Beschluss vom Bundesfinanzhof (4. Senat) - IV B 46/13

Gründe

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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhobenen Rügen sind ungeachtet der erheblichen Zweifel an der Zulässigkeit jedenfalls unbegründet.

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1. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung noch zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen.

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Bei der Rechtsfortbildungsrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) handelt es sich um einen speziellen Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). In den Fällen, in denen eine Entscheidung des Revisionsgerichts der Rechtsfortbildung dient, liegt deshalb regelmäßig auch eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vor (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 31. März 2010 IV B 131/08, BFH/NV 2010, 1487, m.w.N.). Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig ist (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 2. Dezember 2005 IV B 62/04, BFH/NV 2006, 543, unter 1. der Gründe). Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt, wenn sie nicht bereits durch die höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt ist oder wenn neue Gesichtspunkte zu Unsicherheiten in der Beantwortung der Rechtsfrage führen und eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. Mai 2010 IV B 19/09, BFH/NV 2010, 1480, und vom 20. Juni 2012 IV B 122/11, BFH/NV 2012, 1577, m.w.N.). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage nicht schon dann, wenn sie noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen ist; vielmehr ist erforderlich, dass ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt (BFH-Beschlüsse vom 1. September 2010 IV B 132/09, BFH/NV 2011, 27, und in BFH/NV 2012, 1577, m.w.N.).

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a) Die von der Klägerin sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Ausübung des steuerlichen Wahlrechts nach § 6c i.V.m § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) unwirksam sei, wenn sie nicht in dem von der Abgabenordnung (AO) vorgegebenen gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahren, sondern im Einkommensteuerverfahren erfolgt sei, mit der Konsequenz, dass der die Rücklagenbildung beinhaltende Bescheid unabhängig von seiner Bestandskraft mit Blick auf den Bescheid, in dem die --wirksam-- gebildete Rücklage aufzulösen wäre, nach § 174 Abs. 3 AO zu ändern sei, ist nicht klärungsfähig.

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Die Rechtsfrage geht von der unzutreffenden Prämisse aus, dass das Wahlrecht zur Bildung der Rücklage im falschen Veranlagungsverfahren ausgeübt worden ist. Dies ist aber nicht der Fall.

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Die Bildung einer Rücklage gemäß § 6b Abs. 3 EStG ist ein sog. Bilanzierungswahlrecht, welches bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG durch entsprechenden Ansatz oder die Auflösung einer Rücklage in der Steuerbilanz, bzw. bei der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen in der jeweiligen Sonderbilanz ausgeübt wird (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2012 IV R 41/09, BFHE 240, 73, BStBl II 2013, 313, m.w.N.). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der Klägerin zitierten BFH-Beschluss vom 25. Januar 2006 IV R 14/04 (BFHE 212, 231, BStBl II 2006, 418). Auch in dieser Entscheidung geht der BFH davon aus, dass das Wahlrecht bei der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen in der jeweiligen Sonderbilanz ausgeübt wird. Lediglich mit Blick auf die Besonderheiten des dort zu beurteilenden Sachverhaltes hat der BFH die ordnungsgemäße Ausübung des Wahlrechts durch Erfassung der Rücklage in der Sonderbilanz verneint. Denn die Sonderbilanz, in der die Rücklage gebildet wurde, war ohne Wissen des betroffenen Mitunternehmers nach dessen Ausscheiden aus der Mitunternehmerschaft von der Gesellschaft aufgestellt worden.

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Wird der Gewinn, wie auch im Streitfall, nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, gilt auf Grund der in § 6c EStG angeordneten entsprechenden Anwendung des § 6b EStG nichts anderes. Das Wahlrecht zur Bildung einer Rücklage wird ebenfalls im Rahmen der Gewinnermittlung, nämlich durch den Ansatz einer Betriebsausgabe in der Einnahmen-Überschussrechnung, ausgeübt.

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Für die ordnungsgemäße Ausübung des Wahlrechts kommt es nach dem Gesetzeswortlaut nicht darauf an, ob die Gewinnermittlung zusammen mit der Einkommensteuererklärung oder der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung eingereicht worden ist. Ausschlaggebend ist allein, dass die von dem Steuerpflichtigen eingereichte Gewinnermittlung Grundlage für die Festsetzung der Steuer bzw. für die Feststellung der Gewinneinkünfte geworden ist.

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Das Finanzgericht (FG) hat für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann bei dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) zusammen mit der Einkommensteuererklärung eine Einnahmen-Überschussrechnung vorgelegt haben, die sich auf den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Ehegatten bezog. Darin haben sie, was insoweit auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt wird, ihr Wahlrecht zur Bildung einer Rücklage gemäß § 6b i.V.m. § 6c EStG durch den Abzug einer entsprechend hohen Betriebsausgabe wirksam ausgeübt und damit den Veräußerungsgewinn neutralisiert. Diese Gewinnermittlung ist dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu Grunde gelegt worden. Dieser Gewinnfeststellungsbescheid ist bestandskräftig geworden. Weder für die Ausübung des steuerlichen Wahlrechts gemäß § 6b i.V.m. § 6c EStG noch für die Bestandskraft des Gewinnfeststellungsbescheides im Jahr der Rücklagenbildung (bzw. des Betriebsausgabenabzugs) ist es deshalb entscheidungserheblich, ob die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann für dieses Jahr eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft abgegeben hat.

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b) Die von der Klägerin des Weiteren aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein nach § 6c i.V.m. § 6b EStG wirksam ausgeübtes Wahlrecht bis zu dem Eintritt der formellen Bestandskraft konkludent rückgängig gemacht werden kann mit der Folge, dass eine Auflösung der ursprünglich gebildeten Rücklage (in einem Folgejahr) entfällt, ist schon nicht klärungsbedürftig, da sie eindeutig zu verneinen ist, und im Übrigen auch nicht klärungsfähig.

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aa) Das Wahlrecht auf Gewinnübertragung nach § 6b Abs. 3 i.V.m. § 6c EStG kann, wovon das FG ersichtlich auch ausgegangen ist und anders als das FA meint, bis zum Eintritt der formellen Bestandskraft der Steuerfestsetzung bzw. der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, in der der Veräußerungsgewinn zu erfassen ist, ausgeübt werden (u.a. BFH-Urteil vom 30. August 2001 IV R 30/99, BFHE 196, 507, BStBl II 2002, 49, m.w.N.). Das Wahlrecht besteht allerdings nicht nur insoweit, als der Steuerpflichtige eine zunächst nicht gebildete Rücklage bis zum Zeitpunkt der formellen Bestandskraft des vorgenannten Bescheides nachholen kann, sondern auch für den umgekehrten Fall, dass der Steuerpflichtige die zunächst gebildete Rücklage bis zur formellen Bestandskraft des Bescheides wieder rückgängig machen kann. Eine weiter gehende Begrenzung des Wahlrechts, wie sie sich für einen bilanzierenden Steuerpflichtigen durch die auf den Umfang einer Bilanzberichtigung eingeschränkte Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG ergibt, gibt es für den Steuerpflichtigen, der den Gewinn, wie auch hier, durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, nicht (BFH-Urteil in BFHE 196, 507, BStBl II 2002, 49).

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bb) Die Änderung des Wahlrechts setzt allerdings voraus, dass der Steuerpflichtige sein zunächst ausgeübtes Ansatzwahlrecht rückgängig macht. Hat der Steuerpflichtige sein Wahlrecht durch den Abzug einer Betriebsausgabe in Höhe der Rücklage in der Einnahmen-Überschussrechnung ausgeübt, setzt die erneute und andere Ausübung dieses Wahlrechts als actus contrarius notwendigerweise die Einreichung einer geänderten Einnahmen-Überschussrechnung voraus, in der nunmehr kein Betriebsausgabenabzug erfolgt. Eine konkludente Rückgängigmachung des Wahlrechts in dem von der Klägerin verstandenen Sinne alleine durch eine konkludente Erklärung gegenüber dem FA kommt mithin nicht in Betracht.

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cc) Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage wäre überdies in einem Revisionsverfahren auch nicht klärungsfähig. Denn das FG hat die Erklärungen der Klägerin gegenüber dem FA dahin gewürdigt, dass diese nicht als konkludente Rückgängigmachung des Wahlrechts auszulegen seien. Diese Würdigung ist für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend, da sie nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen wurde und auch ersichtlich nicht gegen die Denkgesetze verstößt.

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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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3. Von einer weiteren Begründung und insbesondere der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO abgesehen.

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