Urteil vom Bundesfinanzhof (2. Senat) - II R 1/12

Tatbestand

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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bot durch notarielle Urkunde vom 24. Juni 2005 einer AG als Verkäuferin den Abschluss eines Kaufvertrags über eine Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 98.000 € an. In der Präambel zu dem Angebot führte er u.a. aus, das Angebot könne nur wirksam angenommen werden, wenn die Finanzierung des Kaufpreises durch ein deutsches oder europäisches Kreditinstitut sichergestellt sei. Die Kosten des Angebotes, der Annahme, des Vollzugs und die Grunderwerbsteuer trage er, der Kläger. Die AG nahm das Angebot durch notarielle Urkunde vom 20. Juli 2005 an.

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Nach § 8 Abs. 1 des Vertrags trägt die AG die Kosten der Löschung nicht bestehen bleibender Rechte. Die übrigen Kosten des Vertrags, seines Vollzugs und die Grunderwerbsteuer trägt der Kläger. Die AG verpflichtete sich jedoch, dem Kläger diese Kosten zu erstatten, wenn die Zahlung des Kaufpreises sichergestellt ist.

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Das seinerzeit zuständige Finanzamt (FA) setzte die Grunderwerbsteuer durch Bescheid vom 8. August 2005 auf der Grundlage des vereinbarten Kaufpreises von 98.000 € auf 3.430 € fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

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Der Kläger beantragte im Februar 2006, die Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) herabzusetzen. Die AG habe ihm inzwischen vertragsgemäß die gesamten Anschaffungsnebenkosten wie Notarkosten, Grundschuldbestellungsgebühren, Grunderwerbsteuer und Finanzierungskosten erstattet. Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ermäßige sich daher um den erstatteten Betrag. Die Grunderwerbsteuer sei entsprechend herabzusetzen.

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Das FA lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 16. März 2006 ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Später stellte der Kläger einen Änderungsantrag nach § 5 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG). Das FA lehnte auch diesen Antrag ab. Über den dagegen eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden.

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Im finanzgerichtlichen Verfahren beantragte der Kläger zuletzt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2007 und des Ablehnungsbescheids vom 16. März 2006 die Grunderwerbsteuerfestsetzung vom 8. August 2005 dahingehend zu ändern, dass die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer um 8.172,10 € gemindert wird. In diesem Betrag ist die von der AG erstattete Grunderwerbsteuer nach den Angaben des Klägers nicht enthalten.

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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch das in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2012, 1275 veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, die Kostenerstattung durch die AG an den Kläger habe die der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legende Gegenleistung des Klägers, nämlich den vereinbarten Kaufpreis, nicht vermindert. Die von der AG neben der Verpflichtung, das Eigentum an der Wohnung zu übertragen, übernommene Pflicht zur Kostenerstattung sei für die Bemessung der Grunderwerbsteuer ohne Bedeutung; denn es handele sich dabei um eine der Kaufpreisforderung der AG gegenüberstehende selbständige Verpflichtung. Es fehle somit an einer nachträglichen Herabsetzung des Kaufpreises. Das Begehren des Klägers auf Herabsetzung der Grunderwerbsteuer könne auch nicht auf § 5 Abs. 2 BewG gestützt werden. Die beantragte Zeugenvernehmung sei nicht erforderlich gewesen.

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Mit der Revision macht der Kläger geltend, die von der AG übernommenen Kosten hätten zu einer Minderung des als Gegenleistung der Steuer unterliegenden Kaufpreises geführt. Falls § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG wegen des Fehlens einer nachträglichen Herabsetzung der Gegenleistung nicht anwendbar sein sollte, stütze er das Änderungsbegehren auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO). Der Kläger rügt außerdem einen Verstoß des FG gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts.

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Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2007 und den Ablehnungsbescheid vom 16. März 2006 aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Steuerfestsetzung vom 8. August 2005 dahingehend zu ändern, dass die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer um 8.172,10 € gemindert wird.

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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das inzwischen zuständig gewordene Finanzamt) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat abgesehen von der dem Kläger zu erstattenden Grunderwerbsteuer zu Unrecht angenommen, dass sich die Verpflichtung der AG, dem Kläger die in § 8 Abs. 1 Satz 2 des Kaufvertrags genannten Kosten zu erstatten, materiell-rechtlich nicht auf die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer auswirke.

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1. Bei einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Kaufvertrag über ein inländisches Grundstück bemisst sich die Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung.

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a) Als Gegenleistung gilt dabei nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Die nach § 448 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vom Käufer getragenen Kosten der Beurkundung des Kaufvertrags und der Auflassung, der Eintragung ins Grundbuch und der zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen rechnen nicht zur Gegenleistung; denn diese Kosten schuldet der Käufer nicht dem Verkäufer, sondern Dritten. Es geht auch nicht um die Übernahme von an sich dem Verkäufer obliegenden Verpflichtungen durch den Käufer (Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 9 Rz 7; Loose in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 9 Rz 278; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 9 Rz 87).

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b) Ist der Grundstücksverkäufer außer zur Grundstücksübereignung zu weiteren Leistungen verpflichtet, ist für die Frage, inwieweit die Gegenleistung des Erwerbers Entgelt für den Grundstückserwerb darstellt, vom grunderwerbsteuerrechtlichen Grundstücksbegriff (§ 2 GrEStG) auszugehen. Der Erwerb von Geldforderungen oder anderen Vermögenspositionen, die nicht unter den Grundstücksbegriff des GrEStG fallen, ist grunderwerbsteuerrechtlich unerheblich. Der Aufwand für diesen Erwerb unterliegt daher nicht der Grunderwerbsteuer (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Oktober 1991 II R 20/89, BFHE 165, 548, BStBl II 1992, 152).

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Wie der BFH in dem Urteil weiter ausgeführt hat, ist eine Gesamtgegenleistung, die Entgelt sowohl für das Grundstück als auch für nicht der Grunderwerbsteuer unterliegende Gegenstände ist, im Regelfall nach der sog. Boruttau'schen Formel aufzuteilen. Diese Verhältnisrechnung braucht aber ausnahmsweise dann nicht vorgenommen zu werden, wenn Gegenstand eines Erwerbsvorgangs unter Vereinbarung einer Gesamtgegenleistung ein Grundstück und eine Geldforderung ist. In diesem Fall reicht es grundsätzlich aus, die Geldforderung von der vereinbarten Gesamtgegenleistung abzuziehen, weil Kapitalforderungen im Regelfall mit dem Nennwert anzusetzen sind.

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2. Die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist danach materiell-rechtlich um die in § 8 Abs. 1 Satz 2 des Kaufvertrags genannten Kosten, die die AG dem Kläger erstatten musste und erstattet hat, mit Ausnahme der von der AG zu übernehmenden Grunderwerbsteuer zu vermindern. Diese Kosten musste nach der dispositiven Regel des § 448 Abs. 2 BGB an sich der Kläger tragen. Da sie abweichend hiervon aufgrund der kaufvertraglichen Vereinbarung von der AG zu erstatten waren, bildet der vom Kläger zu entrichtende Kaufpreis von 98.000 € eine Gesamtgegenleistung für die Verpflichtung der AG, dem Kläger die Eigentumswohnung zu übereignen und die Kosten zu erstatten. Die Gesamtgegenleistung ist auf diese beiden Verpflichtungen dergestalt zu verteilen, dass die zu erstattenden und tatsächlich erstatteten Kosten mit Ausnahme der Grunderwerbsteuer materiell-rechtlich vom vereinbarten Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer abzuziehen sind.

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Die Verpflichtung der AG, dem Kläger die Grunderwerbsteuer zu erstatten, wirkt sich anders als die Verpflichtung zur Erstattung der übrigen Kosten gemäß § 9 Abs. 3 GrEStG nicht auf die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer aus. Nach dieser Vorschrift wird die Grunderwerbsteuer, die für den zu besteuernden Erwerbsvorgang zu entrichten ist, der Gegenleistung weder hinzugerechnet noch von ihr abgezogen. Übernimmt der Veräußerer die Grunderwerbsteuer, mindert sich danach die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht (Loose, a.a.O., § 9 Rz 594; Pahlke/Franz, a.a.O., § 9 Rz 220).

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3. Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Vorentscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar (vgl. § 126 Abs. 4 FGO). Die Sache ist nicht spruchreif. Die vom FG getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) ermöglichen keine abschließende Entscheidung über den Antrag des Klägers.

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a) § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist keine Grundlage für die begehrte Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung.

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aa) Wird die Gegenleistung für das Grundstück herabgesetzt, so wird nach dieser Vorschrift auf Antrag die Steuer entsprechend niedriger festgesetzt oder die Steuerfestsetzung geändert, wenn die Herabsetzung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet. Dies setzt voraus, dass die Herabsetzung der Gegenleistung nachträglich, also nach der Entstehung der Steuer, vereinbart wird (BFH-Urteil vom 17. April 1991 II R 119/88, BFHE 164, 130, BStBl II 1991, 586, unter II. 2., vorletzter Absatz; Hofmann, a.a.O., § 16 Rz 50; Loose, a.a.O., § 16 Rz 231 f.; Pahlke/Franz, a.a.O., § 16 Rz 61 f.).

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bb) Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Der Anspruch des Klägers gegen die AG auf Kostenerstattung wurde nicht nachträglich, sondern bereits im Kaufvertrag vereinbart und stand dem Kläger dem Grunde nach vom Wirksamwerden des Kaufvertrags an zu. Nach der Präambel zum Angebot des Klägers auf Abschluss des Kaufvertrags konnte dieses nur wirksam angenommen werden, wenn die Finanzierung des Kaufpreises durch ein deutsches oder europäisches Kreditinstitut sichergestellt und somit auch die Bedingung für den Kostenerstattungsanspruch erfüllt war.

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b) § 5 Abs. 2 Satz 2 BewG begründet ebenfalls keinen Anspruch auf Herabsetzung der bestandskräftig festgesetzten Grunderwerbsteuer. Wie sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 BewG ergibt, bezieht sich diese Vorschrift auf Wirtschaftsgüter, die unter einer auflösenden Bedingung erworben sind. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

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c) Ob die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt sind, lässt sich aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Dem FA war zwar bei der Steuerfestsetzung aufgrund der ihm vorliegenden notariellen Urkunden vom 24. Juni 2005 und 20. Juli 2005 bekannt, dass der Kläger nach der Sicherstellung der Zahlung des Kaufpreises von der AG die Erstattung der in § 8 Abs. 1 Satz 2 des Vertrags genannten Kosten verlangen konnte und das Angebot zum Abschluss des Kaufvertrags erst wirksam angenommen werden konnte, wenn die Finanzierung des Kaufpreises sichergestellt war. Insofern handelt es sich demgemäß nicht um dem FA nachträglich bekannt gewordene Tatsachen. Nicht bekannt waren dem FA aber abgesehen von der Grunderwerbsteuer, die im vorliegenden Zusammenhang gemäß § 9 Abs. 3 GrEStG unberücksichtigt bleibt, die genaue Zusammensetzung und die Höhe des Erstattungsanspruchs.

24

Über die Höhe der nach der vertraglichen Vereinbarung dem Kläger zu erstattenden Kosten und die tatsächliche Kostenerstattung sowie die Frage eines groben Verschuldens des Klägers i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO daran, dass die genaue Zusammensetzung und die Höhe des Erstattungsanspruchs dem FA erst nachträglich bekannt geworden sind, hat das FG --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- ebenfalls noch keine Feststellungen getroffen. Es wird entsprechende Feststellungen nachzuholen haben.

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4. Auf die Verfahrensrüge des Klägers kommt es danach nicht an.

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