Urteil vom Bundesfinanzhof (3. Senat) - III R 13/14

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. Februar 2014  12 K 1957/13 aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist verheiratet und hat zwei Kinder, die im August 1994 geborene Tochter A und den im April 1996 geborenen Sohn B. Sie wohnte zunächst mit ihrer Familie in C, war bei der Staatsoper GmbH der Stadt C nichtselbständig tätig und erhielt Kindergeld für A vom seinerzeit zuständigen Arbeitsamt C --Kindergeldkasse--.

2

Anlässlich der Umstellung des Kindergeldes von einer Sozialleistung zur Steuervergütung am 1. Januar 1996 schrieb die Klägerin dem Arbeitsamt, dass das Kindergeld ab dem 1. Januar 1996 voraussichtlich von ihrem Arbeitgeber ausgezahlt werde. Die Familienkasse des Arbeitsamts C übersandte ihr daraufhin eine sog. Kindergeldbescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber (§ 73 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes a.F. --EStG a.F.--), die ab April 1996 auch B erfasste, für den die Klägerin im Juli 1996 ebenfalls beim Arbeitsamt C Kindergeld beantragt hatte.

3

Im Juli 1997 teilte die Arbeitgeberin der Klägerin der Familienkasse des Arbeitsamts C mit, dass sie das Kindergeld an die aus ihren Diensten ausgeschiedene Klägerin letztmals für den Monat Juli 1997 ausgezahlt habe. Daraufhin überwies die Familienkasse des Arbeitsamts C das Kindergeld ab August 1997 an die Klägerin und erinnerte sie einige Monate später, dass sie alle für den Kindergeldanspruch bedeutsamen Veränderungen ohne Aufforderung unverzüglich mitzuteilen habe.

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Im Dezember 2004 benachrichtigte die Klägerin die Familienkasse C von ihrem Umzug nach D. Tatsächlich war der Umzug bereits im Juli 1997 erfolgt. Die Kindergeldakte wurde daraufhin an die Familienkasse D der Bundesagentur für Arbeit abgegeben und der Zuständigkeitswechsel der Klägerin mitgeteilt, verbunden mit der Ankündigung, dass das Kindergeld ab Dezember 2004 von der Familienkasse D der Bundesagentur für Arbeit ausgezahlt werde. In diesem Schreiben wurde die Klägerin wiederum erinnert, alle Veränderungen in den für den Kindergeldanspruch bedeutsamen Verhältnissen unverzüglich anzuzeigen. Die Anzeigepflicht gelte auch für die Aufnahme einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst.

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Im September 2012 erfuhr die Familienkasse D der Bundesagentur für Arbeit, dass die Klägerin bereits seit dem 1. August 1997 bei dem Theater der Stadt D beschäftigt war und seit dem 1. August 1997 gemäß § 72 Abs. 1 EStG auch von der Familienkasse der Stadt D --als öffentlich-rechtlichem Arbeitgeber-- Kindergeld erhalten hatte. Die Klägerin hatte bereits am 25. August 1997 an die Stadt D (Personalamt --Familienkasse--) einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld an Angehörige des öffentlichen Dienstes gerichtet und die im Vordruck gestellte Frage, ob sie oder ihr Ehegatte oder eine andere Person für die eingetragenen Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, mit "nein" beantwortet. Die Frage, ob sie oder ihr Ehegatte in den letzten sieben Monaten im öffentlichen Dienst tätig gewesen sei, hatte die Klägerin mit "ja" beantwortet.

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Die Familienkasse der Stadt D hatte daraufhin mit Bescheid vom 12. September 1997 der Klägerin gegenüber das Kindergeld für die beiden Kinder festgesetzt und mitgeteilt, das Kindergeld werde fortan monatlich mit den Bezügen ausgezahlt.

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Nachdem die Familienkasse D der Bundesagentur für Arbeit Kenntnis von dem doppelten Bezug des Kindergeldes erlangt hatte, wies sie die Klägerin auf die Doppelzahlung in Höhe von 27.599,21 € für A und 27.599,22 € für B, Gesamtbetrag 55.118,43 €, hin und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2012 hob sie sodann die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum August 1997 bis September 2012 auf und forderte das überzahlte Kindergeld im Gesamtbetrag von 55.118,43 € zurück. Der Berechnung lag das für A und B insgesamt ausgezahlte Kindergeld zugrunde, der Bescheid bezeichnete aber namentlich nur A. Nachdem sie diesen Irrtum bemerkt hatte, erließ die Familienkasse D der Bundesagentur für Arbeit am 10. Januar 2013 einen nach § 129 der Abgabenordnung (AO) berichtigten Bescheid und hob mit diesem die Festsetzung des Kindergeldes nun für beide namentlich genannten Kinder, also auch für den Sohn B, rückwirkend ab August 1997 auf.

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Die von der Klägerin gegen beide Bescheide erhobenen Einsprüche wurden von der aufgrund eines Organisationsaktes zuständig gewordenen Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) als unbegründet zurückgewiesen.

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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage hinsichtlich der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für Januar 2002 bis September 2012 als unbegründet ab, gab ihr aber wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist für den Zeitraum August 1997 bis Dezember 2001 statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 1752).

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Zur Begründung der von ihr eingelegten Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts.

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Die Familienkasse beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit die Bescheide vom 21. Dezember 2012 und vom 10. Januar 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2013 in Bezug auf die Monate August 1997 bis Dezember 2001 aufgehoben wurden, und die Klage auch insoweit abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es der Klage stattgegeben hat, und zur Abweisung der Klage auch hinsichtlich der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate August 1997 bis Dezember 2001 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Aufhebungsbescheid vom 21. Dezember 2012 ist in seiner berichtigten Fassung vom 10. Januar 2013 auch hinsichtlich dieses Zeitraums rechtmäßig.

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1. Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes aufheben durfte.

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Wenn die zuständige Familienkasse --z.B. durch Eintritt oder Ausscheiden des Kindergeldberechtigten aus dem öffentlichen Dienst (§ 72 EStG)-- wechselt, kann die bisherige Kindergeldfestsetzung aufgehoben und das Kindergeld von der zuständig gewordenen Familienkasse neu festgesetzt werden. Stattdessen kann die Kindergeldzahlung aber auch auf Grundlage der bisherigen Festsetzung von der anderen Behörde fortgeführt werden (Senatsurteil vom 25. September 2014 III R 25/13, BFHE 247, 233, BFH/NV 2015, 99).

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Im Streitfall ist die Klägerin aber ununterbrochen im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen, nämlich bis zum 31. Juli 1997 in C und seit dem 1. August 1997 in D. Die Familienkasse des Arbeitsamts bzw. der Bundesagentur für Arbeit in D ist daher nicht zuständig geworden und konnte ihre Festsetzung aufheben. Ob sich ihre Änderungsbefugnis --wie das FG angenommen hat-- aus § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO, aus § 70 Abs. 2 EStG oder --was zutreffen dürfte-- aus § 174 Abs. 2 AO ergibt (so das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11. Dezember 2013 XI R 42/11, BFHE 244, 302, BStBl II 2014, 840), kann dahinstehen.

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2. Die Annahme des FG, für die Monate bis einschließlich Dezember 2001 sei Festsetzungsverjährung eingetreten, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

18

a) Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat die Klägerin das Kindergeld für A und B von August 1997 bis September 2012 doppelt bezogen, nämlich sowohl von der Familienkasse ihres öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers als auch von der gemäß § 72 EStG unzuständigen Familienkasse des Arbeitsamts bzw. der Bundesagentur für Arbeit in D. Das FG hat weiterhin zu Recht entschieden, dass der Klägerin eine Steuerhinterziehung vorzuwerfen ist (§ 370 Abs. 1 AO) und sich daher die Festsetzungsfrist auf zehn Jahre verlängert (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO); dies ist nunmehr zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

19

b) Das FG hat die Festsetzungsfrist indessen falsch berechnet. Da die Verfolgung der von der Klägerin begangenen Steuerhinterziehung noch nicht verjährt war, wurde der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 7 AO gehemmt.

20

aa) Nach § 171 Abs. 7 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO endet die Festsetzungsfrist in Fällen der Steuerhinterziehung oder der leichtfertigen Steuerverkürzung nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

21

bb) Die strafrechtliche Verfolgung vorsätzlicher Steuerverkürzungen verjährt, falls --wie im Streitfall-- nicht § 376 AO eingreift, in fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs --StGB-- i.V.m. § 370 Abs. 1 AO). Die Verfolgungsverjährung beginnt, sobald die Handlung beendet ist (§ 78a Satz 1 StGB). Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg jedoch erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt (§ 78a Satz 2 StGB).

22

Die Klägerin hat durch den zweifachen Bezug von Kindergeld, das als Steuervergütung gewährt wird (§ 31 Satz 3 EStG), nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Dies beruhte sowohl auf ihren i.S. des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO unrichtigen Angaben in dem an die Stadt D gerichteten Kindergeldantrag vom 25. August 1997, worin sie die Frage verneint hatte, ob sie anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, obwohl sie seit August 1997 Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamts C erhielt, als auch darauf, dass sie die Familienkasse des Arbeitsamts bzw. der Bundesagentur für Arbeit in D pflichtwidrig darüber in Unkenntnis ließ (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), dass sie seit August 1997 bei einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber beschäftigt war.

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Der Erfolg ihrer Handlung bzw. der pflichtwidrigen Unterlassung trat erst mit der letzten Auszahlung ein, d.h. der Auszahlung des Kindergeldes für September 2012. Aus dem das Kindergeldrecht beherrschenden Monatsprinzip (§ 66 Abs. 2 EStG) ist nicht herzuleiten, dass jede monatliche Auszahlung eine beendete Steuerstraftat darstellt, was zur Folge hätte, dass mit jeder Auszahlung für den jeweiligen Monat auch die Verfolgungsverjährung begänne. Zur Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 26. Juni 2014 III R 21/13 (BFHE 247, 102, BFH/NV 2015, 248).

24

Die Festsetzungsfrist war somit weder bei Erlass des Aufhebungsbescheids vom 21. Dezember 2012 noch im Zeitpunkt der Bekanntgabe des gemäß § 129 AO berichtigten Bescheids vom 10. Januar 2013 abgelaufen.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 1 FGO.

26

4. Der Senat erkennt mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).

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