Urteil vom Bundesfinanzhof (6. Senat) - VI R 17/12
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt ein Gebäudereinigungsunternehmen. Gesellschafter-Geschäftsführer sind die Eheleute A und B.
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Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung für die Jahre 2004 bis 2006 wurde festgestellt, dass die Klägerin A zwei Kfz zur uneingeschränkten Nutzung überlassen habe. Dabei handelt es sich um eine BMW-Limousine und eine BMW-Geländelimousine X5. Der Prüfer erfasste wegen der unterschiedlichen Nutzungseigenschaften die Nutzung beider Fahrzeuge als Sachbezug und setzte für die BMW-Geländelimousine X5 auf der Grundlage der sog. 1 %-Regelung einen weiteren Sachbezug in Höhe von 8.484 € jährlich an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich der Auffassung des Prüfers an und erließ einen auf § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG) gestützten Haftungsbescheid für Lohnsteuer 2004 bis 2006. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2009 als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2104 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG des Saarlandes vom 19. Oktober 2011 2 K 1123/09 und den Haftungsbescheid vom 18. Oktober 2007 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2009 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Beurteilung, ob für die BMW-Geländelimousine X5 über den bereits für die BMW-Limousine erfassten geldwerten Vorteil hinaus ein weiterer geldwerter Vorteil als Lohn zu erfassen und ob die Inanspruchnahme der Klägerin durch Haftungsbescheid ermessensgerecht war.
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1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn --auch soweit er durch einen Dritten gewährt wird-- für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.
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2. a) Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers (Senatsurteil vom 21. März 2013 VI R 31/10, BFHE 241, 167, m.w.N.). Der Arbeitnehmer ist um den Betrag bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden müsste und den er sich durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart. Die Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt damit unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers. Denn der Vorteil aus der Nutzungsüberlassung umfasst das Zurverfügungstellen des Fahrzeugs selbst sowie die Übernahme sämtlicher damit verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur-, Wartungs- und Treibstoffkosten und damit nutzungsabhängige wie -unabhängige Kosten (zuletzt Senatsurteil in BFHE 241, 167, m.w.N.). Der geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen bzw. verbilligten Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung fließt dem Arbeitnehmer mit der Inbesitznahme des Dienstwagens und nicht (erst) mit der tatsächlichen privaten Nutzung des PKW zu (Senatsurteil in BFHE 241, 167, m.w.N.).
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b) Der als Lohnzufluss zu erfassende geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung eines Kfz zu privaten Zwecken ist grundsätzlich nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu bewerten. Der tatsächliche Umfang der Privatnutzung wird nur berücksichtigt, wenn der Steuerpflichtige diesen durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweist. Ist dies der Fall, ist der für die Überlassung eines dienstlichen Kfz zur privaten Nutzung anzusetzende geldwerte Vorteil entsprechend dem Anteil der Privatnutzung an den insgesamt für das Kfz angefallenen Aufwendungen zu berechnen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Werden dem Arbeitnehmer zwei Fahrzeuge zur privaten Nutzung überlassen und fehlt es an ordnungsgemäßen Fahrtenbüchern, so ist der in der Überlassung des Fahrzeugs zur privaten Nutzung liegende geldwerte Vorteil für jedes Fahrzeug nach der 1 %-Regelung zu berechnen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG).
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Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bietet keinen Anhalt für die Annahme, dass in Fällen, in denen der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich mehr als ein Fahrzeug unentgeltlich oder verbilligt privat nutzen darf, die 1 %-Regelung nur für ein Fahrzeug gelten soll. Es besteht auch kein Grund, die Vorschrift einschränkend auszulegen. Denn werden dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich zwei Fahrzeuge zur privaten Nutzung überlassen, wird ihm ein doppelter Nutzungsvorteil zugewandt. Er kann nach Belieben auf beide Fahrzeuge zugreifen und diese entweder selbst nutzen oder --soweit arbeitsvertraglich erlaubt-- einem Dritten überlassen. Hierdurch erspart er sich den Betrag, den er für die Nutzungsmöglichkeit vergleichbarer Fahrzeuge am Markt aufwenden müsste (vgl. Senatsurteil in BFHE 241, 167). Der Arbeitnehmer hat es überdies selbst in der Hand, durch Führung eines Fahrtenbuchs eine Besteuerung anhand der tatsächlich für die Privatfahrten angefallenen Kosten zu erreichen oder, falls er auf die Nutzungsmöglichkeit zweier PKW keinen Wert legt, eine abweichende entsprechende arbeitsvertragliche Regelung zu treffen.
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3. Die Feststellungen in der Vorentscheidung tragen die Folgerung des FG nicht, aufgrund der Überlassung der BMW-Geländelimousine X5 sei Lohnsteuer abzuführen gewesen. In der Vorentscheidung ist lediglich ausgeführt, anlässlich einer Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass die Klägerin A zwei Fahrzeuge auch zur privaten Nutzung überlassen habe. Festgestellt ist hingegen nicht, ob auch das zweite Fahrzeug arbeitsvertraglich überlassen wurde. Fehlt es hieran, kann eine vertragswidrige Nutzung vorliegen, die im Falle der Überlassung eines PKW an einen Gesellschafter-Geschäftsführer zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führen kann. Eine vertragswidrige Nutzung in diesem Sinne liegt auch vor, wenn die Nutzung ohne eine fremdübliche Vereinbarung erfolgt oder darüber hinausgeht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Januar 2008 I R 8/06, BFHE 220, 276, BStBl II 2012, 260; Senatsurteil vom 23. April 2009 VI R 81/06, BFHE 225, 33, BStBl II 2012, 262). Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis kommen, dass hinsichtlich der Überlassung des zweiten Fahrzeugs eine vGA vorliegt, kann der hierauf entfallende Betrag im angefochtenen Lohnsteuer-Haftungsbescheid nicht angesetzt werden.
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4. Kommt das FG hingegen zu dem Ergebnis, dass die Kfz-Überlassung als lohnsteuerbarer geldwerter Vorteil anzusetzen ist, wird es zu beachten haben, dass die Erfüllung des Haftungstatbestands nicht ohne weiteres die Inanspruchnahme des Arbeitgebers als Haftungsschuldner zu rechtfertigen vermag. Über dessen Inanspruchnahme hat das FA vielmehr aufgrund pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden (§ 42d Abs. 3 Satz 2 EStG). Die Ermessensausübung hat das FG im Rahmen des § 102 FGO zu überprüfen und dabei vorliegend Tz. I.2 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 28. Mai 1996 IV B 6 -S 2334- 173/96 (BStBl I 1996, 654) in den Blick zu nehmen. Danach kann bei Überlassung mehrerer Fahrzeuge der Listenpreis des überwiegend genutzten Fahrzeugs zugrunde gelegt werden, wenn die Nutzung der Fahrzeuge durch andere zur Privatsphäre des Arbeitnehmers gehörende Personen so gut wie ausgeschlossen ist. Das vom FG genannte BMF-Schreiben vom 21. Januar 2002 IV A 6 -S 2177- 1/02 (BStBl I 2002, 148, Tz. 9 Satz 2) --ersetzt durch das BMF-Schreiben vom 18. November 2009 IV C 6-S 2177/07/10004 (BStBl I 2009, 1326, vgl. Tz. 36)-- betrifft Nutzungsentnahmen und ist daher im Streitfall nicht einschlägig. Das FG hat die Anwendungsvoraussetzungen dieser Verwaltungsvorschrift zu Unrecht offengelassen, weil --unterstellt, es handle sich um eine Billigkeitsvorschrift-- eine Steuerfestsetzung im Billigkeitswege in einem gesonderten Verfahren gemäß § 163 Satz 1 der Abgabenordnung angestrebt werden müsse. Denn diese für das Steuerfestsetzungsverfahren zutreffenden Ausführungen (vgl. BFH-Urteil vom 9. März 2010 VIII R 24/08, BFHE 228, 499, BStBl II 2010, 903) gelten für einen Haftungsbescheid nicht. Liegen die Voraussetzungen der Tz. 2 des BMF-Schreibens in BStBl I 1996, 654 nach den vom FG noch zu treffenden Feststellungen vor, hat die Klägerin unter Berücksichtigung dieser Billigkeitsregelung die Lohnsteuer korrekt abgeführt: sie hat die 1 %-Regelung entsprechend den Vorgaben in § 8 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG auf das teurere der beiden Fahrzeuge angewandt, die Lohnsteuer hierfür angemeldet und abgeführt. Die Inanspruchnahme der Klägerin im Wege des Haftungsbescheids wäre dann ermessensfehlerhaft.
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Referenzen
- 2 K 1123/09 1x (nicht zugeordnet)
- 2009 VI R 81/06 1x (nicht zugeordnet)
- 2010 VIII R 24/08 1x (nicht zugeordnet)
- 2013 VI R 31/10 1x (nicht zugeordnet)
- 2008 I R 8/06 1x (nicht zugeordnet)