Beschluss vom Bundesfinanzhof (3. Senat) - III B 25/12

Gründe

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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sofern die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) behaupteten Zulassungsgründe in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Form dargelegt wurden, liegen sie nicht vor.

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1. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse … der Bundesagentur für Arbeit) ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff., Nr. 1 der Anlage 2) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Agentur für Arbeit … --Familienkasse-- eingetreten (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. März 2011 V B 17/10, BFH/NV 2011, 1105, unter II.A.).

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2. Die Klägerin hat den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) nicht ordnungsgemäß bezeichnet.

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a) Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes muss in der Beschwerdebegründung u.a. schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 32, 35, m.w.N.).

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b) Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Die von der Klägerin sinngemäß formulierte Rechtsfrage, welche Nachweise das Finanzgericht (FG) von einem Kindergeldberechtigten im Rahmen der Grenzbetragsberechnung (§ 32 Abs. 4 Sätze 2 ff. des Einkommensteuergesetzes --EStG--) fordern dürfe, um sich von dem geltend gemachten beruflichen Nutzungsanteil eines gemischt genutzten PC und den abziehbaren Fahrtaufwendungen zu überzeugen, lässt sich nicht allgemein beantworten. Vielmehr stellt § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO für die Entscheidung des FG auf die aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene Überzeugung ab. Dabei steht es im Ermessen des FG, wie es den von ihm für entscheidungserheblich gehaltenen Sachverhalt aufklärt. Gleiches gilt für die Art und Weise der Beweiserhebung und die Auswahl der Beweismittel (Gräber/ Stapperfend, a.a.O., § 76 Rz 20, 23). Die Beantwortung der Frage, welche Nachweise das FG für seine Überzeugungsbildung erforderlich hält, hängt daher regelmäßig von den Gesamtumständen des Einzelfalls ab und lässt sich nicht abstrakt klären (s. BFH-Beschluss vom 13. August 2010 IX B 20/10, BFH/NV 2010, 2232).

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Im Übrigen hat es die Klägerin unterlassen darzulegen, weshalb die genannte Rechtsfrage klärungsbedürftig sein soll. Es wird nicht ausgeführt, ob und inwieweit diese Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum streitig beurteilt wird. Allein der Umstand, dass die bezeichnete Rechtsfrage höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, reicht nicht zur Darlegung des Klärungsbedarfs aus (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 115 FGO Rz 111).

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3. Soweit die Klägerin mit dem Vortrag, das FG habe die Anzahl der von ihrem Sohn (S) im Jahr 2009 an der Fachoberschule (FOS) absolvierten Unterrichtstage ohne nachvollziehbare Gründe von 125 auf 54 Tage gekürzt, eine Zulassung der Revision wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) erreichen will, ist auch dieser Zulassungsgrund nicht ordnungsgemäß dargelegt.

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a) Zwar ist die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO auch dann zuzulassen, wenn die Entscheidung des FG in einem solchen Maße fehlerhaft ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 5. September 2011 X B 144/10, BFH/NV 2012, 3, m.w.N.); die Entscheidung muss objektiv willkürlich erscheinen oder greifbar gesetzwidrig sein.

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b) Die Klägerin hat das Vorliegen einer solchen Konstellation aber nicht schlüssig dargelegt. Im Ergebnis hat das FG die Anzahl der von S an der FOS aufgesuchten Unterrichtstage geschätzt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 162 der Abgabenordnung). Bei einer Schätzung bejaht der BFH eine "objektive Willkür" im vorgenannten Sinn nur dann, wenn das vom FG gefundene Schätzungsergebnis schlechthin unvertretbar (wirtschaftlich unmöglich) ist oder krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass überhaupt Schätzungserwägungen angestellt worden sind (BFH-Beschluss vom 4. August 2010 X B 198/09, BFH/NV 2010, 2102, m.w.N.). In der Beschwerdebegründung heißt es jedoch, dass der vom FG gemachte Hinweis auf variable Schultage nicht nachvollziehbar sei. Damit trägt die Klägerin selbst vor, dass das FG eigene --wenn auch keine überzeugenden-- Schätzungserwägungen angestellt hat. Im Übrigen würde ein bei der Schätzung erfolgter Verstoß des FG gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze regelmäßig "nur" einen (einfachen) materiell-rechtlichen Fehler begründen (s. dazu Lange in HHSp, § 96 FGO Rz 146), der nicht die Schwelle zur objektiven Willkür erreicht.

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4. Ebenso ist die Revision nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

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a) Im Streitfall liegt es nahe, dass das FG seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1, § 86 Abs. 1 FGO) mangels Einholung einer Auskunft bei der FOS über die Anzahl der von S im Jahr 2009 wahrgenommenen Unterrichtstage verletzt hat. Auch spricht viel dafür, dass es seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zugrunde gelegt hat, weil es die aktenkundig feststehenden Fahrten des S zur Berufsschule nicht berücksichtigt hat. Letztendlich kann aber dahinstehen, ob diese Verfahrensmängel tatsächlich vorliegen. Denn die Klägerin könnte sich auf einen solchen Verfahrensfehler jedenfalls nicht mehr berufen (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Oktober 2003 IX B 97/03, BFH/NV 2004, 196). Nach § 295 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO kann ein Verfahrensfehler nicht mehr gerügt werden, wenn er nicht in der mündlichen Verhandlung vor dem FG gerügt worden ist, obwohl er bekannt war oder bekannt sein musste.

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aa) So verhält es sich im Streitfall.

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Dem angegriffenen Urteil vom 14. Dezember 2011 war der Gerichtsbescheid vom 23. August 2011 vorausgegangen, der unter Nr. 2.2. der Entscheidungsgründe darauf abstellte, dass die Klägerin keine --nach Ende des Kalenderjahres 2009 ausgestellte-- Bescheinigung der Schule über die Anzahl der von S aufgesuchten Unterrichtstage beigebracht habe. Damit hätte von der in der mündlichen Verhandlung vor dem FG fachkundig vertretenen Klägerin erwartet werden dürfen, dass sie dort (zumindest) eine entsprechende Auskunftseinholung durch das FG (vgl. § 86 Abs. 1 FGO) beantragen werde.

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Dies ist ausweislich des Sitzungsprotokolls nicht geschehen. Gründe, warum ihr ein solcher Antrag nicht möglich gewesen sein soll, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich (s. dazu BFH-Beschluss vom 19. Januar 2006 VIII B 84/05, BFH/NV 2006, 803, m.w.N.). Die Klägerin hat die vom FG für erforderlich gehaltene Bescheinigung der FOS hingegen erst im Beschwerdeverfahren vorgelegt.

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Zudem ergab sich aus dem genannten Gerichtsbescheid, dass das FG bei seiner Entscheidung die Fahrten des S zur Berufsschule nicht berücksichtigt hatte und damit von einem unvollständigen Sachverhalt ausging. Im Übrigen ist der dem Gerichtsbescheid zugrundeliegende Sachverhalt, der zur Nichtberücksichtigung der Berufsschulfahrten führte, den Beteiligten vor der mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis zugesandt worden, Unrichtigkeiten oder missverständliche Passagen in der mündlichen Verhandlung richtig zu stellen. Damit war für die in der mündlichen Verhandlung fachkundig vertretene Klägerin --trotz des Verzichts auf Verlesung des Sachberichts (vgl. § 92 Abs. 2 FGO)-- ersichtlich, dass das FG die aktenkundig feststehenden Fahrten des S zur Berufsschule außer Betracht gelassen hatte. Da die in der mündlichen Verhandlung mögliche Richtigstellung des Sachverhalts unterblieben ist, hat die Klägerin insoweit ihr Rügerecht verloren (BFH-Beschluss in BFH/NV 2004, 196).

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bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Klägerin, dass sie erstmals mit Zugang der angegriffenen Entscheidung von dem Nachweiserfordernis hinsichtlich der Fahrtkosten erfahren habe. Es ist zwar zutreffend, dass ein Rügeverlust dann nicht eintreten kann, wenn sich der gerügte Verfahrensverstoß erst aus den Entscheidungsgründen selbst ergibt (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 67). Im Streitfall waren die (sinngemäß) gerügten Verfahrensmängel aber bereits aus dem vorausgegangenen Gerichtsbescheid ersichtlich.

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b) Soweit die Klägerin mit dem Vortrag, das FG-Urteil enthalte keine Ausführungen zu den Fahrten des S zur Berufsschule, rügen will, das die Vorentscheidung --teilweise-- nicht mit Gründen i.S. von § 119 Abs. 1 Nr. 6 FGO versehen sei, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Rüge.

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aa) Entscheidungsgründe i.S. von § 119 Abs. 1 Nr. 6 FGO fehlen auch dann, wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat. Unter selbständigen Ansprüchen und selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmitteln sind in diesem Zusammenhang eigenständige Klagegründe und solche Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu verstehen, die den vollständigen Tatbestand einer mit selbständiger Wirkung ausgestatteten Rechtsnorm bilden (Senatsurteil vom 22. Februar 1996 III R 133/95, BFH/NV 1996, 817). Eine schlüssige Rüge erfordert die konkrete Darlegung, welchen selbständigen Anspruch bzw. welches selbständige Angriffs- oder Verteidigungsmittel das FG übergangen hat. Dazu gehört einmal die genaue Bezeichnung des Anspruchs (des Angriffs- oder Verteidigungsmittels) unter Angabe der tatbestandlichen Voraussetzungen und zum anderen die Darstellung, dass der Anspruch (das Angriffs- oder Verteidigungsmittel) im Verfahren vor dem FG geltend gemacht worden ist und dass es sich um einen entscheidungserheblichen Gesichtspunkt handelt; es muss sich um einen wesentlichen Streitpunkt des Verfahrens handeln (Senatsurteil in BFH/NV 1996, 817).

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bb) Die von der Klägerin gegebene Beschwerdebegründung genügt diesen Anforderungen nicht. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei den Fahrten des S zur Berufsschule überhaupt um ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel handelt. Die Klägerin hat bereits nicht ausgeführt, dass es sich hierbei um einen wesentlichen Streitpunkt in dem Verfahren vor dem FG gehandelt hat, der dort geltend gemacht wurde. Im Übrigen hat sie nicht dargelegt, nach welcher Vorschrift und unter welchen tatbestandlichen Voraussetzungen diese Fahrten im Rahmen der Grenzbetragsberechnung (§ 32 Abs. 4 Sätze 2 ff. EStG) als abziehbare Aufwendungen zu berücksichtigen sind.

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5. Soweit die Klägerin behauptet, der geltend gemachte berufliche Nutzungsanteil des gemischt genutzten PC sei bereits aufgrund des dargelegten Tagesablaufs des S nachgewiesen worden, macht sie im Kern eine unzutreffende Sachverhaltswürdigung durch das FG geltend. Eine fehlerhafte Tatsachenwürdigung stellt aber keinen Verfahrensmangel, sondern einen materiell-rechtlichen Fehler dar, der grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision rechtfertigt (Lange in HHSp, § 115 FGO Rz 246).

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6. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

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