchener Kommentar Insolvenzordnung, § 179 Rz 35). Mit der im Vergleich zu § 184 Abs. 2 InsO wortgleichen Regelung in § 179 Abs. 2 InsO und mit den hierzu im Schrifttum vertretenen Meinungen setzt sich die Beschwerde nicht einmal ansatzweise auseinander. Deshalb vermag sie auch nicht schlüssig zu erklären, warum der Gesetzgeber --im Gegensatz zu der in § 179 Abs. 2 InsO getroffenen Regelung-- unter der Verfolgung des Widerspruchs in § 184 Abs. 2 FGO ausschließlich die Erhebung einer Klage --nämlich einer Klage auf Feststellung der Begründetheit des Widerspruchs-- verstanden haben sollte.

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