Beschluss vom Bundesfinanzhof (3. Senat) - III B 123/13

Tatbestand

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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war in den Streitjahren 2003 bis 2007 als Einzelunternehmer im Bereich des An- und Verkaufs von Immobilien gewerblich tätig. Der Betrieb des Klägers war vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) in diesem Zeitraum als Großbetrieb i.S. des § 3 der Betriebsprüfungsordnung eingestuft. Der Kläger hatte zunächst sowohl seinen Wohn- als auch seinen Betriebssitz in G. Am 1. Dezember 2009 verlegte der Kläger seinen Wohnsitz nach L. Ob der Kläger --wie von ihm vorgetragen-- im Oktober 2009 seinen Betriebssitz nach B verlegt hat, ist zwischen den Beteiligten streitig.

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Mit Prüfungsanordnung vom 9. November 2009 ordnete das FA die Durchführung einer Außenprüfung beim Kläger u.a. hinsichtlich der Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen 2003 bis 2007 und der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 2006 und zum 31. Dezember 2007 an. Ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 25. November 2009 wurde die Prüfungsanordnung dem Kläger an diesem Tag durch Einwurf in den zu seiner Wohnung in G gehörenden Briefkasten bekannt gegeben.

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Nachdem das FA über den hiergegen gerichteten Einspruch nicht entschieden hatte, erhob der Kläger mit Schreiben vom 20. Oktober 2011 Untätigkeitsklage. Diese wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Zur Begründung verwies es u.a. darauf, dass das FA gemäß § 19 der Abgabenordnung (AO) für den Erlass der Prüfungsanordnung zuständig gewesen sei, da der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Verwaltungshandelns noch seinen Wohnsitz in dessen Zuständigkeitsbereich --in G-- gehabt habe.

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Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Entscheidungsgründe

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II. 1. Die Beschwerde ist --bei Bedenken gegen ihre Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Der von dem Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor.

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a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei soll es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss. Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte zu Unsicherheiten in der Beantwortung der Rechtsfrage führen und eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage aber nicht schon dann, wenn sie noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist; vielmehr ist erforderlich, dass ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt (z.B. BFH-Beschluss vom 1. September 2010 IV B 132/09, BFH/NV 2011, 27, m.w.N.).

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b) Die von dem Kläger als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage, ob die unterjährige Verlegung des Betriebssitzes und das damit verbundene, erstmalige Auseinanderfallen von Wohnsitz und Betriebsstätte einen Wechsel der Zuständigkeit gemäß § 26 Satz 1 AO i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO für die Anordnung einer Außenprüfung nach sich zieht, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Denn die Rechtsfrage lässt sich --soweit sie sich auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation bezieht-- unmittelbar aus dem Gesetz beantworten.

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aa) Nach § 196 AO bestimmt die Finanzbehörde den Umfang der Außenprüfung in einer schriftlich zu erteilenden Prüfungsanordnung.

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Da die Außenprüfung ein Vorgang des Besteuerungsverfahrens ist, richtet sich die örtliche Zuständigkeit, soweit keine Sonderregeln bestehen, nach den §§ 18 ff. AO (§ 17 AO). Die Bestimmung des § 195 Satz 1 AO, wonach die Außenprüfung von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt wird, dient daher nur der Klarstellung (BFH-Urteil vom 25. Januar 1989 X R 158/87, BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483, m.w.N.). Zwar bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit für die Veranlagung grundsätzlich nach den Verhältnissen zur Zeit der Veranlagung (Senatsurteile vom 22. September 1989 III R 227/84, BFH/NV 1990, 568, und vom 11. Dezember 1987 III R 228/84, BFHE 152, 27, BStBl II 1988, 230). Entsprechend sind auch für die Zuständigkeit zum Erlass einer Prüfungsanordnung grundsätzlich die Umstände zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung maßgeblich (BFH-Urteile in BFHE 156, 18, BStBl II 1989, 483, und vom 26. Juli 2007 VI R 68/04, BFHE 218, 35, BStBl II 2009, 338). Von dieser allgemeinen Regel enthält jedoch § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO für gesonderte Feststellungen insoweit eine Ausnahme, als für die Frage, ob eine gesonderte Feststellung wegen eines Auseinanderfallens von Wohnsitzfinanzamt und Betriebs-, Lage- oder Tätigkeitsfinanzamt durchzuführen ist, auf die Verhältnisse zum Schluss des Gewinnermittlungszeitraums abzustellen ist. Diese Regelung geht auf eine durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310, 2346) mit Wirkung ab 30. Dezember 1993 erfolgte Gesetzesänderung zurück. Insoweit hat der BFH bereits entschieden, dass die zu der früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung, wonach auch bei § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO auf die Zuständigkeit im Zeitpunkt der Veranlagung abzustellen sei, keine Anwendung mehr findet (Urteil vom 17. Mai 1995 X R 64/92, BFHE 177, 478, BStBl II 1995, 640).

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bb) Tritt ein Auseinanderfallen von Wohnsitzfinanzamt und Betriebsfinanzamt erst nach Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums ein, findet nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO keine gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb statt. Der Schluss des Gewinnermittlungszeitraums entscheidet endgültig über die Feststellungsnotwendigkeit, nachträglich eintretende Veränderungen sind ohne Bedeutung (vgl. etwa Schmieszek in Beermann/Gosch, AO § 18 Rz 19 f., insbesondere Beispielsfall 2).

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Da nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den BFH in einem sich anschließenden Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Tatsachenfeststellungen des FG ein Auseinanderfallen von Wohnsitz- und Betriebsfinanzamt erst nach Ablauf der für die Streitjahre maßgeblichen Gewinnermittlungszeiträume in Betracht kommt, scheidet eine gesonderte Feststellung der gewerblichen Einkünfte des Klägers für die Streitjahre aus. Ist keine gesonderte Feststellung durchzuführen, kann über § 18 AO auch keine örtliche Zuständigkeit des Betriebsfinanzamts begründet werden.

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cc) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 AO ist für die Besteuerung natürlicher Personen nach dem Einkommen das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Wohnsitzfinanzamt). Geht die örtliche Zuständigkeit durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände von einer Finanzbehörde auf eine andere Finanzbehörde über, so tritt gemäß § 26 Satz 1 AO der Wechsel der Zuständigkeit in dem Zeitpunkt ein, in dem eine der beiden Finanzbehörden hiervon erfährt. Tritt --wie im Streitfall-- der Wohnsitzwechsel erst nach dem maßgeblichen Verwaltungshandeln (hier dem Erlass der Prüfungsanordnung) ein, verbleibt es bei der durch § 19 Abs. 1 Satz 1 AO begründeten Zuständigkeit des bisherigen Wohnsitzfinanzamts, da sich die Umstände, welche die Zuständigkeit begründen, im Zeitpunkt des Verwaltungshandelns noch nicht i.S. des § 26 Satz 1 AO verändert haben.

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c) Soweit sich die vom Kläger sehr weit formulierte Fragestellung auf hier nicht vorliegende Sachverhaltskonstellationen beziehen sollte, wäre die Frage nicht klärungsfähig, da der BFH in einem sich anschließenden Revisionsverfahren an die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG gebunden wäre.

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2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

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