Beschluss vom Bundesfinanzhof (1. Senat) - I B 126/12

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in den Niederlanden, war Alleingesellschafterin (Muttergesellschaft) der V-GmbH, einer im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Vertriebsgesellschaft. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung wurde das Einkommen der V-GmbH für die Streitjahre (1999 und 2000) aufgrund überhöhter Einkaufspreise um verdeckte Gewinnausschüttungen i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 (KStG 1999) korrigiert. Der Antrag der Klägerin auf Erstattung der Körperschaftsteuer blieb ohne Erfolg. Im Klageverfahren hat die Klägerin klargestellt, dass sie selbst in den Streitjahren keine Verluste erlitten habe und ihr auch keine steuerlichen Verlustvorträge zugestanden hätten. Die Verrechnungspreiskorrektur habe zum einen in den Niederlanden zu einer Reduzierung ihres Einkommens geführt; zum anderen seien die nunmehr angesetzten Beteiligungserträge in den Niederlanden steuerbefreit. Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 21. Juni 2012  6 K 43/11).

Entscheidungsgründe

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II. Die hiergegen erhobene Beschwerde ist zu verwerfen, da sie nicht den Anforderungen an die Darlegung der in § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Gründe für die Zulassung der Revision genügt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

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1. Die Rüge, der Streitfall werfe die abstrakte Rechtsfrage auf, ob die Verpflichtung zur Beseitigung der Doppelbesteuerung grenzüberschreitender Ausschüttungen innerhalb der Europäischen Union immer dem Mitgliedstaat der Muttergesellschaft obliege oder ob es bei dem gemeinschaftsrechtlichen Anspruch auf Inländergleichbehandlung auf die Wirkungsweise des die Doppelbesteuerung vermeidenden Mechanismus ankomme, ist unschlüssig. Sie ist deshalb auch nicht geeignet, die Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) oder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zu eröffnen.

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a) Sowohl in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (früher: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften) --EuGH-- als auch des Bundesfinanzhofs ist geklärt, dass es im Rahmen des früheren körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens allein dem Mitgliedstaat des Dividendenempfängers obliegt, die wirtschaftliche Doppelbesteuerung der grenzüberschreitend ausgeschütteten Gewinne zu beseitigen (z.B. EuGH-Urteil vom 26. Juni 2008 C-284/06, "Burda", Slg. 2008, I-4571, Rz 89 ff.; ebenso nachfolgend Senatsurteil vom 26. November 2008 I R 56/05, BFHE 224, 44).

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aa) Soweit der EuGH diese Beurteilung mit seinem Urteil vom 6. März 2007 C-292/04, "Meilicke" (Slg. 2007, I-1835) ausdrücklich bestätigt hat, ist --entgegen dem Vortrag der Klägerin-- nichts dafür ersichtlich, dass der EuGH hierbei die Unterschiede zwischen dem finnischen und dem deutschen Anrechnungsverfahren verkannt und deshalb die Erkenntnisse seines Urteils vom 7. September 2004 C-319/02, "Manninen" (Slg. 2004, I-7477) unreflektiert auf die nach (früherem) deutschem Recht geltenden Anrechnungsbestimmungen übertragen habe. Insbesondere kann der Senat nicht nachvollziehen, dass --so die Beschwerdeschrift-- nach dem in den Streitjahren geltenden deutschen Anrechnungsverfahren "die Gefahr einer Doppelbesteuerung bereits auf der Ebene der ausschüttenden Gesellschaft vermieden wurde (Besteuerung der Thesaurierung, wirtschaftliche Nichtbesteuerung bei der Dividendenausschüttung durch Herstellung der Ausschüttungsbelastung und zusätzlicher Gewährung einer Steuergutschrift in Höhe der Ausschüttungsbelastung ...)". Soweit die Ausführungen sich auf das EuGH-Urteil in Slg. 2004, I-7477 berufen, ist das Zitat erkennbar unvollständig, da in der in Bezug genommenen Passage (Rz 34) der nach deutschem Recht nicht gegebene Fall angesprochen wird, dass nur die nicht ausgeschütteten Gewinne der Körperschaftsteuer unterworfen werden. Hinzu kommt vor allem, dass auch nach dem früheren Anrechnungsverfahren die Steuerbelastung der ausschüttenden Gesellschaft nicht von der Ansässigkeit ihrer Anteilseigner abhängig war (Senatsurteil in BFHE 224, 44) und demgemäß die Steuergutschrift nicht der ausschüttenden Tochtergesellschaft, sondern dem Dividendenempfänger erteilt wurde. Besteht somit kein Anhalt dafür, dass der genannten Rechtsprechung des EuGH ein "Fehlverständnis" des deutschen Anrechnungsverfahrens zugrunde liegt, so erübrigen sich auch weitere Ausführungen zu den in der Beschwerdeschrift benannten "Folgefehlern".

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bb) Anderes ergibt sich nicht aus der weiteren Erwägung der Beschwerdeschrift, nach der der EuGH mit seinem Urteil vom 20. Oktober 2011 C-284/09, "Kommission ./. Deutschland" (Slg. 2011, I-9879) die These, dass nicht der Quellenstaat, sondern der Mitgliedstaat des Anteilseigners zur Beseitigung der Doppelbesteuerung verpflichtet sei, "auf den Kopf gestellt habe". Der Einwand ist erkennbar unsubstantiiert. Zwar hat der EuGH in der Rechtssache "Kommission ./. Deutschland" entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) zur Vermeidung eines Unionsrechtsverstoßes (Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit) Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgeschüttet werden, wirtschaftlich keiner höheren Belastung unterwerfen darf als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in Deutschland ausgeschüttet werden (vgl. hierzu auch Senatsurteile vom 11. Januar 2012 I R 25/10, BFHE 236, 318; vom 11. Januar 2012 I R 30/10, BFH/NV 2012, 1105). Hiermit ist jedoch --wie dem zitierten EuGH-Urteil (dort Rz 80 f.) zweifelsfrei zu entnehmen ist-- die Situation des Streitfalls nicht vergleichbar. Letztere ist nicht durch den inländischen Besteuerungszugriff auf die grenzüberschreitende Dividende, sondern durch die hiervon zu unterscheidende Frage gekennzeichnet, ob nach dem Unionsrecht der Quellenstaat im Wege einer grenzüberschreitenden Erstattung von Körperschaftsteuer dazu verpflichtet ist, auf sein Besteuerungsrecht bezüglich des Einkommens zu verzichten, das in seinem Hoheitsgebiet erwirtschaftet worden ist. Demgemäß ist auch nicht erkennbar, dass die zu beiden Fragestellungen vorliegenden Erkenntnisse des EuGH sich --wie die Beschwerdeschrift behauptet-- "diametral widersprechen" würden.

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b) Der Beschwerdevortrag ist ferner insoweit unschlüssig, als er jegliche substantiierte Auseinandersetzung mit den ausführlichen Erwägungen der Vorinstanz vermissen lässt, nach denen selbst dann, wenn die Regelung des § 51 KStG 1999 (Ausschluss der Körperschaftsteuererstattung) in bestimmten Einzelfällen die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten beschränken würde, diese Beschränkung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses (Kohärenz von Erstattung und inländischer Steuerpflicht der Dividenden; Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gemäß Doppelbesteuerungsabkommen; Verhinderung einer doppelten Verlustnutzung) gerechtfertigt wäre.

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c) Darüber hinaus hat die Beschwerde es unterlassen, sich mit der Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage auseinanderzusetzen. Die Vorinstanz hat insoweit die Erwägungen des Senatsurteils in BFHE 224, 44 aufgegriffen, nach denen die Niederlande als Ansässigkeitsstaat der Klägerin ihrer Verpflichtung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durch die Steuerbefreiung der von der V-GmbH (verdeckt) ausgeschütteten Gewinne nachgekommen sei. Demgemäß hätte es substantiierter Darlegungen dazu bedurft, weshalb es aus Sicht des Gemeinschaftsrechts gleichwohl geboten sei, der Klägerin, die selbst in den Streitjahren keine Verluste erzielt hatte und auch nicht über Verlustvorträge verfügte, einen Anspruch auf Erstattung der von ihrer Tochtergesellschaft geschuldeten Körperschaftsteuer einzuräumen.

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2. Im Übrigen sieht der Senat von der Begründung dieses Beschlusses ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

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