Urteil vom Bundesfinanzhof (9. Senat) - IX R 22/12

Tatbestand

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I. Streitig ist die Nichtberücksichtigung von Werbungskostenüberschüssen der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) aus der Vermietung einer Ferienwohnung.

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Die Kläger, in den Streitjahren (1997 bis 2006) zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, erwarben im November 1997 eine Ferienwohnung an der Ostsee. Nach umfangreichen Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten wurde die Wohnung im Jahr 1999 erstmals durch die von den Klägern beauftragte X GmbH vermietet. In dem zwischen den Klägern und der X GmbH unter dem 22. April 1998 abgeschlossenen Vermietungsvermittlungsvertrag hatten sich die Kläger eine Eigennutzung der Ferienwohnung im Umfang von höchstens 21 Tagen im Jahr vorbehalten. Mit Wirkung vom 1. Februar 2002 übernahm die Z GmbH & Co. anstelle der X GmbH die Vermittlung der Ferienwohnung der Kläger. Auch in dem zwischen den Klägern und der Z GmbH & Co. geschlossenen Vermittlungsvertrag haben sich die Kläger eine Eigennutzung der Ferienwohnung im Umfang von höchstens 21 Tagen im Jahr vorbehalten.

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Die Kläger nutzten die zur Selbstnutzung vorbehaltene Zeitspanne in der Regel vollständig aus. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) haben jährlich drei bis vier Aufenthalte zu Erholungszwecken stattgefunden, und zwar in der Regel in den Zeiträumen April/Mai, Mai/Juni, Juli/August und Oktober. Um notwendige Reparaturen kümmerte sich ausschließlich der jeweilige Vermittler.

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Die Auslastung der Ferienwohnung lag in den Jahren 2000 bis 2011 zwischen 101 und 154 Vermietungstagen pro Jahr, im Durchschnitt bei 123,8 Tagen. Nach den Feststellungen des FG ist die nicht in Strandnähe gelegene Wohnung der Kläger schon bei 135 Vermietungstagen im Jahr als "sehr gut" ausgelastet anzusehen.

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In den Streitjahren erzielten die Kläger Werbungskostenüberschüsse aus der Vermietung ihrer Ferienwohnung, die sie als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von ./. 39.218 DM (1997), ./. 40.325 DM (1998), ./. 18.286 DM (1999), ./. 24.408 DM (2000), ./. 21.740 DM (2001), ./. 11.942 € (2002), ./. 8.723 € (2003), ./. 11.009 € (2004), ./. 10.853 € (2005) und ./. 8.365 € (2006) erklärten. Bei der Berechnung der Einkünfte kürzten die Kläger ab dem Streitjahr 2005 die Aufwendungen im Verhältnis der tatsächlichen Selbstnutzungstage zu den Gesamttagen des jeweiligen Jahres.

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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die erklärten negativen Einkünfte in den für die Streitjahre ergangenen Einkommensteuerbescheiden zunächst an, veranlagte sie indes --nach § 165 der Abgabenordnung (AO) vorläufig bzw. unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO)-- überwiegend als solche aus Gewerbebetrieb.

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Im Zuge der Einkommensteuerveranlagung 2005 forderte das FA die Kläger auf, eine Überschussprognoseberechnung einzureichen; auf der Grundlage der vorgelegten Unterlagen vertrat das FA sodann die Auffassung, dass es sich bei den erklärten Einkünften um solche aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handele, eine Berücksichtigung der Werbungskostenüberschüsse aber mangels Einkünfteerzielungsabsicht nicht in Betracht komme. Dementsprechend erließ das FA unter dem 7. August 2008 (teilweise geänderte) Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, in denen die geltend gemachten negativen Einkünfte nicht (mehr) berücksichtigt wurden. Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Kläger hatten keinen Erfolg.

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Das FG gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1259 veröffentlichten Urteil überwiegend statt. Es vertrat die Auffassung, die Kläger hätten nicht, wie in einzelnen Streitjahren angenommen, gewerbliche Einkünfte aus einer "hotelmäßigen" Überlassung des Ferienhauses, sondern Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Entgegen der Auffassung des FA sei im Streitfall indes keine Überschussprognose durchzuführen, obwohl die Kläger sich eine Selbstnutzung des Objektes vorbehalten hätten. Denn eine Gleichbehandlung zwischen den Fällen der Vermietung in Eigenregie und derjenigen über einen Vermittler sei nur zu erreichen, wenn schon das erhebliche Überschreiten der ortsüblichen Vermietungszeiten als Indiz für das Bestehen einer Einkünfteerzielungsabsicht angesehen werde. Im Streitfall hätten die Kläger eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Vermietungstagen erreicht. Daher liege in der zeitlich geringfügigen Selbstnutzung von (maximal) 21 Tagen nur eine "temporäre Überlagerung" der im Übrigen typisierend zu unterstellenden Einkünfteerzielungsabsicht.

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Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

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Das FA beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des FG vom 7. März 2012  9 K 180/09 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht im Streitfall eine Überschussprognose für entbehrlich gehalten.

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1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Kläger im Rahmen der Vermietung der Ferienwohnung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt haben. Bei der Vermietung einer Ferienwohnung kann ein Gewerbebetrieb nur angenommen werden, wenn vom Vermieter bestimmte, ins Gewicht fallende, bei der Vermietung von Räumen nicht übliche Sonderleistungen erbracht werden oder wenn wegen eines besonders häufigen Wechsels der Mieter eine gewisse --einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb vergleichbare-- unternehmerische Organisation erforderlich ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Juli 2004 IX R 69/02, BFH/NV 2004, 1640). Dies hat das FG unter den besonderen Umständen des Einzelfalles mit überzeugenden Gründen abgelehnt.

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2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist bei teilweise selbstgenutzten und teilweise vermieteten Ferienwohnungen die Frage, ob der Steuerpflichtige mit oder ohne Einkünfteerzielungsabsicht vermietet hat, anhand einer unter Heranziehung aller objektiv erkennbaren Umstände zu treffenden Prognose zu entscheiden. Die Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen muss schon dann überprüft werden, wenn er sich eine Zeit der Selbstnutzung vorbehalten hat; dies gilt unabhängig davon, ob er von seinem Eigennutzungsrecht tatsächlich Gebrauch macht oder nicht (BFH-Urteile vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726; vom 29. August 2007 IX R 48/06, BFH/NV 2008, 34). Unerheblich ist auch, ob sich der Vorbehalt der Selbstnutzung aus einer einzelvertraglich vereinbarten Vertragsbedingung oder aus einem formularmäßigen Mustervertrag ergibt (BFH-Beschluss vom 7. Juni 2002 IX B 15/02, BFH/NV 2002, 1300). Die vom FG zur Gleichbehandlung der Fälle einer Vermietung in Eigenregie und derjenigen über einen Vermittler erwogenen weiteren Aspekte sind in diesem Zusammenhang nicht zu berücksichtigen.

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3. Nach diesen Maßstäben kann die Entscheidung der Vorinstanz keinen Bestand haben; sie ist aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtszug eine Totalüberschussprognose nach den im BFH-Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 niedergelegten Grundsätzen durchführen.

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