Beschluss vom Bundesfinanzhof (10. Senat) - X B 16-17/13, X B 16/13, X B 17/13

Tatbestand

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I. Die Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) sind Eheleute. Die Klägerin gründete zum 1. April 1995 die Firma F mit Sitz in T. Angemietet waren insoweit gewerbliche Räume in A-Stadt, B-Straße 1. Der Kläger betrieb das Y Ingenieurbüro zunächst in D-Stadt, meldete es aber ab dem 1. Januar 1996 als freiberufliches Ingenieurbüro in C-Stadt, E-Straße 2 an. Der Sitz der im Februar 1995 gegründeten Y-GmbH befand sich ebenfalls in C-Stadt, E-Straße 2.

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Die Kläger waren bis zum 30. April 1996 in D-Stadt gemeldet und meldeten sich sodann nach C-Stadt, E-Straße 2 um. Ihnen standen zudem zwei Wohnungen in A-Stadt, G-Straße 3 zu Wohnzwecken zur Verfügung. Sie gaben sowohl gegenüber dem Beklagten und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) anlässlich einer persönlichen Rücksprache am 16. Mai 1997 als auch gegenüber dem FA A-Stadt in einem Schreiben vom 12. Juni 1997 an, sich vorwiegend in A-Stadt aufzuhalten.

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Zwischen dem FA und dem FA A-Stadt kam es wegen der örtlichen Zuständigkeit für die Einkommensbesteuerung zu einem negativen Kompetenzstreit. Nachdem die Kläger im Dezember 1997 erklärten, sich (wieder) überwiegend in C-Stadt aufzuhalten, erkannte das FA seine örtliche Zuständigkeit als Wohnsitz-FA an.

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Aufgrund der Ergebnisse einer Außenprüfung und steuerstrafrechtlicher Ermittlungsmaßnahmen bei der Firma F legte das FA für die Jahre 1996 bis 1999 den Einkommensteuerfestsetzungen der Kläger geänderte Besteuerungsgrundlagen zugrunde. Infolge erheblicher Verlustvorträge des Klägers blieb es trotz der Gewinnerhöhungen wie zuvor bei Steuerfestsetzungen von 0 DM. Mit Bescheiden vom 17. April 2008 stellte das FA die zum 31. Dezember 1995 bis zum 31. Dezember 1999 verbleibenden Verluste für die Kläger fest. Diese Bescheide sind jeweils Gegenstand der vor dem Finanzgericht (FG) geführten Verfahren 12 K 146/09 (Klägerin) und 12 K 126/09 (Ehemann).

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Mit Beschlüssen vom 19. November 2012 setzte das FG beide Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zur bestandskräftigen Entscheidung über die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Firma F für die Jahre 1996 bis 1999 aus.

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Gegen die Verfahrensaussetzung für das Streitjahr 1996 wendet sich das FA mit den vorliegenden Beschwerden. Es sei unklar, warum das FG auch für das Jahr 1996 von dem Erfordernis einer gesonderten Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b der Abgabenordnung (AO) ausgehe. Die Kläger seien zwar in C-Stadt gemeldet gewesen, hätten sich nach eigenen Angaben jedoch noch im Laufe des Jahres 1997 überwiegend in A-Stadt, dem Ort der Geschäftsleitung der Firma F, aufgehalten. Eine gesonderte Feststellung setze dagegen voraus, dass die örtliche Zuständigkeit für die gesonderte Feststellung und für die Veranlagung zur Einkommensteuer am Schluss des Gewinnermittlungszeitraums auseinander falle.

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Das FA begehrt mit seinen Beschwerden, denen das FG nicht abgeholfen hat, die Fortführung der finanzgerichtlichen Verfahren wegen der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 1996.

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Die Kläger haben sich in den Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerden sind unbegründet.

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1. Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO.

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2. Das FG hat mit den angefochtenen Beschlüssen zutreffend entschieden, dass die Verfahren wegen der gesonderten Verlustfeststellungen auch für das Jahr 1996 auszusetzen sind bis bestandskräftig feststeht, ob und in welcher Höhe das FA A-Stadt den Gewinn der Firma F gesondert feststellt.

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a) Gemäß § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei (Senatsbeschluss vom 8. Januar 2013 X B 203/12, BFH/NV 2013, 511). Ist ein Grundlagenbescheid noch nicht ergangen, ist ein Klageverfahren gegen den Folgebescheid zwingend auszusetzen (Senatsurteil vom 17. Mai 1995 X R 64/92, BFHE 177, 478, BStBl II 1995, 640, unter II.4.).

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b) Für die Besteuerung natürlicher Personen nach dem Einkommen und Vermögen ist das FA zuständig, in dessen Bezirk der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 19 Abs. 1 Satz 1 AO). Bei mehrfachem Wohnsitz eines verheirateten Steuerpflichtigen, der von seinem Ehegatten nicht dauernd getrennt lebt, ist der Wohnsitz maßgebend, an dem sich die Familie vorwiegend aufhält (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AO). Dem für die Besteuerung zuständigen FA obliegt auch die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d Abs. 3 Satz 3 (heute Abs. 4 Satz 3) des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung.

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Einkünfte aus einer gewerblichen Tätigkeit werden nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO gesondert festgestellt, wenn das für die gesonderte Feststellung zuständige FA (vgl. § 18 AO) nicht auch für die Steuern vom Einkommen (vgl. § 19 AO) zuständig ist. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO ist für die gesonderte Feststellung nach § 180 AO bei gewerblicher Tätigkeit das FA örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung befindet. Tatbestandsmäßige Voraussetzung für den Erlass eines gesonderten Gewinnfeststellungsbescheids gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO ist somit --wie vom FA zutreffend angeführt-- das Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeit für die gesonderte Gewinnfeststellung (§ 18 AO) und für die Steuern vom Einkommen (§ 19 AO). Bei gewerblichen Einkünften ist dies dann gegeben, wenn sich die Geschäftsleitung des Betriebs in einem anderen als dem Bezirk des Wohnsitz-FA befindet. Maßgebend hierfür sind die Verhältnisse zum Schluss des Gewinnermittlungszeitraums.

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c) Die Abtrennung der Feststellung einer Besteuerungsgrundlage von dem eigentlichen Steuerfestsetzungsverfahren einschließlich der Verlustfeststellung bewirkt notwendigerweise eine Kompetenzverteilung zwischen den für die Feststellung der Besteuerungsgrundlage und den für die Festsetzung der Steuer einschließlich der Verlustfeststellung zuständigen Finanzbehörden. Wegen dieser Kompetenzverteilung und des sich aus § 86 AO ergebenden Legalitätsprinzips kann die Entscheidung über das Erfordernis oder Nichterfordernis einer gesonderten Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO verbindlich nur in dem --ggf. noch einzuleitenden-- Grundlagenverfahren getroffen werden. Dementsprechend ist ein (positiver oder negativer) Feststellungsbescheid gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO schon dann zu erlassen, wenn das Erfordernis einer gesonderten Feststellung behauptet wird oder auf Grund des (ggf. streitigen) Sachverhalts möglich erscheint (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. November 2006 XI B 156/05, BFH/NV 2007, 401, unter II.2.).

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d) Nach diesen Maßstäben hat das FG die Verfahren der Kläger wegen der gesonderten Feststellung des jeweils verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 1996 im Ergebnis zutreffend ausgesetzt.

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Nach den Ausführungen des FG befand sich die Geschäftsleitung der Firma F nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in den Jahren 1996 bis 1999 in A-Stadt. Als zuständiges Wohnsitz-FA hat das FG für diese Jahre demgegenüber das FA angesehen. Zwar weist das FA zu Recht darauf hin, das FG führe im Tatbestand seiner Entscheidung aus, die Kläger hätten noch im Folgejahr sowohl gegenüber dem FA als auch gegenüber dem FA A-Stadt erklärt, sich überwiegend in A-Stadt aufzuhalten. Es sei daher nicht klar, warum das FG ohne weitere Ausführungen zu der Annahme gelange, die Kläger hätten ihren Wohnsitz bereits zum Ende des Jahres 1996 in C-Stadt gehabt.

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In diesem Punkt bestand jedoch ein negativer Kompetenzkonflikt zwischen dem FA und dem FA A-Stadt. Anders als das FA ging das FA A-Stadt trotz der Erklärungen der Kläger nicht von seiner örtlichen Zuständigkeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AO aus. Bei Zugrundelegung dieser Ansicht mussten die Einkünfte der Firma F deshalb auch für das Jahr 1996 gesondert festgestellt werden - unterstellt, das FA A-Stadt stimmt mit dem FG überein, dass sich die Geschäftsleitung der Firma F in A-Stadt befindet. Im Übrigen haben die Kläger nach der Darstellung des FG im Dezember 1997 geäußert, sich wieder überwiegend in C-Stadt aufzuhalten. Von daher ist es nicht ausgeschlossen, dass sie sich auch in der ersten Zeit nach ihrem Umzug aus D-Stadt im Jahr 1996 vorwiegend in C-Stadt --und damit im Bezirk des FA-- aufhielten und den Schwerpunkt ihres Aufenthalts erst im Jahr 1997 für einige Monate nach A-Stadt verlegten.

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Da es nach alledem auch für das Jahr 1996 möglich erscheint, dass das FA A-Stadt eine gesonderte Feststellung der Einkünfte der Firma F durchzuführen hat, hat das FG die Verfahren gegen den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember 1996 zu Recht ausgesetzt. Die verbindliche Entscheidung über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der gesonderten Feststellung (Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeit für die gesonderte Feststellung und für die Veranlagung zur Einkommensteuer) kann nur in diesem Grundlagenverfahren und damit zunächst vom FA A-Stadt getroffen werden.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Da die Beschwerden keinen Erfolg haben, ist eine Kostenentscheidung ungeachtet dessen zu treffen, dass die vorliegenden Beschwerdeverfahren als unselbständige Zwischenverfahren zu den noch beim FG anhängigen Klageverfahren anzusehen sind (Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 511, m.w.N.). Nur bei erfolgreichen Beschwerden --oder einer Erledigung der Hauptsache im Beschwerdeverfahren-- sieht der BFH im Hinblick auf die Unselbständigkeit des Beschwerdeverfahrens von einer Kostenentscheidung ab (vgl. Beschluss vom 17. Februar 2004 IV B 209/03, BFH/NV 2004, 966, unter 3., m.w.N.).

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