Beschluss vom Bundesfinanzhof (8. Senat) - VIII B 21/14

Tatbestand

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I. Der Beigeladene und Beschwerdeführer (Beigeladene) war in den Streitjahren 2005 und 2006 Mitgesellschafter einer GmbH und wandte sich erfolgreich in einem (unter dem Az. 11 K 2089/11 E geführten) Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) gegen den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) dieser Gesellschaft bei seiner Einkommensteuerveranlagung für die Streitjahre; in der mündlichen Verhandlung zu jenem Verfahren erklärten die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erklärt hatte, die gegen den Beigeladenen ergangenen Einkommensteuerbescheide unter Außerachtlassung der streitigen vGA zu ändern.

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Zu dem nunmehr vor dem FG anhängigen Verfahren des Mitgesellschafters gegen den entsprechenden Ansatz einer vGA bei dessen Einkommensteuerveranlagung für die Streitjahre (Az. des FG 12 K 3909/11 E) hat das FG den Beigeladenen auf Antrag des Beklagten nach § 174 Abs. 5 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) beigeladen.

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Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beigeladenen.

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Zur Begründung trägt er vor, aufgrund der Hauptsachenerledigung im Verfahren 11 K 2089/11 E stehe fest, dass für die Streitjahre bei ihm eine vGA der GmbH nicht mehr angesetzt werden könne.

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Er beantragt, den Beschluss aufzuheben.

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Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

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Da das Verfahren nicht durch Urteil, sondern nur aufgrund Hauptsachenerledigung durch Beschluss erledigt worden sei, stehe nicht eindeutig fest, dass bei dem Beigeladenen in der Einkommensteuerveranlagung für die Streitjahre eine vGA nicht mehr angesetzt werden könne.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist begründet; die Voraussetzungen für eine Beiladung des Beigeladenen nach § 174 Abs. 5 AO hat das FG zu Unrecht bejaht.

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1. Die Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO kommt für den Fall in Betracht, dass nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO im Anschluss an die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids auf Rechtsbehelf oder Antrag des Steuerpflichtigen --wegen irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts-- aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids gegenüber Dritten die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden sollen.

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Dies setzt nach § 174 Abs. 5 Satz 1 AO die Beteiligung des Dritten an dem Verfahren voraus, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO sieht dazu vor, dass die Beiladung des Dritten zu diesem Verfahren zulässig ist. Voraussetzung ist danach

        

a) dass ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist,

        

b) dass hieraus sich möglicherweise steuerliche Folgerungen für einen Dritten durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides ziehen lassen und

        

c) dass das Finanzamt die Beiladung veranlasst und beantragt hat (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. September 2001 V B 227/00, BFH/NV 2002, 158; vom 24. November 2010 II B 48/10, BFH/NV 2011, 408).

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Die der Rechtswahrung dienende Drittbeteiligung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn eindeutig feststeht, dass es zu einer Heranziehung des Dritten, z.B. wegen Festsetzungsverjährung, nicht mehr kommen, dieser also eindeutig rechtlich nicht betroffen sein kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. April 2003 III B 127/02, BFH/NV 2003, 887; vom 17. Oktober 2006 VIII B 90/06, BFH/NV 2007, 199, jeweils m.w.N.).

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Entbehrlich ist die Drittbeteiligung auch, wenn der belastende Ansatz beim Beigeladenen bereits erfolgt ist und darüber rechtskräftig entschieden wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 1. April 2008 I B 18/08, BFH/NV 2008, 1109, m.w.N.; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 174 Rz 74; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 174 Rz 129).

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Dies gilt gleichermaßen, wenn die Beteiligten den entsprechenden Rechtsstreit des Dritten durch übereinstimmende Erklärungen zugunsten des Dritten beendet haben. Diese Erklärungen beenden nämlich nach der Rechtsprechung den Rechtsstreit in gleicher Weise wie ein Urteil (vgl. BFH-Urteile vom 9. März 1972 IV R 170/71, BFHE 105, 3, BStBl II 1972, 466; vom 22. Mai 1984 VIII R 60/79, BFHE 141, 211, BStBl II 1984, 697).

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Die Beteiligten konnten ihre Erledigungserklärungen nicht widerrufen; durch sie wird die Prozesslage abschließend gestaltet (BFH-Urteil in BFHE 105, 3, BStBl II 1972, 466). Dies gilt insbesondere, wenn die übereinstimmenden Erledigungserklärungen auf der Zusage beruhen, streitige Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern (s. BFH-Urteil vom 14. Mai 2003 XI R 21/02, BFHE 202, 228, BStBl II 2003, 888, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 9. Juni 2011 VIII B 111/10, BFH/NV 2011, 1712), weil eine solche Zusage für das Finanzamt verbindlich ist (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 X R 1/80, BFHE 151, 118, BStBl II 1988, 121).

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2. Nach diesen Grundsätzen ist die Beiladung im Streitfall entbehrlich. Gegenüber dem Beigeladenen kommt der Ansatz einer vGA der GmbH in den Streitjahren wegen des von ihm dazu geführten und durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendeten Klageverfahrens --nach verbindlicher Zusage von Änderungsbescheiden ohne Ansatz der streitig gewesenen vGA-- ersichtlich nicht mehr in Betracht.

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3. Von einer Kostenentscheidung ist abzusehen, weil über den Beiladungsbeschluss im Beschwerdeverfahren im Sinne des Rechtsmittelantrags entschieden worden ist (s. BFH-Beschlüsse vom 16. September 2004 VI B 57/03, BFH/NV 2005, 71; vom 26. Juni 2012 IV B 108/11, BFH/NV 2012, 1620; vom 1. April 2014 XI B 145/13, juris).

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