Urteil vom Bundesfinanzhof (8. Senat) - VIII R 29/13
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 10. April 2013 4 K 2910/10 aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) deshalb keinen Investitionsabzugsbetrag gemäß § 7g Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes (UntStRefG) 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) --EStG-- bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit bilden darf, weil er die maßgebliche Gewinngrenze überschreitet.
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Der Kläger und seine Ehefrau, die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr (2008) als Arzt selbständige Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Für das Streitjahr erklärte er einen Gewinn aus selbständiger Arbeit in Höhe von 64.088 €. Hierin enthalten waren die Auflösung einer für das Kalenderjahr 2006 gebildeten Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. in Höhe von 89.450 € und ein Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG a.F. in Höhe von 10.734 €. Darüber hinaus beantragte er die Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags in Höhe von 122.400 €, der ebenfalls im angegebenen Gewinn berücksichtigt war.
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Der Beklagte und Revisionkläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte den beantragten Investitionsabzugsbetrag im unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) stehenden Einkommensteuerbescheid 2008 vom 18. Februar 2010 nicht und führte zur Begründung aus, dass der Gesamtgewinn die Gewinngrenze des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG in Höhe von 100.000 € überschreite.
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Hiergegen legten die Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein. Am 23. März 2010 erging ein wegen anderer Punkte nach § 164 Abs. 2 AO geänderter Einkommensteuerbescheid für 2008. Gleichzeitig wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
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Zur Begründung des Einspruchs trugen die Kläger vor, der Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 122.400 € sei zu gewähren, weil der für die Gewinngrenze maßgebliche Gewinn aus selbständiger Arbeit 86.304 € (64.088 € – 89.450 € – 10.734 € + 122.400 €) betrage. Denn nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG beeinflusse weder der Investitionsabzugsbetrag noch seine Auflösung die Gewinngrenze von 100.000 €.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 4. August 2010 wies das FA den Einspruch, soweit er den beantragten Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 122.400 € betraf, als unbegründet zurück.
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Der dagegen erhobenen Klage hat das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 1386 veröffentlichten Gerichtsbescheid vom 10. April 2013 4 K 2910/10 stattgegeben.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG i.V.m § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG.
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Der Wortlaut des § 7g EStG sehe nicht vor, dass neben Investitionsabzugsbeträgen auch Ansparabschreibungen für die Ermittlung der Gewinngrenze unberücksichtigt bleiben sollten.
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Im Übrigen müsse die Vorschrift im Zusammenhang mit § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG gelesen werden, da § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG die Anwendung des § 7g EStG a.F. im Übergangszeitraum regele. In der Gesetzesbegründung zu § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG heiße es:
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"Investitionsabzugsbeträge können erstmals in nach dem Tag der Verkündung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 im Bundesgesetzblatt endenden Wirtschaftsjahren berücksichtigt werden. Gleichzeitig wird klargestellt, dass die vor diesen Wirtschaftsjahren gebildeten Ansparabschreibungen nach den bisherigen Regelungen des alten § 7g Abs. 3 ff. zu bilden und aufzulösen sind. Dabei ist die Besonderheit zu beachten, dass noch nicht gewinnerhöhend aufgelöste Ansparabschreibungen den Höchstbetrag des § 7g Abs. 1 Satz 4 vermindern. Dadurch wird sichergestellt, dass die Höchstbeträge des alten und des neuen § 7g nicht nebeneinander gewährt werden. Wurden z.B. zulässigerweise Existenzgründerrücklagen bis zum Höchstbetrag von 307 000 Euro passiviert, können solange keine Investitionsabzugsbeträge geltend gemacht werden, bis die Existenzgründerrücklagen den Betrag von 200 000 Euro unterschreiten." (BTDrucks 16/4841, S. 72 zu Buchst. h).
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Der Gesetzgeber habe danach das alte Recht für bestehende Ansparabschreibungen fortgelten lassen wollen.
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Das FA beantragt, den angefochtenen Gerichtsbescheid der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Zu Unrecht hat das FG die Gewinnerhöhung aus der Auflösung der früheren Ansparabschreibung des Klägers nebst Gewinnzuschlag bei der Prüfung der Gewinngrenze für die Gewährung des Investitionsabzugsbetrags nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG in Höhe von 100.000 € für unbeachtlich gehalten.
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1. Der Investitionsabzugsbetrag gemäß § 7g Abs. 1 EStG kann nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG nur in Anspruch genommen werden, wenn der Betrieb, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, am Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem der Abzug vorgenommen wird, ohne Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrags einen Gewinn von 100.000 € nicht überschreitet.
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a) Die Gewinngrenze des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG von 100.000 € gilt gemäß § 52 Abs. 23 Satz 5 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung steuerrechtlicher Regelungen des Maßnahmenpakets "Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung" vom 21. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2896) auch im Streitjahr. Lediglich in Wirtschaftsjahren, die nach dem 31. Dezember 2008 und vor dem 1. Januar 2011 enden, ist § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei Betrieben, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, ohne Berücksichtigung von Investitionsabzugsbeträgen ein Gewinn von 200.000 € nicht überschritten wird.
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b) Für die Frage, ob der Kläger im Streitjahr die Gewinngrenze des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG von 100.000 € überschritten hat, sind die Auflösung der Ansparabschreibung, die der Kläger in einem Vorjahr nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. gebildet hat, und der Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG a.F. entgegen der Auffassung des FG gewinnerhöhend zu berücksichtigen (ebenso Sächsisches FG, Urteil vom 10. November 2011 2 K 1272/11, juris, rechtskräftig nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 29. Mai 2012 IV B 153/11; Niedersächsisches FG, Urteil vom 3. Dezember 2013 12 K 290/11, juris, Revision anhängig unter X R 2/14 sowie die Auffassung im Schrifttum vgl. Blümich/ Brandis, § 7g EStG Rz 56; Bugge, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 7g Rz B 18; Meyer in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 7g EStG Rz 50 "Auflösung von Ansparrücklagen"; so auch Rz 13 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. November 2013 IV C 6-S 2139-b/07/10002, 2013/1044077, BStBl I 2013, 1493; zur Fortgeltung des alten Rechts für die Abwicklung von Ansparabschreibungen s. FG Düsseldorf, Urteil vom 2. Mai 2012 15 K 453/10 E, EFG 2012, 1335).
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Die davon abweichende Auffassung des FG kann § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG weder nach seinem Wortlaut noch nach seiner Systematik oder seinem Zweck entnommen werden.
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(1) Schon der Wortlaut der Regelung lässt die erweiterte Auslegung der Vorinstanz nicht zu.
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Mangels einer eigenen Gewinndefinition in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG ist nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG als Gewinn der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben anzusetzen (ebenso Sächsisches FG, Urteil vom 10. November 2011 2 K 1272/11, juris). Zu den Betriebseinnahmen und zu den Betriebsausgaben gehören bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, gemäß § 7g Abs. 6 EStG a.F. auch die Bildung und Auflösung einer Rücklage nach § 7g Abs. 3 bis 5 EStG a.F. mit der Folge, dass die hier streitbefangene Auflösung der Ansparrücklage nebst Gewinnzuschlag als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln ist.
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(2) Ebenso wie dem Wortlaut der Vorschrift kann auch den Gesetzesmaterialien ein Wille des Gesetzgebers, dem neugefassten § 7g EStG einen nur auf diese Vorschrift bezogenen eigenen Gewinnbegriff zugrunde zu legen, nicht entnommen werden.
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Insbesondere ergeben sich für die Ansicht der Vorinstanz, der Gesetzgeber habe --ohne entsprechende Abbildung im Wortlaut der Vorschrift-- im Rahmen des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG die allgemeine Leistungskraft eines Unternehmens und nicht den sich nach den handels- und steuerrechtlichen Vorschriften ergebenden Gewinn berücksichtigen wollen, aus den Gesetzesmaterialien zum UntStRefG 2008 keine Anhaltspunkte (so zu Recht Niedersächsisches FG, Urteil vom 3. Dezember 2013 12 K 290/11, juris, unter Bezugnahme auf BTDrucks 16/5377, S. 11 ff.; BTDrucks 16/4841, S. 51 ff.; BTDrucks 16/5491, S. 17 f.).
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(3) Demnach kann mangels gesetzlicher Grundlage entgegen der Vorinstanz nicht von einem abweichenden Gewinnbegriff für die Bestimmung der Gewinngrenze in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG --i.S. einer (vom FG befürworteten) Beschränkung auf den "realen wirtschaftlich erzielten Gewinn des jeweiligen Kalenderjahres"-- ausgegangen werden (Sächsisches FG, Urteil vom 10. November 2011 2 K 1272/11, juris).
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2. Die Sache ist spruchreif; das finanzgerichtliche Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Referenzen
- 4 K 2910/10 1x (nicht zugeordnet)
- 2012 IV B 153/11 1x (nicht zugeordnet)
- 4 K 2910/10 1x (nicht zugeordnet)
- X R 2/14 1x (nicht zugeordnet)
- 12 K 290/11 2x (nicht zugeordnet)
- 15 K 453/10 1x (nicht zugeordnet)
- 2 K 1272/11 3x (nicht zugeordnet)