Urteil vom Bundesfinanzhof (1. Senat) - I R 85/12
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung von sog. Dauerschuldentgelten gemäß § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1999/2002) in den Streitjahren (1999 bis 2003) erfüllt sind.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, erwarb im Jahr 1999 Wirtschaftsgüter von der A-KG, um einen Geschäftsbetrieb zu eröffnen. Diesem Erwerb ("Asset Deal") lagen Vereinbarungen vom 28. September 1999 und vom 25. November 1999 zugrunde. Als Gegenleistung vereinbarten die Parteien einen Barkaufpreis in Höhe von … Britischen Pfund, eine Übernahme von Passiva der A-KG im Nennwert von ca. … DM und eine Verpflichtung der Klägerin, die A-KG hinsichtlich der von ihr zu leistenden Aufwendungen aus (dort verbleibenden) Pensionsverpflichtungen gegenüber Pensionären und ausgeschiedenen Mitarbeitern "schadlos zu halten" (Freistellung im Innenverhältnis zwischen der A-KG und der Klägerin).
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Die A-KG bilanzierte die mit der Freistellungsverpflichtung verbundenen Pensionsrückstellungen in den Streitjahren nach Maßgabe des § 6a des Einkommensteuergesetzes 1997/2002. In den Bilanzen der Klägerin erfolgte der Ausweis der Freistellungsverpflichtung als sonstige Rückstellung für der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten mit einem Wert entsprechend dem bei der A-KG angesetzten Wert der Pensionsrückstellung (d.h. ebenfalls unter Ansatz eines Zinssatzes von 6 % und unter Berücksichtigung von biometrischen Ausscheideursachen): … DM (31. Dezember 1999), … DM (31. Dezember 2000), … DM (31. Dezember 2001), … € (31. Dezember 2002) und … € (31. Dezember 2003). Die monatlichen "Ausgleichszahlungen" leistete die Klägerin an die A-KG jeweils nach Erhalt der entsprechenden Zahlungsbenachrichtigungen (… DM in 1999, … DM in 2000, … DM in 2001, … € in 2002 und … € in 2003).
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah die Zahlungen der Klägerin an die A-KG (in den Streitjahren 2000 bis 2003 abzüglich der jeweiligen stichtagsbezogenen Rückstellungsminderung) als Entgelt i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG 1999/2002 an und rechnete zur Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags 50 % dem Gewerbeertrag hinzu (Hinzurechnungen: … DM in 1999, … DM in 2000, … DM in 2001, … € in 2002, … € in 2003). Die Klage gegen die geänderten Festsetzungen der Gewerbesteuermessbeträge hatte Erfolg (Finanzgericht --FG-- Düsseldorf, Urteil vom 15. November 2012 11 K 3626/10 G, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2013, 467).
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Das FA rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage ist abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Zahlungen der Klägerin (bzw. die in den Streitjahren 2000 bis 2003 streitgegenständlichen Salden aus Zahlungen und Rückstellungsminderungen) sind dem jeweiligen Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 1999/2002 zur Hälfte wieder hinzuzurechnen.
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1. Nach § 8 Nr. 1 GewStG 1999/2002 wird die Hälfte der Entgelte für Schulden, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb oder mit einer Erweiterung oder Verbesserung des Betriebs zusammenhängen oder der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG 1999/2002) bei der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind.
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2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Zahlungen der Klägerin an die A-KG sind Entgelte für Schulden, die nicht nur der vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen (§ 8 Nr. 1 Alternative 2 GewStG 1999/2002).
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a) Entgelt "für" Schulden ist die Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital (Senatsurteile vom 9. August 2000 I R 92/99, BFHE 193, 141, BStBl II 2001, 609; vom 30. April 2003 I R 19/02, BFHE 202, 357, BStBl II 2004, 192; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. März 2007 IV R 55/05, BFHE 217, 103, BStBl II 2007, 655). Dazu gehören in erster Linie die laufenden Zinsen im Sinne des bürgerlichen Rechts. Der Begriff des Entgelts umfasst aber auch andere Leistungen, die der Kreditnehmer für die Nutzung des Fremdkapitals an den Kreditgeber zu erbringen hat. Dies ergibt sich daraus, dass der Begriff "Entgelte" durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) an Stelle des Begriffs "Zinsen" in § 8 Nr. 1 GewStG 1984 eingefügt worden ist. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf war Anlass für die Änderung, dass auch gewinnabhängige Vergütungen für die Nutzung von Fremdkapital zur Hinzurechnung führen sollten, was unter der Geltung des früheren Wortlauts nach der Rechtsprechung des BFH nicht möglich war (vgl. Senatsurteil vom 8. März 1984 I R 31/80, BFHE 141, 158, BStBl II 1984, 623). Zudem wurde es als sachgerecht angesehen, "auch solche Entgelte für die langfristige Nutzung von Fremdkapital in die Bemessungsgrundlage Gewerbeertrag einzubeziehen, die zwar nicht als Zinsen bezeichnet werden, aber Zinscharakter haben, wie z.B. das Damnum", das eine Zinskorrekturfunktion habe (BTDrucks 11/2157, S. 175).
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b) Die im Zuge der Übertragung der Wirtschaftsgüter eingegangene Freistellungsverpflichtung führt zu einer das Betriebskapital der Klägerin dauerhaft verstärkenden Verbindlichkeit gegenüber der A-KG.
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aa) Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die Klägerin im Zuge der Vereinbarung mit der A-KG einen (internen) Schuldbeitritt zur (fortbestehenden) Verpflichtung der A-KG aus den Pensionszusagen erklärt hat. Dem ist beizupflichten. Damit ist die Klägerin im Verhältnis zur A-KG verpflichtet, jene von der gegenüber den Gläubigern (den Versorgungsberechtigten) weiterbestehenden Zahlungspflicht freizustellen (wirtschaftliche Schuldbefreiung als Erfüllungsübernahme i.S. von § 329 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), ohne dass eine Gesamtschuldnerschaft begründet werden sollte (zur Abgrenzung s. BFH-Urteil vom 26. April 2012 IV R 43/09, BFHE 237, 215; FG Köln, Urteil vom 3. April 2013 13 K 1158/10, EFG 2013, 1427). Die entsprechende Freistellungsverpflichtung ist von der Klägerin sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz passivisch auszuweisen (s. allgemein Senatsurteile vom 16. Dezember 2009 I R 102/08, BFHE 227, 478, BStBl II 2011, 566; vom 14. Dezember 2011 I R 72/10, BFHE 236, 101).
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bb) In Höhe der auf den gemeinen Wert der Freistellungsverpflichtung entfallenden anteiligen Anschaffungskosten der Wirtschaftsgüter liegt als Folge der Vereinbarung nunmehr Fremdkapital bei der Klägerin (als Erwerberin) vor. Zwar handelt es sich hierbei in formaler Hinsicht nicht um eine Kapitalüberlassung durch die A-KG. Der Wert der Freistellungsverpflichtung ist aber --als Teil der Vereinbarung zur Tilgung des Kaupreises-- als Anschaffungskosten in die Bewertung der erworbenen Wirtschaftsgüter eingeflossen (z.B. Senatsurteil in BFHE 227, 478, BStBl II 2011, 566). Das Eingehen einer Freistellungsverpflichtung ist für den Erwerber im Vergleich zu einem fremdfinanzierten Erwerb oder einer befreienden Schuldübernahme (s. insoweit Senatsurteil vom 22. August 1990 I R 178/86, BFHE 162, 361, BStBl II 1991, 469) nur ein alternatives Finanzierungsinstrument der Anschaffung.
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Dem FG ist zwar darin zuzustimmen, dass die kaufvertragliche Gegenleistung im Streitfall mit der Barzahlung, der Übernahme bestimmter Verbindlichkeiten und der rechtlich bindenden Erklärung der Klägerin, die A-KG hinsichtlich ihrer Aufwendungen für Pensionsverpflichtungen "schadlos" zu halten, vollständig erbracht worden ist. Die monatlichen Zahlungen der Klägerin an die A-KG dienen damit nicht der Abwicklung oder Erfüllung des Kaufvertrags; gezahlt wird auf den eigenständigen Rechtsgrund der Freistellungsverpflichtung, und zwar unabhängig davon, in welcher Höhe die Klägerin auf diese Verpflichtung Zahlungen an die A-KG tatsächlich leisten wird. Dies betrifft sowohl die Situation, dass die Klägerin ihre Zahlungen einstellt (z.B. wegen Insolvenz) oder eine Zahlungspflicht endet (z.B. bei Insolvenz der A-KG oder der Erfüllung aller Pensionsansprüche, wenn damit dort keine Zahlungen mehr geleistet werden), als auch die Situation einer "Mehrzahlung" über den von den Parteien bei der Bewertung dieses Kaufpreisbestandteils kalkulierten Wert hinaus.
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Diese rechtliche Struktur kann aber von dem wirtschaftlichen Hintergrund, der die Klägerin dazu veranlasst hat, die Verpflichtung einzugehen, nicht losgelöst werden (so auch Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., § 8 Nr. 1a Rz 4 und § 8 Nr. 1a (1 aF) Rz 38). Solange Zahlungen auf die Freistellungsverpflichtung zu leisten sind, wird wirtschaftlich die Anschaffung der Wirtschaftsgüter entgolten. Dies steht einer ratenweisen Tilgung einer noch offenen Kaufpreisverbindlichkeit durch den Käufer (s. insoweit BFH-Urteil vom 25. Februar 1975 VIII R 19/70, BFHE 115, 514, BStBl II 1975, 647) gleich.
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c) Die Zahlungen an die A-KG enthalten auch einen Zinsanteil, der von der Klägerin für eine Fremdkapitalüberlassung der A-KG als Entgelt geschuldet wird und der der Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 1 GewStG 1999/2002 unterliegt.
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aa) Die Parteien des Betriebserwerbs werden im Zuge der Bemessung des Kaufpreises --auf der Grundlage einer kaufmännischen Bewertung der zu erwerbenden Wirtschaftsgüter-- den Wert der den wesentlichen Teil des Kaufentgelts ausmachenden Freistellungsverpflichtung ermittelt (jedenfalls geschätzt) haben; jene Bewertung wird bei Vertragsschluss in die Bemessung der übrigen Kaufpreiskomponenten eingeflossen sein. Eine bilanzsteuerrechtliche Bewertung der Wirtschaftsgüter bei der Klägerin erfolgt nach den Anschaffungskosten. Soweit die Freistellungsverpflichtung Kaufpreiskomponente ist, kommt der Barwert der Verpflichtung zum Ansatz. Dieser Wert ist nach der übereinstimmenden Einschätzung der Beteiligten und der Vorinstanz für den Anschaffungszeitpunkt durch den Ansatz in der Höhe, die den Ansatz bei der A-KG entspricht, zutreffend ermittelt.
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bb) Der Vorteil für die Klägerin, den (anteiligen) Wert der erworbenen Wirtschaftsgüter nicht zum Erwerbszeitpunkt aufbringen zu müssen, dürfte üblicherweise Gegenstand einer Zinsvereinbarung sein. Nach den Feststellungen des FG ist eine solche Abrede zwar nicht Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen. Allerdings bringt die Bewertung der angeschafften Wirtschaftsgüter und der Verpflichtung mit einem abgezinsten Betrag zum Ausdruck, dass die Klägerin der A-KG bis zur vollständigen Erfüllung dieser Verpflichtung einen Zins als Gegenleistung für eine Kapitalüberlassung schuldet (gl.A. Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 8 Nr. 1a Rz 6b). Es geht damit im Streitfall nicht lediglich um (isolierte) bilanzielle Bewertungs- bzw. Wertberichtigungsmaßnahmen im Schuldnervermögen (so aber im Ergebnis Günkel, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2009/2010, 735, 773 f.; zustimmend Buciek, ebenda, 776), die den Entgeltbegriff des § 8 Nr. 1 GewStG 1999/2002 nicht ausfüllen könnten.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Referenzen
- 1 GewStG 1999/20 5x (nicht zugeordnet)
- 2007 IV R 55/05 1x (nicht zugeordnet)
- 11 K 3626/10 1x (nicht zugeordnet)
- 7 GewStG 1999/20 1x (nicht zugeordnet)
- 1984 I R 31/80 1x (nicht zugeordnet)
- 2000 I R 92/99 1x (nicht zugeordnet)
- 2011 I R 72/10 1x (nicht zugeordnet)
- 1975 VIII R 19/70 1x (nicht zugeordnet)
- 2012 IV R 43/09 1x (nicht zugeordnet)
- 13 K 1158/10 1x (nicht zugeordnet)
- 1990 I R 178/86 1x (nicht zugeordnet)
- 2 GewStG 1999/20 1x (nicht zugeordnet)
- 2003 I R 19/02 1x (nicht zugeordnet)
- 2009 I R 102/08 1x (nicht zugeordnet)