Urteil vom Bundesfinanzhof (6. Senat) - VI R 71/13
Tenor
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Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 24. April 2013 1 K 764/11 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Sächsische Finanzgericht zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger zu 1. (Kläger zu 1.) wurde für das Streitjahr (2009) zusammen mit seiner im Streitjahr verstorbenen Ehefrau (E) zur Einkommensteuer veranlagt. Erben nach E sind der Kläger zu 1. und die in den Jahren 1999 und 2001 geborenen Kinder, die Kläger und Revisionskläger zu 2. und 3.
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E war in einer gesetzlichen Krankenkasse krankenversichert.
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Im November 2007 begab sich E in einem fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung in die Klinik … in X (K-Klinik). Bei der K-Klinik handelte es sich nicht um eine Vertragsklinik der gesetzlichen Krankenkassen.
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Nach einer zwischen E und der Krankenkasse getroffenen Vereinbarung übernahm die Krankenkasse 50 % der Kosten der stationären Behandlung der E in der K-Klinik. Die von der Krankenkasse nicht getragenen Kosten der stationären Behandlung zahlte der Kläger zu 1.
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E schloss mit Frau F, die im Streitjahr nicht zur Ausübung der Heilkunde zugelassen war, im Dezember 2007 eine Vereinbarung über eine Reikibehandlung.
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An ihrem Todestag hatte E Forderungen gegenüber einer Sparkasse in Höhe von 12.416 € und gegenüber einer Bausparkasse in Höhe von 8.103 €.
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In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger zu 1. verschiedene Aufwendungen, die anlässlich der Behandlung der Erkrankung der E entstanden und nicht von der Krankenkasse übernommen worden seien, sowie Bestattungskosten als außergewöhnliche Belastungen geltend.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die geltend gemachten Aufwendungen anlässlich der Behandlung der E teilweise und zog hiervon eine zumutbare Belastung gemäß § 33 Abs. 1, Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab. Die Bestattungskosten ließ das FA nicht zum Abzug zu.
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In den Einspruchsentscheidungen erkannte das FA nach einem Hinweis auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung nur noch einen geringeren Betrag als außergewöhnliche Belastungen an.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage überwiegend ab.
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Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
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Während des Revisionsverfahrens erließ das FA einen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung gestützten Änderungsbescheid. In diesem Bescheid berücksichtigte das FA außergewöhnliche Belastungen nur noch in Höhe von 3.465 €, so dass sich nach Abzug der zumutbaren Belastung keine Überbelastung mehr ergab. Zur Begründung des Änderungsbescheids führte das FA aus, die Krankenkasse habe im Jahr 2013 Krankheitskosten in Höhe von 3.399,81 € erstattet. Die entsprechenden Krankheitskosten habe das FA bisher als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. In späteren Jahren gezahlte Ersatzleistungen würden die Belastung im Jahr der Verausgabung rückwirkend mindern.
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Hierzu tragen die Kläger vor, das FA habe die außergewöhnlichen Belastungen rechtsfehlerhaft um die im Jahr 2013 erfolgte Zahlung der Krankenkasse gekürzt. Die Zahlung sei nicht geleistet worden, um die im Streitjahr entstandenen und als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigten Krankheitskosten auszugleichen, sondern um Fehler der Krankenkasse abzugelten und den Kläger zu 1. weiterhin als Versicherungsnehmer zu halten. Die Zahlung sei zudem allein an den Kläger zu 1. erfolgt. Eine Verrechnung mit Krankheitskosten der E sei auch deshalb nicht zulässig.
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Die Kläger beantragen,
1.
das FG-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 12. November 2013 dahin abzuändern, dass ein zu versteuerndes Einkommen von … € der Besteuerung zugrunde gelegt wird;
2.
hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zu den Fragen einzuholen, ob
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a)
die gesetzliche Regelung zur "zumutbaren Belastung" in § 33 EStG verfassungswidrig ist, wenn damit indisponibles Einkommen zur Abwehr einer tödlichen Erkrankung der Besteuerung unterworfen wird und
b)
die einfachgesetzlich vorgesehene Rückwirkung des Formalnachweises in § 64 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung verfassungswidrig ist, wenn der Steuerpflichtige im Rückwirkungszeitraum im Vertrauen auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) disponiert hat;
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3.
hilfsweise, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist nach §§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 127 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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1. Nach § 127 FGO kann der BFH das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverweisen, wenn während des Revisionsverfahrens ein geänderter Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Eine Zurückverweisung der Sache an das FG ist regelmäßig geboten, wenn der Bescheid einen neuen Streitpunkt enthält (BFH-Urteil vom 6. Oktober 2009 IX R 5/09, BFH/NV 2010, 654).
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So verhält es sich im Streitfall. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid in der Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen wurde während des Revisionsverfahrens durch den Änderungsbescheid vom 12. November 2013 ersetzt.
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Dieser Änderungsbescheid wurde nach § 121 i.V.m. § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens. Da dem Urteil des FG ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt, kann es keinen Bestand haben (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 15. Mai 2013 VI R 28/12, BFHE 241, 200, BStBl II 2013, 737).
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Der Senat macht von der Möglichkeit des § 127 FGO Gebrauch.
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Die Aufhebung der Vorentscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das FG käme nur dann nicht in Betracht, wenn der Änderungsbescheid keine gegenüber den bisherigen Belastungen verbösernde Entscheidung enthält oder die geänderte Entscheidung nicht streitig ist (BFH-Urteile in BFH/NV 2010, 654, und vom 10. Oktober 2012 VIII R 44/10, BFH/NV 2013, 359; BFH-Beschluss vom 30. Juli 2014 IX B 151/13, BFH/NV 2014, 1580, m.w.N.). Beides ist hier nicht der Fall. In dem Änderungsbescheid hat das FA --zu Lasten der Kläger-- die außergewöhnlichen Belastungen weiter herabgesetzt. Die Kläger haben die Rechtmäßigkeit der Minderung der außergewöhnlichen Belastungen in Abrede gestellt.
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Hierzu hat das FG keine Feststellungen getroffen; im zweiten Rechtsgang wird das FG die Rechtmäßigkeit dieser Besteuerung zu prüfen haben.
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Angesichts der aus verfahrensrechtlichen Gründen gebotenen Zurückverweisung ist inhaltlich zu der Revision im Übrigen nicht mehr Stellung zu nehmen.
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2. Der Senat sieht keinen sachlichen Grund, die Streitsache, wie von den Klägern beantragt, an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen.
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Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 563 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung kann der BFH die Rechtssache an einen anderen Senat des FG zurückverweisen. Da die Zurückverweisung an einen anderen Senat das Recht des Betroffenen auf seinen gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) berührt, setzt sie besondere sachliche Gründe voraus, um eine willkürfreie Ermessensausübung zu gewährleisten. So kommt die Zurückverweisung an einen anderen Senat in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit des erkennenden Senats des FG bestehen (BFH-Urteile vom 25. November 2009 I R 18/08, BFH/NV 2010, 941, und vom 18. April 2013 VI R 29/12, BFHE 240, 570, BStBl II 2013, 735).
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Hierfür liegen im Streitfall keine zureichenden Anhaltspunkte vor. Da sich die Frage einer Zurückverweisung regelmäßig nur bei rechtsfehlerhafter Vorentscheidung stellt --die im Streitfall im Hinblick auf die Zurückverweisung der Sache an das FG aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht einmal feststeht--, kann die Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG nicht allein mit der klägerseits geltend gemachten Unrichtigkeit des Urteils begründet werden. Auch die vom Sächsischen Datenschutzbeauftragten ausgesprochene Beanstandung des Sächsischen FG nach § 29 des Sächsischen Datenschutzgesetzes wegen der unzureichenden Anonymisierung der Vorentscheidung reicht nicht aus, um auf eine unsachliche oder unfaire Einstellung des 1. Senats des FG gegenüber den Klägern schließen zu können.
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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Referenzen
- 2014 IX B 151/13 1x (nicht zugeordnet)
- 2012 VIII R 44/10 1x (nicht zugeordnet)
- 2009 IX R 5/09 1x (nicht zugeordnet)
- 2009 I R 18/08 1x (nicht zugeordnet)
- 1 K 764/11 1x (nicht zugeordnet)
- 2013 VI R 29/12 1x (nicht zugeordnet)
- 2013 VI R 28/12 1x (nicht zugeordnet)