Beschluss vom Bundesfinanzhof (6. Senat) - VI S 10/14

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

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I. Durch Urteil vom 21. Mai 2014  1 K 271/11, dem Kläger zugestellt am 2. Juli 2014, wies das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern (FG) die vom Kläger und Antragsteller (Antragsteller) erhobenen Klagen teils als unzulässig, teils als unbegründet ab. Die Revision ließ das FG nicht zu.

2

Dagegen legte der Antragsteller mit eigenem Schriftsatz vom 17. Juli 2014, beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen am 21. Juli 2014, "Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision" ein und bat darum, dass ihm ein Pflichtbeistand zur Seite gestellt wird.

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Mit Schreiben vom 25. Juli 2014 wies die Senatsgeschäftsstelle den Antragsteller bezüglich der Nichtzulassungsbeschwerde auf den Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hin. Ferner teilte sie ihm unter Verweis auf die Rechtsprechung des BFH mit, dass die Beiordnung eines Rechtsbeistandes voraussetze, dass der Beteiligte mehr als vier zur Vertretung befugte Personen nachweislich vergeblich um die Übernahme des Mandats gebeten habe, und bat den Antragsteller um entsprechende Ergänzung seines Antrags bis zum 20. August 2014.

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Mit Schreiben vom 15. August 2014 beantragte der Antragsteller für die Darlegung seiner vergeblichen Bemühungen um eine Mandatsübernahme Fristverlängerung bis zum 30. September 2014. Zugleich erläuterte er, dass er sich um eine Mandatsübernahme bemühe und dass ihm insoweit bereits ein Rechtsanwalt einen Gesprächstermin zugesagt habe und die Terminvereinbarung mit einem zweiten Rechtsanwalt aufgrund dessen urlaubsbedingter Abwesenheit bislang erfolglos geblieben sei. Zudem erklärte er, dass er mit seinem Schriftsatz vom 17. Juli 2014 darum gebeten habe, ihm einen Pflichtbeistand zur Seite zu stellen, damit die Beschwerdeeinlegung durch eine vertretungsberechtigte Person erfolgen könne.

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Mit Schreiben vom 21. August 2014 lehnte die Senatsvorsitzende den Antrag auf Fristverlängerung ab. Der Antragsteller brachte darauf mit Schreiben vom 30. September 2014 vor, dass zwei Anwälte die Übernahme des Mandats abgelehnt hätten.

Entscheidungsgründe

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II. Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts ist --jedenfalls-- unbegründet.

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1. Der Senat versteht das Vorbringen des Antragstellers als Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 155 FGO i.V.m. § 78b der Zivilprozessordnung (ZPO) und nicht als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG und auch nicht als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Vertreters für das Rechtsmittelverfahren.

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Im Rahmen der Auslegung von Rechtsbehelfen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH darauf abzustellen, was dem wirklichen Willen und dem Ziel des Rechtsbehelfsführers bei verständiger Würdigung am besten entspricht (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 2. November 2004 X B 59/04, BFH/NV 2005, 209; vom 30. November 2011 VI B 22/11, BFH/NV 2012, 436, und vom 8. Februar 2012 IV B 76/10, BFH/NV 2012, 1172).

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Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2014 hat der Antragsteller zwar ausdrücklich "Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil 1 K 271/11 des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern" eingelegt und um Beiordnung eines Pflichtbeistands gebeten. Auf den Hinweis der Senatsgeschäftsstelle auf den beim BFH geltenden Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 FGO hat er sein Begehren jedoch mit Schreiben vom 15. August 2014 dahingehend konkretisiert, dass er um Beiordnung eines "Pflichtbeistands" bitte. Dabei brachte er nicht zum Ausdruck, dass er die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder auf Raten erbringen könnte. Bei verständiger Würdigung ist das Vorbringen des Antragstellers deshalb in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu Gunsten des Antragstellers (Vermeidung von Gerichtskosten) ausschließlich als Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78b ZPO auszulegen.

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2. Dieser Antrag unterliegt auch im zeitlichen Anwendungsbereich der seit dem 1. Juli 2008 geltenden Neufassung des § 62 Abs. 4 FGO nicht dem Vertretungszwang. Denn der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts dient gerade dazu, einen --gesetzlich zwingend erforderlichen-- Prozessbevollmächtigten zu finden. Dieser Gesetzeszweck gebietet eine entsprechende teleologische Reduktion des § 62 Abs. 4 Satz 2 FGO, da ansonsten die Vorschrift des § 78b ZPO gerade in den typischen Fallgestaltungen, die von ihr erfasst werden sollen, leer liefe und ein effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) nicht gewährleistet wäre (BFH-Beschluss vom 18. Juni 2014 X S 13/14, BFH/NV 2014, 1565).

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3. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

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Nach § 78b ZPO, der gemäß § 155 FGO in Verfahren der Finanzgerichtsbarkeit entsprechend anwendbar ist, hat das Prozessgericht, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Senat kann nicht feststellen, dass der Antragsteller keinen vertretungsberechtigten Rechtsanwalt findet (a), zudem ist die Rechtsverfolgung aussichtslos (b).

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a) § 78b ZPO setzt bei einem Verfahren vor einem Bundesgericht voraus, dass der Beteiligte substantiiert vorträgt, welche zur Vertretung berechtigten Personen er innerhalb der Rechtsmittelfrist (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juli 1999  9 B 333/99, Deutsches Verwaltungsblatt 1999, 1662) um die Übernahme des Mandats gebeten hat und dass diese aus anderen Gründen als der Nichtzahlung eines Vorschusses das Mandat abgelehnt haben (BFH-Beschluss vom 17. Januar 2005 V S 15/04 (PKH), V S 16/04 (PKH), BFH/NV 2005, 1107). Für ein Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) müssen jedenfalls mehr als vier der dort zugelassenen Rechtsanwälte erfolglos um die Mandatsübernahme ersucht worden sein (BGH-Beschluss vom 25. Januar 2007 IX ZB 186/06, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2007, 635). Für den BFH muss dies erst recht gelten. Der Kreis der hier zur Vertretung berechtigten Personen ist um ein Vielfaches größer als die Anzahl der vor dem BGH vertretungsberechtigten Rechtsanwälte (BFH-Beschluss vom 4. Mai 2010 VI B 41/10, BFH/NV 2010, 1476).

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aa) Vorliegend hat der Antragsteller mit seinem Schriftsatz vom 17. Juli 2014 die Beiordnung eines Pflichtbeistands beantragt, ohne dass dieser Antrag Ausführungen zu vergeblichen Versuchen der Beauftragung eines Rechtsbeistandes enthielt. Auf entsprechenden Hinweis der Senatsgeschäftsstelle ergänzte der Antragsteller mit seinem Schreiben vom 15. August 2014 seinen Antrag um die Ausführungen, dass er sich darum "bemühe, den Nachweis einer Mandatsübernahme" zu erbringen. Ein Rechtsanwalt habe ihm bereits einen Gesprächstermin zugesagt, die Terminvereinbarung mit einem zweiten Rechtsanwalt sei aufgrund dessen urlaubsbedingter Abwesenheit bisher erfolglos geblieben. Diese Angaben genügen den Erfordernissen der dargestellten Rechtsprechung jedoch nicht. Denn aus diesem Vorbringen ergibt sich gerade nicht, dass der Antragsteller mehr als vier erfolglose Versuche der Mandatierung eines Rechtsbeistandes unternommen hat und dass die Ablehnung der Vertretung jeweils nicht auf der Nichtzahlung eines Gebührenvorschusses beruht.

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bb) Die Sache ist entscheidungsreif. Dem --nach Ablauf der Rechtsmittelfrist-- gestellten Fristverlängerungsantrag bis zum 30. September 2014 war nicht zu entsprechen.

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Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 155 FGO i.V.m. § 78b ZPO ist innerhalb der Rechtsmittelfrist zu stellen (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 62 Rz 72) und zu begründen. Der dem Antragsteller von der Senatsgeschäftsstelle eingeräumten Möglichkeit, den Antrag bis zum 20. August 2014 zu ergänzen, kam der Antragsteller nicht in substantiierter Weise nach (siehe aa). Dem am 18. August 2014 eingegangenen Antrag auf Fristverlängerung bis zum 30. September 2014 war nicht stattzugeben. Zwar hat der Antragsteller diesen innerhalb der von der Senatsgeschäftsstelle gewährten Frist bis zum 20. August 2014 und damit rechtzeitig gestellt (vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 54 Rz 13 i.V.m. Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 224 Rz 7). Eine Fristverlängerung ist aber nur bei Vorliegen erheblicher Gründe zu gewähren (vgl. Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 54 Rz 13 i.V.m. Zöller/Stöber, a.a.O., § 224 Rz 6). Dem Fristverlängerungsgesuch sind solche jedoch nicht zu entnehmen. Insbesondere hat der Antragsteller nicht vorgetragen, weshalb er bislang nicht nachweisen konnte, dass er innerhalb der Rechtsmittelfrist mindestens vier zur Vertretung befugte Personen vergeblich um die Übernahme des Mandats gebeten hat oder warum ihm dies innerhalb der Frist nicht möglich war. Das ergibt sich auch nicht aus den nach Fristablauf eingegangenen Schriftsätzen vom 2. und 30. September 2014.

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b) Schließlich ist die Rechtsverfolgung auch ohne Aussicht auf Erfolg. Das gilt zwar nicht allein deshalb, weil innerhalb der Frist kein zur Vertretung vor dem BFH Berechtigter die Beschwerde eingelegt hat. Denn insoweit käme nach denselben Grundsätzen wie in Verfahren betreffend die Bewilligung von PKH die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, wenn der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts rechtzeitig und mit den erforderlichen Angaben gestellt worden wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 20. September 2013 X S 32/13, BFH/NV 2014, 57). An Letzterem fehlt es aber. Der Antragsteller hat die gebotenen Angaben weder rechtzeitig gemacht noch auf Aufforderung nachgereicht, so dass auch eine diesbezügliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht kommt.

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4. Das Verfahren betreffend die Beiordnung eines Notanwalts ist ein unselbständiges Zwischenverfahren. Gerichtsgebühren entstehen hierfür nicht (BFH-Beschluss vom 11. Oktober 2012 VIII S 20/12, BFH/NV 2013, 219, und in BFH/NV 2005, 1107).

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