Beschluss vom Bundesfinanzhof (5. Senat) - V B 1/14

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform der GbR eine türkische Pizzeria. Im Klageverfahren stritten die Beteiligten über die Hinzuschätzung von Umsätzen.

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Mit Beweisbeschluss vom 16. Oktober 2013 beschloss das Finanzgericht (FG), Beweis zu erheben über den Einkauf und die Zubereitung von Dönerspießen sowie der buchhalterischen Erfassung der Erlöse durch Vernehmung des A, des B, des C, des D, des E, des F und des G als Zeugen.

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Mit Beschluss vom 30. Oktober 2013 änderte das FG den Beweisbeschluss vom 16. Oktober 2013 dahingehend, dass Beweis erheben werden sollte über

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die Zubereitung der Dönerspieße durch Vernehmung des C und des D als Zeugen,

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die Behauptung der Klägerin, in der Vergangenheit hätten wiederholt Kunden von Y auf ihre Bestellung hin Spieße erhalten, die den Namen der Klägerin auf den Etiketten trugen durch Vernehmung des G als Zeugen.

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Zur Begründung der Änderung des Beweisbeschlusses führte das FG u.a. aus, die Zeugen B und F seien nach Auskunft der Klägerin in Haft und könnten so kurzfristig nicht mehr geladen bzw. vorgeführt werden.

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In der mündlichen Verhandlung vom 7. November 2013 vernahm das FG D und C als Zeugen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung wurde G nicht als Zeuge vernommen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte in der mündlichen Verhandlung die Vernehmung der Zeugen B, F, H, I und J als Zeugen und rügte vorsorglich bereits das Übergehen der Beweisanträge als Verfahrensfehler.

Entscheidungsgründe

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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

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1. Es liegt ein von der Klägerin in der erforderlichen Form (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) dargelegter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

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Das FG hat seine aus § 76 Abs. 1 FGO folgende Pflicht zur Sachaufklärung verletzt, indem es entgegen dem Beweisbeschluss vom 30. Oktober 2013 G nicht als Zeugen vernommen hat und indem es den von der Klägerin gestellten Antrag auf Vernehmung des J, des I, des B und des F als Zeugen übergangen hat.

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a) Dabei führt, entgegen der Auffassung der Klägerin, nicht bereits die Aufhebung des Beweisbeschlusses vom 16. Oktober 2013 durch den Beschluss vom 30. Oktober 2013 zu einem Verfahrensfehler, weil die Aufhebung eines Beweisbeschlusses ebenso im Ermessen des Gerichts steht wie dessen Erlass (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. August 2001 VII B 4/01, BFH/NV 2002, 76; vgl. auch BFH-Beschluss vom 30. September 2013 XI B 69/13, BFH/NV 2014, 166).

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b) Das FG durfte aber nicht ohne weiteres auf die mit Beschluss vom 30. Oktober 2013 beschlossene Vernehmung des G verzichten. Denn durch einen Beweisbeschluss entsteht eine Verfahrenslage, auf die die Beteiligten ihre Prozessführung einrichten dürfen. Sie können grundsätzlich davon ausgehen, dass das Urteil nicht eher ergehen wird, bis der Beweisbeschluss vollständig ausgeführt ist. Zwar ist das Gericht nicht verpflichtet, eine angeordnete Beweisaufnahme in vollem Umfang durchzuführen. Will es von einer Beweisaufnahme absehen, muss es aber zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung vor Erlass des Urteils die von ihm durch den Beweisbeschluss geschaffene Prozesslage wieder beseitigen. Dazu hat es für die Beteiligten unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, dass es den Beweisbeschluss als erledigt betrachtet (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2014, 166; vom 19. Dezember 2012 XI B 84/12, BFH/NV 2013, 745; vom 2. August 2013 XI B 97/12, BFH/NV 2003, 1791). Das ist nicht geschehen.

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c) Das FG durfte auch den Beweisantrag der Klägerin nicht übergehen.

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Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. Oktober 2013 III B 56/13, BFH/NV 2014, 62; vom 5. November 2013 VI B 86/13, BFH/NV 2014, 360; vom 29. Juni 2011 X B 242/10, BFH/NV 2011, 1715). Keiner dieser Ausnahmegründe lag hinsichtlich des im Streitfall gestellten Beweisantrags vor.

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Der Klägervertreter hat den Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß gestellt. Die Beweismittel waren nach dem insoweit maßgeblichen materiellen Rechtsstandpunkt des FG (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2014, 62; vom 14. Januar 2011 III B 96/09, BFH/NV 2011, 788) auch nicht unerheblich.

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aa) Das FG hat ausweislich der Urteilsbegründung von der Vernehmung des J und des I abgesehen, weil die Beweisanträge als wahr unterstellt werden könnten. Der Unsicherheit, die mit der Vertauschung von Etiketten verbunden sei, werde durch einen Sicherheitsabschlag in Höhe von 5.000 € ausreichend Rechnung getragen. Damit unterstellt das FG, dass die Vernehmung der Zeugen J und I nicht zu einer 5.000 € übersteigenden Korrektur führen werde. Auch wenn dies möglicherweise unwahrscheinlich erscheinen mag, verstößt das FG mit dieser Annahme gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung.

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bb) Das FG hält auch den Antrag auf Vernehmung des B und des F zu Unrecht für unerheblich, weil es im Rahmen der eigenen Schätzung davon überzeugt sei, dass die in den Produktionslisten ausgewiesenen Warenmengen … regelmäßig den Warenmengen entsprachen, die die Klägerin zuvor auch bestellt hatte. Auch insoweit nimmt das Gericht eine vorweggenommene Beweiswürdigung vor, weil es zu der im Beweisbeschluss vom 16. Oktober 2013 noch für entscheidungserheblich erachteten Frage des Einkaufs und der buchhalterischen Erfassung der Erlöse eine Auffassung zugrunde legt, die sich durch die Vernehmung der Zeugen möglicherweise als unzutreffend herausstellen könnte. Zudem hat das FG, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, in seinem geänderten Beweisbeschluss vom 30. Oktober 2013 den Eindruck erweckt, dass der Beweisbeschluss hinsichtlich der Zeugen B und F in erster Linie aufgehoben wurde, weil sie wegen deren Inhaftierung "...so kurzfristig nicht mehr geladen bzw. vorgeführt..." werden konnten. Das aber ist kein ausreichender Grund, um von der Vernehmung abzusehen.

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2. Der Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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