Beschluss vom Bundesfinanzhof (3. Senat) - III B 154/14

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 4. Dezember 2014  9 K 1932/14 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

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I. Die aus X eingewanderte Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhielt Kindergeld für die beiden Mädchen A (geboren am …. April 1992) und B (geboren am …. Februar 1991). Im Antrag auf Kindergeld hatte sie angegeben, die beiden seien ihre Stiefkinder. Später kam die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) aufgrund von polizeilichen Ermittlungen zur Überzeugung, dass die Klägerin mit dem angeblichen Vater der Kinder, einem Herrn C, eine Scheinehe eingegangen sei. Die beiden Mädchen seien die Nichten der Klägerin. Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergeldes ab Februar 2007 auf. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

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Im anschließenden Klageverfahren führte das Finanzgericht (FG) am 23. Oktober 2014 eine mündliche Verhandlung durch, in der es die beiden Mädchen sowie Herrn C als Zeugen vernahm. Nach dem Inhalt der Niederschrift wurde die Klägerin aufgefordert, bis zum 10. November 2014 einen Vaterschaftstest vorzulegen. Außerdem verzichteten die Beteiligten für die weitere Entscheidung auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Durch Beschluss vom 3. November 2014 ordnete das Gericht die Beweiserhebung über die Vaterschaft durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Am 4. Dezember 2014 erging ohne eine weitere mündliche Verhandlung ein klageabweisendes Urteil. Das FG war aufgrund der Beweisaufnahme der Überzeugung, die beiden Mädchen seien nicht die leiblichen Töchter des C und damit nicht die Kinder des Ehegatten des Kindergeldberechtigten i.S. von § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes.

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Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Sie rügt in erster Linie einen Verfahrensmangel, weil das FG sein Urteil ohne abschließende mündliche Verhandlung gefällt habe, obwohl ein wirksamer Verzicht darauf nicht vorgelegen habe. Im Termin vom 23. Oktober 2014 hätten die Beteiligten lediglich erklärt, dass sie für die weitere Entscheidung auf eine mündliche Verhandlung verzichteten. Die weitere Entscheidung des Gerichts sei jedoch der Beweisbeschluss vom 3. November 2014 gewesen. Eine Einverständnis- und Verzichtserklärung beziehe sich nur auf die nächste Sachentscheidung. Eine Entscheidung, die ohne mündliche Verhandlung ergangen sei, sei bei einem nicht wirksamen Verzicht fehlerhaft, wie sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. August 2010 VIII R 36/08 (BFHE 231, 1, BStBl II 2011, 126) ergebe.

Entscheidungsgründe

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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

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1. Das FG hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (§ 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) sowie § 90 Abs. 1 FGO verletzt, da das Urteil ohne weitere mündliche Verhandlung ergangen ist. Zwar hatten die Beteiligten im Termin vom 23. Oktober 2014 auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet. Allerdings ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass sich der Verzicht nur auf die jeweils nächste Sachentscheidung bezieht (BFH-Beschluss vom 10. März 2005 X B 182/03, BFH/NV 2005, 1068; BFH-Urteil in BFHE 231, 1, BStBl II 2011, 126). Die Verzichtserklärung wurde durch den Beweisbeschluss vom 3. November 2014 "verbraucht". Das Gericht hätte deshalb einen weiteren Verzicht auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung herbeiführen oder einen weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung durchführen müssen.

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2. Der Senat hält es für sachgerecht, die Vorentscheidung nach § 116 Abs. 6 FGO aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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