Urteil vom Bundesfinanzhof (9. Senat) - IX R 16/13

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb von der Bauträgerin … (KG) mit notariell beurkundeten Vertrag vom 16. Dezember 2002 an dem Objekt X, das gemäß der bereits erfolgten Teilungserklärung noch zu bildende Wohnungseigentum an der Eigentumswohnung Nr. … nebst dem Abstellraum Nr. … im Kellergeschoss und einen Kfz-Stellplatz. Der Kaufpreis betrug 124.903 € zzgl. 3.000 € für den Kfz-Stellplatz. Die Summe entfiel zu 6.395 € auf Grund und Boden, zu 12.790 € auf den Anteil der Gebäudealtsubstanz sowie zu 108.718 € auf die durchzuführende Sanierung.

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Die Eigentumswohnung Nr. … ist im Dachgeschoss des Hauses … der ehemaligen, … Kaserne … belegen. Das Kasernengebäude wurde ehemals als Lager, Magazin und als Gaststätte mit Gesellschaftsräumen genutzt. Bei dem Gebäude handelte es sich vor dem Umbau um einen ein- und zweigeschossigen massiven Klinkerbau, der voll unterkellert war. Das Dachgeschoss der Kaserne wurde nicht zu Wohnzwecken genutzt. Der Umbau und die Sanierungsarbeiten wurden nach dem Kaufvertragsschluss durchgeführt. Die Eigentumswohnung wurde im Oktober 2003 fertig gestellt.

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Die Stadt … bestätigte mit einer der KG erteilten Bescheinigung vom 1. März 2005 u.a., dass die Gebäude "… (Haus 1) in einem durch Sanierungssatzung vom … (Satzung zur 1. Änderung der Sanierungssatzung der Stadt … vom …) förmlich festgelegten Sanierungsgebiet belegen ist. (...)
An dem Gebäude sind durchgeführt worden: (...) Maßnahmen, die der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes, das wegen seiner geschichtlichen (...) oder städtebaulichen Bedeutung erhaltenswert ist.
Der Durchführung der Maßnahme lag zugrunde: (...) eine Vereinbarung zwischen dem Antragsteller und der Gemeinde für Haus … vom … . ..."

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Am 5. März 2005 gab die KG beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach der Verordnung zu § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) für das Objekt X in … ab. Sie erklärte für die Klägerin Anschaffungskosten von 127.903 €, die --zu Gunsten der Klägerin abweichend von dem Notarvertrag-- zu 6.395 € auf Grund und Boden, zu 12.721,41 € auf den Altbau sowie zu 108.786,59 € auf Anschaffungskosten im Sinne von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen gemäß § 7h Abs. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entfallen sollten.

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Im Anschluss an eine Außenprüfung bei der X ging das FA davon aus, dass es sich bei der im Dachgeschoss befindlichen Eigentumswohnung Nr. … um einen Neubau handele, der nicht nach § 7h EStG begünstigt sei, und stellte in dem "Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die  X (Wohnung …) für die Einkommensbesteuerung und für die Festsetzung der Investitionszulage nach der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO" für die Kalenderjahre 2002 bis 2006 vom 5. Oktober 2007 fest:
"Zeitpunkt des rechtswirksamen Abschlusses des obligatorischen Kaufvertrages oder gleichstehenden Rechtsakts 16. Dezember 2002,
Anzahlungen im Kalenderjahr 2003  127.903,00 €,
Anschaffungskosten insgesamt 127.903,00 €,
Anschaffungskosten für den Grund und Boden 6.395,00 €,
Anschaffungskosten für den Altbau 0,00 €,
Anschaffungskosten für nach Kaufvertragsabschluss durchgeführte Modernisierungs- bzw. Baumaßnahmen 0,00 € (Spalte 8),
von dem Betrag in Spalte 8 sind Anschaffungskosten, die auf nachträgliche Herstellungsarbeiten i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999/§ 3a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999 entfallen 0,00 €,
von dem Betrag in Spalte 8 sind Anschaffungskosten, die auf Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 Satz 3 EStG / § 10f Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7h Abs. 1 Satz 3 EStG entfallen 0,00 €, (...)
Anschaffungskosten für einen Neubau 121.508,00 €,
Zeitpunkt der Fertigstellung 31. Oktober 2003.

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Einspruch und Klage blieben erfolglos. In seinem Urteil vertrat das Finanzgericht (FG) die Auffassung, dass es sich bei der von der Klägerin erworbenen Eigentumswohnung Nr. … um einen nicht begünstigten Neubau handele; die Eigentumswohnung sei erstmals hergestellt worden. Auch enthalte die Bescheinigung der Stadt … keine das FA bindende Entscheidung, wonach die Steuerbegünstigung nach § 7h EStG zu gewähren sei. Das eigenständige Prüfungsrecht der Finanzbehörden umfasse die Beurteilung, ob durch die Baumaßnahme ein modernisiertes oder instandgesetztes Gebäude oder ein Neubau oder bautechnisch neues Gebäude entstanden sei. Darüber hinaus beziehe sich die Bescheinigung auf das (bautechnische) Gebäude als Ganzes und treffe damit keine Aussage zu den einzelnen Eigentumswohnungen, die als selbständige Wirtschaftsgüter Gegenstand der Steuervergünstigung seien.

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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts (§ 7h EStG). Das FG habe die Bindungswirkung der Sanierungsbescheinigung verkannt. Zudem liege weder tatsächlich noch steuerrechtlich ein Neubau vor. Überdies sei die Klägerin durch den Erwerb der Eigentumswohnung Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft geworden und habe damit sowohl einen Anteil am Sondereigentum als auch einen Anteil am Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft erworben. Soweit darauf begünstigte Herstellungskosten entfallen, könnten diese beim Erwerber einer Dachgeschosseinheit zur Absetzung von Abnutzung führen.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die X (Wohnung …) für die Einkommensbesteuerung und für die Festsetzung der Investitionszulage nach der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO für die Kalenderjahre 2002 bis 2006 vom 5. Oktober 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2008 dahingehend zu ändern, dass bei im Übrigen unveränderten Feststellungen folgende Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden:
Anschaffungskosten für den Altbau 12.721,41 €,
Anschaffungskosten für nach Kaufvertragsabschluss durchgeführte Modernisierungs- bzw. Baumaßnahmen 108.786,59 € (Spalte 8),
von dem Betrag in Spalte 8 sind Anschaffungskosten, die auf nachträgliche Herstellungsarbeiten i.S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999/§ 3a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999 entfallen 108.786,59 € (Spalte 9),
von dem Betrag in Spalte 8 sind Anschaffungskosten, die auf Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 Satz 3 EStG/ § 10f Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7h Abs. 1 Satz 3 EStG entfallen 108.786,59 € (Spalte 10),
Anschaffungskosten für einen Neubau 0,00 € (Spalte 12).

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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Im Ergebnis zu Recht hat das FG für die von der Klägerin erworbene Eigentumswohnung die Begünstigung des § 7h EStG abgelehnt, weil sie nicht gemäß § 7h Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 EStG durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde die Voraussetzungen des § 7h Abs. 1 EStG objektbezogen für die Eigentumswohnung nachgewiesen hat.

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1. Bei einem im Inland belegenen Gebäude in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder städtebaulichen Entwicklungsbereich kann der Steuerpflichtige nach Maßgabe des § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG --abweichend von § 7 Abs. 4 und 5 EStG-- im Jahr der Herstellung und in den folgenden neun Jahren jeweils bis zu 10 v.H. der Herstellungskosten für Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 177 des Baugesetzbuchs (BauGB) absetzen. § 7h Abs. 1 Satz 1 EStG ist entsprechend anzuwenden auf Herstellungskosten für Maßnahmen, die der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes im Sinne des Satzes 1 dienen, das wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder städtebaulichen Bedeutung erhalten bleiben soll, und zu deren Durchführung sich der Eigentümer neben bestimmten Modernisierungsmaßnahmen gegenüber der Gemeinde verpflichtet hat (§ 7h Abs. 1 Satz 2). Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Maßnahme und in den folgenden neun Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Maßnahmen im Sinne der Sätze 1 und 2 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind (§ 7h Abs. 1 Satz 3 EStG).

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Gemäß § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen jedoch nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine Bescheinigung der zuständigen Gemeindebehörde die Voraussetzungen des Abs. 1 für das Gebäude und die Maßnahmen nachweist. Die Bescheinigung ist materiell-rechtliche Abzugsvoraussetzung für die Begünstigung des § 7h EStG (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. September 2005 IX R 13/04, BFHE 215, 158, BStBl II 2007, 373, mit zahlreichen Nachweisen) und Grundlagenbescheid i.S. des § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO (BFH-Urteil in BFHE 215, 158, BStBl II 2007, 373, m.w.N.). Dies folgt aus dem Zweck des § 7h Abs. 2 EStG. Denn mangels eigener Sachkunde ist es den Finanzbehörden nicht möglich zu überprüfen, ob Maßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 EStG durchgeführt worden sind. Die Finanzverwaltung selbst erkennt an, dass die Bescheinigung der Gemeindebehörde keiner Nachprüfung unterliegt (vgl. R 7h (4) Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien 2012).

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Die Bindungswirkung der Bescheinigung erstreckt sich auf die in § 7h Abs. 1 EStG benannten Tatbestandsmerkmale, nämlich auf die Feststellung, ob das Gebäude in einem Sanierungsgebiet belegen ist, ob Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen i.S. des § 177 BauGB bzw. Maßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 Satz 2 EStG durchgeführt, und ob Zuschüsse aus Sanierungs- oder Entwicklungsfördermitteln gewährt worden sind.

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Nach § 7h Abs. 3 EStG sind die Absätze 1 und 2 auf Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie auf Eigentumswohnungen und auf im Teileigentum stehende Räume entsprechend anzuwenden. Das Gesetz verlangt nach Wortlaut und Systematik ein bestimmtes Objekt (Gebäude, Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, Eigentumswohnungen oder im Teileigentum stehende Räume), auf das sich die Maßnahmen i.S. des § 7h Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG beziehen müssen. Die nach § 7h Abs. 1 EStG steuerrechtlich begünstigten Maßnahmen sind daher stets objektbezogen. Der Differenzierung im objektiven Tatbestand der Steuernorm entsprechen die gemäß § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG von der zuständigen Gemeindebehörde zu bescheinigenden objekt- und maßnahmebezogenen Nachweiserfordernisse (vgl. Kleeberg, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 7h Rz C 1).

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2. Nach diesen Maßstäben hat das FG zutreffend die sich auf das Gesamtgebäude beziehende Bescheinigung als nicht ausreichenden Nachweis i.S. des § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG angesehen.

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Im Streitfall ist die Gewährung der Begünstigung des § 7h EStG nicht für das Gebäude als Ganzes, sondern objektbezogen für die Eigentumswohnung der Klägerin als selbständiges Wirtschaftsgut, das eigenen Regeln für die erhöhten Absetzungen unterliegt, zu beurteilen. Sie kann die erhöhten Absetzungen gemäß § 7h Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 EStG nicht in Anspruch nehmen, weil sie durch die Bescheinigung der Stadt … die Voraussetzungen des § 7h Abs. 1 EStG nicht für die erworbene Eigentumswohnung nachgewiesen hat. Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und damit den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG bezog sich die von der Stadt erteilte Bescheinigung vom 1. März 2005 auf das "Gebäude …". Ein Nachweis i.S. des § 7h Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 EStG für das konkrete Objekt, Eigentumswohnung Nr. …, der Klägerin kann jedenfalls aus dieser Bescheinigung --unbeschadet der Tatsache, dass ggf. eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Bescheinigung von der Stadt noch ausgestellt werden könnte-- nicht entnommen werden.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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