Urteil vom Bundesfinanzhof (7. Senat) - VII R 4/13

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb von Verkäufern mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln, in Argentinien und in Uruguay (drittländische Verkäufer) im Mai 2006 gefrorene Hühnerteile (Codenummer 0207 1410 00 0). Das Ursprungsland der Hühnerteile war Brasilien bzw. Argentinien.

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Die Klägerin meldete die gefrorenen Hühnerteile am 3. Mai 2006 (Pos. 1, Annahme 3. Mai 2006, Ursprungsland Brasilien), am 8. Mai 2006 (Pos. 2, Annahme 8. Mai 2006, Ursprungsland Argentinien) und am 12. Mai 2006 (Pos. 3, Annahme 15. Mai 2006, Ursprungsland Argentinien) mit vereinfachter Zollanmeldung zur Überführung in den freien Verkehr an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) berechnete die Einfuhrabgaben auf Grundlage der von den drittländischen Verkäufern gestellten Handelsrechnungen sowie der Fracht- und Versicherungskosten. Dies ergab cif-Einfuhrpreise in Höhe von 231,05 €/100 kg (Pos. 1), 220,54 €/100 kg (Pos. 2) und 233,88 €/100 kg (Pos. 3).

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Da die cif-Einfuhrpreise über den repräsentativen Preisen in Höhe von 172,90 €/100 kg (Pos. 1) bzw. 199,20 €/100 kg (Pos. 2 und 3) lagen, legte die Klägerin dem HZA ihre Weiterverkaufsrechnungen vor, und zwar für Pos. 2 am 29. Mai 2006 und für Pos. 1 und 3 am 5. Juli 2006.

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Mit geändertem Steuerbescheid vom 24. März 2009 forderte das HZA Einfuhrabgaben nach. Die Erhöhung resultierte aus einer Änderung der Bemessungsgrundlage für den Zusatzzoll, der nach der Verordnung (EG) Nr. 1484/95 (VO Nr. 1484/95) der Kommission vom 28. Juni 1995 mit Durchführungsbestimmungen zur Regelung der zusätzlichen Einfuhrzölle und zur Festsetzung der repräsentativen Preise in den Sektoren Geflügelfleisch und Eier ... (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 145/47) in der für den Streitfall geltenden Fassung zu entrichten war. Das HZA führte hierzu aus, dass die Klägerin nicht den über dem repräsentativen Preis liegenden cif-Einfuhrpreis gemäß § 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 habe bestätigen können. Vielmehr hätten die vorgelegten Weiterverkaufsrechnungen um den Zoll bereinigte Weiterverkaufspreise in Höhe von 201,87 €/100 kg (Pos. 1), 211,72 €/100 kg (Pos. 2) und 220,72 €/100 kg (Pos. 3) ergeben. Damit sei der Zusatzzoll auf Grundlage der repräsentativen Preise zu ermitteln.

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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, das HZA sei bei der Berechnung des Zusatzzolls zutreffend von den repräsentativen Preisen ausgegangen. Dies folge aus Art. 3 Abs. 2 und 4 VO Nr. 1484/95, die Anwendung fänden, weil die cif-Einfuhrpreise über den repräsentativen Preisen gelegen hätten. Die Klägerin habe die höheren cif-Einfuhrpreise nicht im Sinne dieser Vorschriften fristgerecht bestätigen können.

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Hinsichtlich der Pos. 1 und 3 habe die Klägerin bereits die Weiterverkaufsrechnungen nicht innerhalb der Monatsfrist des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 vorgelegt. Die Frist von sechs Monaten sei hierzu keine Alternativfrist, sondern eine Maximalfrist. Die Monatsfrist verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

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Hinsichtlich der Pos. 2 sei zwar die Weiterverkaufsrechnung innerhalb der Monatsfrist eingereicht worden. Der um den Zoll bereinigte Weiterverkaufspreis habe aber unter dem cif-Einfuhrpreis gelegen. Zur Begründung habe die Klägerin erst im Einspruchsverfahren allgemein auf niedrige Marktpreise hingewiesen. Absatzprobleme im Zusammenhang mit der Vogelgrippe habe die Klägerin erst in einem Erörterungstermin am 17. Januar 2012 angeführt. Damit habe die Klägerin innerhalb der von Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 gesetzten Fristen keinen Nachweis über die Richtigkeit der cif-Einfuhrpreise erbracht.

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Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass zur Berechnung des Zusatzzolls i.S. der VO Nr. 1484/95 auf die angegebenen cif-Einfuhrpreise abzustellen sei. Die cif-Einfuhrpreise lägen zwar über den repräsentativen Preisen, seien aber innerhalb der Fristen des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 bestätigt worden. Hierzu reiche die Vorlage der Weiterverkaufsrechnungen aus. Ein Nachweis der besonderen Umstände für einen unter dem cif-Einfuhrpreis liegenden Weiterverkaufspreis sei erst im weiteren Verlauf des Verfahrens erforderlich. Dies gelte auch für eine substantiierte Darlegung dieser Umstände. Im Übrigen verstoße die Monatsfrist des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sei dahingehend unionsrechtskonform auszulegen, dass regelmäßig die Frist von sechs Monaten anzuwenden sei.

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Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben.

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Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

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Es schließt sich der Begründung des FG an und macht geltend, dass die Klägerin ihre Nachweispflichten gemäß Art. 3 Abs. 2 und 4 VO Nr. 1484/95 nicht fristgerecht erfüllt habe. Denn zur fristgerechten Erfüllung der Nachweispflichten hätte die Klägerin nicht nur die Weiterverkaufsrechnungen vorlegen, sondern wegen des Unterschreitens des cif-Einfuhrpreises beim Weiterverkauf auch die für diese Preisgestaltung relevanten Umstände nachweisen müssen. Diese kalkulatorischen Grundlagen seien einem Kaufmann zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses regelmäßig bekannt.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Da die Klägerin ihre Nachweispflichten gemäß Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 nicht fristgerecht erfüllt hat, war für die Berechnung des Zusatzzolls i.S. der VO Nr. 1484/95 auf den repräsentativen Preis abzustellen.

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Im Streitfall lagen die cif-Einfuhrpreise über den jeweiligen damaligen repräsentativen Preisen. Deshalb musste die Klägerin gemäß Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1484/95 zusätzliche Nachweise vorlegen. Darüber hinaus musste die Klägerin gemäß Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 nachweisen, dass die entsprechenden Sendungen zu Bedingungen abgesetzt worden sind, welche die cif-Einfuhrpreise bestätigen. Hierfür gewährt Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 eine Frist von einem Monat ab Verkauf der betreffenden Erzeugnisse, höchstens jedoch sechs Monaten ab Annahme der Anmeldung zum freien Verkehr.

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Die Klägerin hat die aus Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 folgenden Nachweispflichten weder innerhalb der Monats- noch innerhalb der Sechs-Monats-Frist erfüllt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bzw. welche Weiterverkaufsrechnungen innerhalb der Fristen des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 vorgelegt worden sind. Darüber hinaus kann offenbleiben, ob die Monatsfrist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht bzw. ob die in Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 geregelten Fristen unionsrechtskonform dahingehend auszulegen sind, dass regelmäßig die Frist von sechs Monaten anzuwenden ist. Denn die aus den vorgelegten Weiterverkaufsrechnungen berechneten Weiterverkaufspreise (201,87 €/100 kg für Pos. 1, 211,72 €/100 kg für Pos. 2 und 220,72 €/100 kg für Pos. 3) lagen unter den angegebenen cif-Einkaufspreisen (231,05 €/100 kg für Pos. 1, 220,54 €/100 kg für Pos. 2 und 233,88 €/100 kg für Pos. 3) und führten somit nicht zu deren Bestätigung. Da Waren regelmäßig zuzüglich einer Gewinnmarge weiterverkauft werden, sprechen die unter den cif-Einfuhrpreisen liegenden Weiterverkaufspreise vielmehr gegen die Richtigkeit der angegebenen cif-Einfuhrpreise.

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Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass auch in solch einem Fall weiterhin die Möglichkeit eines Nachweises der Richtigkeit des cif-Einfuhrpreises besteht. Hierfür sind besondere Umstände darzulegen und nachzuweisen, die dazu geführt haben, dass es zu einem Verlustgeschäft kam. Dies können beispielsweise unvorhergesehene Marktentwicklungen oder kalkulatorische Fehleinschätzungen sein. Ob innerhalb der Fristen des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1484/95 ein entsprechender vollständiger Nachweis erbracht werden muss oder zunächst eine grobe --oder zumindest eine substantiierte-- Darlegung der zu einem niedrigeren Weiterverkaufspreis führenden besonderen Umstände ausreicht, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Jedenfalls ist es nicht ausreichend, wenn --wie im Streitfall-- die niedrigeren Weiterverkaufsrechnungen ohne jegliche Begründung vorgelegt werden. Erst im Rahmen des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens, das im Jahr 2009 begann, hat die Klägerin begründet, weshalb die Weiterverkaufspreise unter den cif-Einfuhrpreisen gelegen haben. Dies war in jedem Fall zu spät, so dass es im Streitfall nicht mehr darauf ankommt, ob diese Begründung ausreichend war.

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Der Senat hält diese Auslegung des einschlägigen Unionsrechts für eindeutig. Demnach besteht kein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982  283/81 -C.I.L.F.I.T.-, Slg. 1982, 3415).

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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