Beschluss vom Bundesfinanzhof (8. Senat) - VIII B 100/14

Tenor

Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 17. Juni 2014  12 K 208/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

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Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

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1. Die Rügen der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), das Finanzgericht (FG) habe bei seiner Entscheidungsfindung Tatsachenvortrag der Kläger nicht berücksichtigt, führen nicht zur Zulassung der Revision.

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a) Hierin liegt im Kern jeweils der Vorwurf, das FG habe entgegen seiner Verpflichtung aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO seiner Überzeugungsbildung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens, also nicht den gesamten konkretisierten Prozessstoff zu Grunde gelegt. Nach dieser Regelung ist das FG verpflichtet, insbesondere den Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. September 2007 IX B 199/06, BFH/NV 2008, 26; vom 18. Juni 2012 VI B 108/11, BFH/NV 2012, 1612).

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b) Voraussetzung des Vorliegens dieses Verfahrensfehlers ist unter anderem, dass sich dem FG ausgehend von dessen materiell-rechtlichem Standpunkt bei Berücksichtigung der geltend gemachten Tatsachen die vom Beschwerdeführer behaupteten Schlussfolgerungen hätten aufdrängen müssen (siehe BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 1612, unter Rz 11 zur Darlegungslast).

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aa) Das FG hat auf Seite 9 des Urteils unter Abschnitt 6 a dargelegt, materiell-rechtlicher Ausgangspunkt für seine Prüfung sei nach dem BFH-Urteil vom 17. Juni 2004 IV R 33/02 (BFH/NV 2005, 174), dass bei mehreren Erwerbstätigkeiten eines Steuerpflichtigen dessen Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre 2007 und 2008 jeweils anzuwendenden Fassung (EStG) gestuft zu bestimmen sei: Zunächst sei der Betätigungsmittelpunkt der jeweiligen Einzeltätigkeiten zu ermitteln, um sodann auf dieser Grundlage den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit festzulegen. Das FG knüpft somit an die ständige Rechtsprechung des BFH an, dass bei mehreren Erwerbstätigkeiten eines Steuerpflichtigen der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit nach dem Mittelpunkt der Haupttätigkeit zu bestimmen ist (BFH-Urteile vom 16. Juli 2014 X R 49/11, BFH/NV 2015, 177, unter Rz 39; vom 11. November 2014 VIII R 3/12, BFH/NV 2015, 559, unter Rz 32). Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer Einzeltätigkeit oder mehrerer Einzeltätigkeiten, nicht jedoch im Hinblick auf die übrigen Tätigkeiten, so muss das FG anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles wertend entscheiden, ob die Gesamttätigkeit gleichwohl einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt zugeordnet werden kann und ob dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt. Abzustellen ist dabei auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung, nicht auf die Vorstellung des betroffenen Steuerpflichtigen (BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 177, unter Rz 40).

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bb) Wie aus den Ausführungen unter Seite 9 in Abschnitt 6 b und auf Seite 11 des FG-Urteils ersichtlich ist, hat das FG bei seiner Würdigung auf dieser Grundlage die verschiedenen Erwerbstätigkeiten des Klägers als angestellter Chefarzt im B-Krankenhaus in A-Stadt einerseits und als Autor und Gutachter und für das Erstellen von Befunden für das C-Krankenhaus in D-Stadt im Rahmen seiner Tätigkeit aus selbständiger Arbeit andererseits gegenübergestellt. Es hat von diesen verschiedenen Erwerbstätigkeiten die Tätigkeit des Klägers als Chefarzt im B-Krankenhaus als Haupttätigkeit beurteilt, die auch seine Gesamttätigkeit qualitativ präge. Den Mittelpunkt der Haupttätigkeit hat es in der Klinik und nicht im häuslichen Arbeitszimmer gesehen, da der Kläger dort die für einen Chefarzt typischen Tätigkeiten ausgeführt habe. Den Mittelpunkt der selbständigen Tätigkeit des Klägers hat es hingegen im häuslichen Arbeitsraum verortet. Aus dem Mittelpunkt der Haupttätigkeit des Klägers hat das FG für die Gesamttätigkeit abgeleitet, deren Mittelpunkt liege am Mittelpunkt der Haupttätigkeit des Klägers in der Klinik.

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c) Die Kläger stützen sich nunmehr darauf, das FG habe bei seiner Gesamtwürdigung entscheidend darauf abgestellt, dass der Kläger arbeitstäglich 7,75 Stunden in der Klinik anwesend gewesen sei und habe somit ihren Vortrag nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger arbeitstäglich länger (8,22 Stunden pro Tag) in seinem häuslichen Arbeitsraum gearbeitet habe.

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Der gerügte Verfahrensfehler liegt aber nicht vor. Zum einen hat das FG auf Seite 3 im Tatbestand des Urteils den Vortrag des Klägers, er arbeite inklusive der Wochenenden 8,22 Stunden pro Tag im häuslichen Arbeitsraum, wiedergegeben und damit zur Kenntnis genommen. Zum anderen waren nach dem rechtlichen Standpunkt des FG die Zeitanteile, die der Kläger im häuslichen Arbeitszimmer für die Haupttätigkeit als Chefarzt und für seine Einkunftserzielung aus selbständiger Arbeit insgesamt aufgewendet hat, nicht vorrangig entscheidend, um zu begründen, dass die Chefarzttätigkeit des Klägers im Krankenhaus die qualitativ prägende Haupttätigkeit innerhalb der Gesamttätigkeit bilde. Auf Seite 9 des Urteils hat das FG hervorgehoben, bei der Würdigung, wo der qualitative Schwerpunkt der Gesamttätigkeit liege, "komme dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers lediglich eine indizielle Bedeutung zu". Auf Seite 10 und 11 des Urteils hat das FG seine Würdigung auf die Verkehrsanschauung gestützt, wo ein Chefarzt den inhaltlich prägenden Teil seiner Arbeit erbringe und hierbei die Umstände, dass der Kläger einen Teil seiner chefärztlichen Befundungen und Verwaltungsarbeiten für die Klinik im häuslichen Arbeitszimmer ausgeführt hat, ausdrücklich berücksichtigt.

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Das FG hat daher den Vortrag des Klägers wahrgenommen und berücksichtigt, nur entgegen der Auffassung der Kläger den qualitativen und örtlichen Schwerpunkt von dessen Gesamttätigkeit am Mittelpunkt von dessen Haupttätigkeit als angestellter Chefarzt in der Klinik gesehen. Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt aber nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen gewürdigt hat. Insoweit handelt es sich um die Rüge materiell-rechtlicher Fehler des FG durch die Kläger, die im Beschwerdeverfahren grundsätzlich unbeachtlich sind, nicht aber um die Begründung eines Verfahrensverstoßes (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 1612, m.w.N.).

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d) Mit dem weiteren Vortrag, das FG habe das Vorbringen des Klägers, er erledige in erheblichem Umfang Verwaltungsarbeiten für die Klinik in seinem häuslichen Arbeitsraum, im Rahmen der Gesamtwürdigung nicht erörtert, vermögen die Kläger ebenfalls keinen Verstoß des FG gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO zu begründen. Wie sie selbst vortragen, hat das FG bei seiner Würdigung, der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers als Chefarzt sei in der Klinik zu verorten, sowohl dessen Befundungstätigkeit als auch die Verwaltungsarbeiten, die im häuslichen Arbeitszimmer erledigt wurden, in den Blick genommen. Es hat damit den Vortrag der Kläger auch insoweit berücksichtigt, nur in rechtlicher Hinsicht anders beurteilt, als die Kläger es für richtig halten. Hierin liegt wiederum die Rüge eines materiell-rechtlichen Fehlers des FG durch die Kläger, nicht aber die Rüge eines Verfahrensverstoßes (siehe vorgehend unter 1.c).

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e) Mit ihrem Vortrag, das FG habe bei der Entscheidungsfindung den Umstand nicht berücksichtigt, dass der Kläger in der Klinik seinen Schreibtisch nicht allein, sondern nur mit anderen Personen im Wechsel habe nutzen können, folgt ebenfalls kein Verstoß des FG gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Das FG ist auf Seite 5 des Urteils unter Abschnitt 1 a zugunsten des Klägers davon ausgegangen, dass ihm gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 EStG kein anderer Arbeitsplatz als der häusliche Arbeitsraum für seine Gesamttätigkeit zur Verfügung stand. Es hat im Streitfall trotz Berücksichtigung aller im häuslichen Arbeitszimmer ausgeführten Arbeiten des Klägers aber verneint, dass der häusliche Arbeitsraum wie nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 EStG erforderlich den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit darstelle (siehe oben unter 1.b). Vom Rechtsstandpunkt des FG aus war der Umstand, dass dem Kläger für seine Tätigkeiten als Chefarzt ein Schreibtisch in der Klinik nicht allein, sondern nur zur gemeinsamen Nutzung mit anderen zur Verfügung stand, unbeachtlich.

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2. Die Rügen, das FG habe gegen seine Sachaufklärungspflichten gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen, sind unbegründet.

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Die Kläger sehen einen solchen Verstoß darin, dass das FG von sich aus keine Untersuchungen zu Art, Dauer und Umfang der Tätigkeit des Klägers im häuslichen Arbeitszimmer --auch zu den Verwaltungsarbeiten für die Klinik-- angestellt habe. Für die Frage, ob das FG von sich aus den Sachverhalt hätte weiter aufklären müssen, ist aber dessen materiell-rechtlicher Standpunkt entscheidend (siehe BFH-Beschluss vom 9. März 2009 IX B 186/08, juris, unter 2.c). Da das FG innerhalb der verschiedenen Betätigungen des Klägers die Tätigkeit des Klägers als Chefarzt im B-Krankenhaus als qualitative Haupttätigkeit beurteilt und deren Mittelpunkt in der Klinik verortet hat (siehe oben unter 1.b), waren weitere Einzelheiten zu Art, Umfang und Dauer der im häuslichen Arbeitsraum ausgeführten Arbeiten für das FG nicht entscheidungserheblich.

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3. Mit dem Einwand, das FG habe den Zeitaufwand des Klägers für Dienstreisen als Teil seiner Tätigkeit als Chefarzt beurteilt und auch hieraus abgeleitet, diese sei die qualitative Haupttätigkeit im Rahmen seiner Gesamttätigkeit, rügen die Kläger die tatsächlichen Schlussfolgerungen des FG im Rahmen der Prüfung, welche Tätigkeit als prägende Haupttätigkeit für die Gesamttätigkeit anzusehen ist und wo deren Mittelpunkt liegt. Darlegungen zu einem Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO enthält das Vorbringen nicht.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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