Urteil vom Bundesfinanzhof (10. Senat) - X R 30/11
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr 2005 als Gesellschafter-Geschäftsführer der X-GmbH, an der er zu 25 % beteiligt ist, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Weitere Gesellschafterin der X-GmbH ist die EBZ Y-GmbH. An dieser ist der Kläger nicht beteiligt. Seine Krankenkasse bescheinigte dem Kläger, dass er seit dem 1. Juli 2004 nicht mehr in der gesetzlichen Sozialversicherung pflichtversichert ist.
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Am 23. März 2005 schloss der Kläger mit der X-GmbH eine Vereinbarung zur Entgeltumwandlung. Danach verzichtete der Kläger ab April 2005 auf monatlich 500 € seines Geschäftsführergehalts. Im Gegenzug sagte die X-GmbH zu, ihm als Ausgleich für den Verzicht eine wertgleiche und über eine Rückdeckungsversicherung auf das Leben des Klägers abgesicherte sowie an ihn verpfändete Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über die …, eine kongruent rückgedeckte Unterstützungskasse, zu erteilen, was wenig später auch geschah.
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Im Einkommensteuerbescheid 2005 kürzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Vorwegabzug nach § 10 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung (EStG n.F.) i.V.m. § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a Alternative 2 und § 10c Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. bis zum 31. Dezember 2004 (EStG a.F.) auf 0 €. Infolgedessen war der Abzug der Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 3 und 4 EStG n.F. günstiger.
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Das Finanzgericht (FG) gab der auf Ansatz der Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 3 EStG a.F. unter Berücksichtigung eines ungekürzten Vorwegabzugs gerichteten Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 2066 veröffentlichten Gründen statt. Es war der Auffassung, der Kläger habe sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung infolge der vereinbarten Gehaltsumwandlung ausschließlich durch eigene Beitragsleistungen erworben. Damit habe er innerhalb des --von dem Rechtsverhältnis als Gesellschafter zu unterscheidenden-- schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses als Angestellter der X-GmbH eine Einbuße an einem Vermögenswert, nämlich seinen monatlichen Gehaltsansprüchen, zu verzeichnen. Auf die Frage, ob die Versorgungszusage seiner Beteiligungsquote an der GmbH entspreche, komme es deshalb nicht an.
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Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung der § 10 Abs. 4a EStG n.F., § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a Alternative 2 i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. Das Anwartschaftsrecht des Klägers aus der erteilten Versorgungszusage beruhe nicht vollständig auf dessen eigener Beitragsleistung. Da der Kläger Minderheitsgesellschafter der X-GmbH sei, sei seine Versorgungsanwartschaft zumindest zum Teil zu Lasten des der Y-GmbH als Mehrheitsgesellschafterin zustehenden Gewinnverwendungsanspruchs erwirtschaftet. Zudem liege durch den Gehaltsverzicht auch deshalb noch keine eigene Beitragsleistung des Klägers vor, weil ihm der Gegenwert seines Verzichts in der Aufbauphase der Altersversorgung noch nicht zugeflossen sei.
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Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Vorwegabzug ist zu kürzen; das FG ist im Rahmen der Günstigerprüfung gemäß § 10 Abs. 4a EStG n.F. zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Kläger nicht zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. gehört.
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1. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. steht einem Steuerpflichtigen für sog. Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 EStG) als Höchstbetrag ein Vorwegabzug von 3.068 € zu. Der Vorwegabzug ist nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG a.F. i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. u.a. dann um 16 % der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG --ohne Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG-- zu kürzen, wenn der Steuerpflichtige während des ganzen oder eines Teils des Kalenderjahres nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegt, eine Berufstätigkeit ausgeübt und im Zusammenhang damit aufgrund vertraglicher Vereinbarungen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben hat.
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a) Das FG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass der Vorwegabzug entgegen der Ansicht des FA nicht bereits deshalb zu kürzen ist, weil ausschließlich der Kläger eine Versorgungszusage der X-GmbH erhalten hat.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist unter dem Begriff der "Beitragsleistung" für den Erwerb von Anwartschaftsrechten auf eine (eigene) Altersversorgung nicht nur eine Geldzahlung, sondern jede Minderung eines Vermögensanspruchs gegen eine Versorgungszusage zu verstehen (Senatsurteil vom 25. März 1992 X R 121/90, BFH/NV 1992, 596; BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 25/01, BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546). Der XI. Senat des BFH hat --ausgehend von diesem Grundsatz-- mit seinen Urteilen in BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546 und vom 28. Juli 2004 XI R 9/04 (BFH/NV 2005, 196) entschieden, dass dem Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen ungekürzt zu belassen ist, weil dieser --wirtschaftlich betrachtet-- eine ihm von der GmbH zugesagte Altersversorgung durch Verzicht auf entsprechende gesellschaftliche Ansprüche (§§ 29, 72 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) und damit letztlich ausschließlich durch eigene Beitragsleistungen erwirbt.
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Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des XI. Senats des BFH, wenn eine GmbH mehreren Gesellschafter-Geschäftsführern eine Altersversorgung zugesagt hat und der einzelne Gesellschafter-Geschäftsführer bei typisierender und wirtschaftlicher Betrachtung sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung auf Dauer gesehen ausschließlich durch einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf gesellschaftliche Ansprüche erwirbt (BFH-Urteil vom 23. Februar 2005 XI R 29/03, BFHE 209, 256, BStBl II 2005, 634). Die Frage, ob der Kläger sein Anwartschaftsrecht auf betriebliche Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erwirbt, ist danach unter Berücksichtigung der bestehenden Beteiligungsverhältnisse, des Alters der Gesellschafter-Geschäftsführer und der Höhe der jeweils zugesagten Altersversorgung im Wege der vorausschauenden Berechnung des auf den einzelnen Gesellschafter entfallenden Aufwands der Gesellschaft zu beantworten (BFH-Urteil vom 15. Dezember 2004 XI R 45/03, BFH/NV 2005, 1509).
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bb) Der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung des XI. Senats im Grundsatz angeschlossen. Er hat in mehreren Urteilen (vom 26. September 2006 X R 3/05, BFHE 215, 165, BStBl II 2007, 452; vom 8. November 2006 X R 11/05, BFH/NV 2007, 673; vom 17. Januar 2007 X R 10/06, BFH/NV 2007, 1289; vom 2. September 2008 X R 17/08, BFH/NV 2009, 141, Entscheidungen vom 24. Juni 2009 X R 54/08, BFH/NV 2010, 22, X R 55/08, nicht veröffentlicht, sowie X R 56/08, BFH/NV 2010, 25, und vom 19. Mai 2011 X R 30/10, BFH/NV 2011, 1854) jedoch klargestellt, dass der von dem Geschäftsführer einer GmbH bezogene Arbeitslohn nur dann aus der Bemessungsgrundlage für die Kürzung des Vorwegabzugs auszunehmen ist, wenn die gegen die Gesellschaft erworbenen Ansprüche auf eine eigene Altersversorgung vollständig mit dem (ggf. wechselseitigen) Verzicht auf die dem Steuerpflichtigen in seiner Eigenschaft als (Mit-) Gesellschafter zustehenden Ansprüche in Verbindung gebracht werden können.
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cc) Im zu entscheidenden Fall ist diese Rechtsprechung nicht einschlägig, da keine arbeitgeberfinanzierte Direktzusage (Pensionszusage) gegeben ist. Im vorliegenden Fall einer arbeitnehmerfinanzierten Unterstützungskassenzusage wird der der X-GmbH als Arbeitgeberin durch die Kassenzuwendungen entstehende Aufwand infolge des entsprechend geminderten Lohnaufwands kompensiert, die Y-GmbH als weitere Gesellschafterin ist durch diese schuldrechtliche Abrede zwischen dem Kläger und der X-GmbH nicht in ihren Gesellschaftsrechten tangiert.
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b) Gleichwohl hat das FG das Vorliegen einer eigenen Beitragsleistung des Klägers zu Unrecht bejaht.
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aa) Der im Streitfall gewählte Durchführungsweg über die Unterstützungskasse ist dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitgeber die zugesagten Versorgungsleistungen nicht selbst erbringen will, sondern sich hierfür eines selbständigen Versorgungsträgers, nämlich der Unterstützungskasse, bedient. Letztere gewährt formell keinen Rechtsanspruch auf ihre Leistungen (§ 1b Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung --Betriebsrentengesetz--; Keil/ Prost, Pensions- und Unterstützungskassenzusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften, 2. Aufl., Rz 373). Gleichwohl erwirbt der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteile vom 17. Mai 1973 3 AZR 381/72, BAGE 25, 194; vom 5. Juli 1979 3 AZR 197/78, BAGE 32, 56; vom 16. Februar 2010 3 AZR 181/08, BAGE 133, 181, unter B.I.2.b; s. weiter Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1983 2 BvR 298/81, BVerfGE 65, 196; vom 14. Januar 1987 1 BvR 1052/79, BVerfGE 74, 129, unter B.II.2.) eine Versorgungsanwartschaft (Schmidt/ Weber-Grellet, EStG, 32. Aufl., § 4d Rz 6). Ertragsteuerrechtlich sind die vom Arbeitgeber an die Unterstützungskasse zu erbringenden Zuwendungen nach Maßgabe des § 4d EStG als Betriebsausgaben abzugsfähig. Daran ändert auch eine Entgeltumwandlung nichts; die Zuwendungen werden formell weiter durch den Arbeitgeber als Trägerunternehmen geleistet (Schmidt/ Weber-Grellet, a.a.O., § 4d Rz 3; Buttler, Einführung in die betriebliche Altersversorgung, 5. Aufl., S. 7 f.).
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bb) Nach der ständigen Rechtsprechung bedingt der fehlende Rechtsanspruch des Klägers gegen die Unterstützungskasse auf Versorgung, dass die Beitragsleistungen der X-GmbH ihm noch nicht als Arbeitslohn zugeflossen sind (vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 1993 VI R 19/92, BFHE 172, 46, BStBl II 1994, 246, unter II.1.b). Dabei macht es nach der geltenden Rechtsprechung keinen Unterschied, ob die Beiträge vom Arbeitgeber zusätzlich zum geschuldeten Barlohn erbracht oder ob diese --wie im Streitfall-- durch einvernehmliche Herabsetzung des laufenden Gehalts aufgebracht werden (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 2010 VI R 39/09, BFH/NV 2010, 2296, unter II.3.). Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 31. März 2010 IV C 3 - S 2222/09/10041, IV C 5 - S 2333/07/0003 – 2010/0256374, BStBl I 2010, 270, Rz 253). Mangels Zuflusses (§ 11 Abs. 1 EStG) stellt der Verzicht des Klägers auf die Auszahlung eines Teils seines Gehalts kein Einkommen und damit keine eigene Beitragsleistung i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. dar.
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cc) Die gegenteilige Auffassung wäre auch im Lichte des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes bedenklich. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen der gewählten Gestaltung und derjenigen, bei der dem Steuerpflichtigen von Anfang an eine betriebliche Altersversorgung in Gestalt einer Pensionszusage bei geringerem Barlohn gewährt wird, was im Grundsatz zur Kürzung des Vorwegabzugs führt; die Zustimmung zu einer Barlohnumwandlung ist daher nicht als Beitragsleistung i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG a.F. anzusehen.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 1 FGO.
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Referenzen
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- 2011 X R 30/10 1x (nicht zugeordnet)
- 1993 VI R 19/92 1x (nicht zugeordnet)
- 2005 XI R 29/03 1x (nicht zugeordnet)
- 3 AZR 181/08 1x (nicht zugeordnet)
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- 1992 X R 121/90 1x (nicht zugeordnet)
- 2010 VI R 39/09 1x (nicht zugeordnet)
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