Urteil vom Bundesfinanzhof (1. Senat) - I R 18/14
Tenor
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Die Revisionen des Klägers sowie des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 22. Januar 2014 4 K 2001/13 werden als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten je zur Hälfte zu tragen.
Tatbestand
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A. Der verheirate Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wohnte im Streitjahr (2009) mit seiner Ehefrau (EF) in Belgien. Beide waren im Inland als Arbeitnehmer beschäftigt. Das für die inländischen Arbeitgeber zuständige Betriebsstättenfinanzamt erteilte den Eheleuten gemäß § 39c Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 2002 jeweils eine Bescheinigung, derzufolge sie nach § 1 Abs. 3 EStG 2002 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und die Lohnsteuer für den Kläger nach Steuerklasse III sowie für seine EF nach Steuerklasse V einzubehalten ist.
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Mit Bescheid vom 22. August 2011 wurde der Kläger als beschränkt Steuerpflichtiger zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei setzte der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Betriebsstätten-/Finanzamt --FA--) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 140.604 € sowie Einkünfte aus der Vermietung eines im Inland belegenen Hauses in Höhe von - 7.294 € an. Bereits zuvor hatte das FA gegenüber EF mit Bescheid vom 28. Februar 2011 --ebenfalls unter der Annahme einer beschränkten Einkommensteuerpflicht-- die Einkommensteuer für die von ihr im Inland erzielten Lohneinkünfte (15.472 €) auf 899 € festgesetzt.
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Der Einspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 22. August 2011 war zunächst nur auf die Berücksichtigung der ungekürzten Vorsorgepauschale gerichtet. Während des Einspruchsverfahrens erklärte der Kläger, im Streitjahr inländische Gewinnausschüttungen in Höhe von 142.000 € sowie Zinsen in Höhe von 1.087,97 € erhalten zu haben. Zum Nachweis reichte er dem FA Kopien der Seiten 3 bis 5 des belgischen Einkommensteuerbescheids (Steuerschuld: 18.163,06 €) sowie den Bescheid des Bundeszentralamts für Steuern über die Erstattung von 10 % der (inländischen) Dividenden (10 % aus 142.000 € = 14.200 €) gemäß § 50d Abs. 1 EStG 2009 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 11. April 1967 --DBA-Belgien-- (BGBl II 1969, 18, BStBl I 1969, 39) ein. Das FA hat daraufhin mit geändertem Bescheid vom 19. Oktober 2011 zum einen die Vorsorgepauschale in der beantragten Höhe gemäß § 10c Abs. 2 EStG 2009 gewährt, zum anderen jedoch --entgegen der Ansicht des Klägers-- die steuerpflichtigen Inlandseinkünfte (Arbeitslohn abzüglich Verlust aus Vermietung und Verpachtung) mit Rücksicht auf die nach dem DBA-Belgien im Wohnsitzstaat steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b EStG 2009 unterworfen. Zugleich hat es den bis dahin bestehenden Nachprüfungsvorbehalt nach § 164 Abs. 3 der Abgabenordnung aufgehoben und auf die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens hingewiesen.
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Vor dessen Abschluss hat der Kläger unter Vorlage einer auch von EF unterzeichneten Einverständniserklärung die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer beantragt und hierbei die Ansicht vertreten, dass die der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitaleinkünfte nach § 2 Abs. 5b EStG 2009 nicht bei der Prüfung der Wesentlichkeitsgrenzen des § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 zu berücksichtigen seien.
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Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA mit Bescheid vom 4. Juni 2013 lediglich 60 % der Kapitaleinkünfte des Klägers im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigte. Eine Zusammenveranlagung der Eheleute lehnte es ab, weil nach § 1 Abs. 3 EStG 2009 von den Welteinkünften des Klägers auszugehen sei und hierzu auch die in Belgien steuerpflichtigen Kapitalerträge gehörten, da sie dort nicht der Abgeltungsteuer unterlägen.
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Mit der Klage hat der Kläger die Verpflichtung des FA begehrt, ihn mit EF zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen, hilfsweise, bei der Veranlagung als beschränkt Steuerpflichtiger die von ihm erzielten Kapitaleinkünfte nicht im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Das Finanzgericht (FG) hat nur Letzterem entsprochen und ist hierbei davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b i.V.m. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG 2009 gestellt hat (FG Köln, Urteil vom 22. Januar 2014 4 K 2001/13, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 766).
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Gegen das Urteil des FG haben sowohl der Kläger als auch das FA Revision eingelegt. Während der Kläger an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhält, vertritt das FA nunmehr die Ansicht, dass angesichts des fehlenden Veranlagungsantrags der Einkommensteuerbescheid vom 4. Juni 2013 aufzuheben, ein Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 39a Abs. 5 EStG 2009 zu erlassen und die Veranlagung des beschränkt einkommensteuerpflichtigen Klägers auf die Verluste aus Vermietung und Verpachtung zu beschränken sei.
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Der Kläger beantragt, das vorinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Einkommensteuerbescheide aufzuheben, das FA zu verpflichten, für das Streitjahr eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer durchzuführen und die Revision des FA zurückzuweisen.
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Das FA beantragt, das vorinstanzliche Urteil mit den Feststellungen zur Durchführung der Lohnsteuernachforderungen aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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B. Die Revisionen sind nicht begründet und daher zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger nicht mit EF zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen und im Rahmen der Veranlagung zur beschränkten Einkommensteuerpflicht ein Progressionsvorbehalt nicht zu berücksichtigen ist.
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I. Revision des Klägers
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1. Über den Antrag, den Kläger und EF zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen, ist ohne Beteiligung der EF am finanzgerichtlichen Verfahren zu entscheiden. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 1. Oktober 2014 I R 18/13 (BFHE 247, 388, BStBl II 2015, 474). Dem --im Verlauf des Einspruchs gegen den an den Kläger gerichteten Einkommensteuerbescheid gestellten-- Antrag steht auch nicht entgegen, dass --wozu die Vorinstanz allerdings keine Feststellungen getroffen hat-- der gegenüber EF ergangene Einkommensteuerbescheid in Bestandskraft erwachsen ist; vielmehr kann die Wahl der Veranlagungsart nach der für das Streitjahr zu beachtenden Rechtsprechung auch in einem solchen Fall geändert werden (BFH-Urteil vom 3. März 2005 III R 22/02, BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690; Schmidt/Seeger, EStG, 34. Aufl., § 26 Rz 24).
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2. Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Zusammenveranlagung an die unbeschränkte Steuerpflicht gebunden ist und der Kläger sowie EF im Streitjahr weder Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten (§ 26 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 EStG 2009) noch die Voraussetzungen der fingierten unbeschränkten Einkommensteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 erfüllten.
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a) Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG 2009 werden auf Antrag auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG 2009 erzielen. Voraussetzung hierfür ist gemäß Satz 2 der Vorschrift, dass entweder die Einkünfte im Kalenderjahr zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen (relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2009 nicht übersteigen (absolute Wesentlichkeitsgrenze). Bei der Prüfung beider Wesentlichkeitsgrenzen gelten Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegend (Satz 4). Weitere Voraussetzung für die fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht ist nach § 1 Abs. 3 Satz 5 EStG 2009, dass die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird.
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Die vorgenannten Regelungen werden in § 1a EStG 2009 in der Weise ergänzt, dass für Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (EU), die nach § 1 Abs. 1 EStG 2009 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig oder die nach § 1 Abs. 3 EStG 2009 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln sind, bei der Prüfung der Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG 2009) der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, dessen Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt sich zwar nicht im Inland, aber in einem anderen Mitgliedstaat der EU befindet, auf Antrag als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009) und bei Anwendung des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2009 (relative und absolute Wesentlichkeitsgrenze) auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen sowie der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 (EStG 2009) zu verdoppeln ist. Letzteres ist, wie der Senat zuletzt mit Urteil vom 6. Mai 2015 I R 16/14 (BFH/NV 2015, 1628) entschieden hat, dahin zu verstehen, dass die Wesentlichkeitsgrenzen im Rahmen von § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 nur einer einstufigen Prüfung unterliegen und deshalb nach Maßgabe des zweifachen Grundfreibetrags nur auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen ist.
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b) Der Kläger und EF haben die vorgenannten Wesentlichkeitsgrenzen nicht gewahrt. Dies ist zwischen den Beteiligten dann unstreitig, wenn in die Prüfung dieser Grenzen die vom Kläger im Streitjahr erzielten Kapitalerträge --insbesondere also seine inländischen Dividendenerträge in Höhe von 142.000 €-- einbezogen werden. Da die Dividenden in Belgien als Ansässigkeitsstaat des Klägers besteuert werden können (Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 DBA-Belgien) und in Deutschland als Ansässigkeitsstaat der zahlenden Kapitalgesellschaften nur einem auf 15 % ihres Bruttobetrags beschränkten Quellenbesteuerungsrecht unterworfen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG 2009 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 DBA-Belgien; im Streitfall aufgrund der Teilerstattung nach § 50d Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 EStG 2009), gelten die Dividenden im Rahmen der Prüfung der Einkunftsgrenzen (Wesentlichkeitsgrenzen) nach § 1 Abs. 3 Satz 3 EStG 2009 als nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegend (Senatsurteile vom 13. November 2002 I R 67/01, BFHE 201, 54, BStBl II 2003, 587 zu DBA-Belgien; s. auch Senatsurteil vom 20. August 2003 I R 72/02, BFH/NV 2004, 321). Folge hiervon ist nicht nur, dass die von dem Kläger und EF insgesamt bezogenen (Welt-)Einkünfte nicht im Sinne der relativen Wesentlichkeitsgrenze zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen; zudem überschreiten die der belgischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte im Sinne der absoluten Wesentlichkeitsgrenze den doppelten Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2009: 2 x 7.834 €).
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c) Soweit der Kläger hiergegen geltend macht, die Wesentlichkeitsgrenzen würden deshalb gewahrt, weil aufgrund der Regelung des § 2 Abs. 5b EStG 2009 die Kapitaleinkünfte nicht zu den Einkünften i.S. von § 1 Abs. 3 EStG 2009 gehörten, kann sich der Senat dieser Beurteilung nicht anschließen. Zwar ordnet die im Zusammenhang mit der Einführung der sog. Abgeltungsteuer für Einkünfte aus Kapitalvermögen in das Einkommensteuergesetz aufgenommene Vorschrift des § 2 Abs. 5b EStG 2009 an, dass Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 EStG 2009 (Steuersatz von 25 %) und § 43 Abs. 5 EStG 2009 (abgeltender Einbehalt der Kapitalertragsteuer) nicht in die in den vorstehenden Absätzen (nämlich § 2 Abs. 1 bis 5 EStG 2009) definierten Begriffe (Einkünfte, Summe der Einkünfte, Gesamtbetrag der Einkünfte, Einkommen, zu versteuerndes Einkommen) einzubeziehen sind, soweit Rechtsnormen dieses Gesetzes an diese Begriffe anknüpfen. Entgegen der Ansicht des Klägers wirkt diese Vorschrift jedoch nicht auf die Prüfung der Einkunftsgrenzen des § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 ein; sie ist demgemäß --wie vom FG im Ergebnis zu Recht entschieden-- auch im Streitfall nicht geeignet, eine fiktive unbeschränkte (deutsche) Einkommensteuerpflicht des Klägers und EF zu begründen (Gosch in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 1 Rz 20 Fn 4; ebenso --implizit-- Michel in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 1 Rz 132; Frotscher in Frotscher, EStG, § 1 Rz 32; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 1 EStG Rz 278 unter "Beispiel"; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 1 Rz 55; a.A. Schmidt/ Weber-Grellet, a.a.O., § 2 Rz 65).
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aa) Letzteres ergibt sich bereits daraus, dass nach dem unmissverständlichen Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG 2009 die Fiktion der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht sich auf die "inländischen Einkünfte" i.S. von § 49 EStG 2009 erstreckt und hierzu die in § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG 2009 genannten Kapitalerträge, insbesondere also die in Buchst. a dieser Bestimmung (i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2009) angesprochenen Gewinnausschüttungen der inländischen Kapitalgesellschaften, gehören.
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§ 1 Abs. 3 Satz 1 EStG 2009 knüpft insoweit also (ähnlich wie in anderen Zusammenhängen beispielsweise § 34c Abs. 1 oder § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 2009) nicht an den in § 2 Abs. 1 bis 5 EStG 2009 vorgegebenen allgemeinen, sondern an einen davon abzuhebenden, durch spezifische Merkmale qualifizierten Begriff der Einkünfte an. Davon aber spart § 2 Abs. 5b EStG 2009 die der Abgeltung unterfallenden Kapitalerträge erklärtermaßen nicht aus. Und auch unter systematischen Gesichtspunkten besteht hiernach kein Anlass, die betreffenden Kapitaleinkünfte aus der Prüfung der Wesentlichkeitsgrenze des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2009 auszunehmen.
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bb) Zudem entspricht nur diese Beurteilung dem Zweck des § 1 Abs. 3 (hier: i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2) EStG 2009.
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aaa) Die Einkünfteermittlung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG 2009 erfolgt in zwei Stufen. Zunächst ist in einem ersten Schritt die Summe der Welteinkünfte, d.h. die Summe sämtlicher Einkünfte unabhängig davon zu ermitteln, ob sie im In- oder Ausland erzielt wurden; die Prüfung beruht auf der Annahme einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht. Die so bestimmten Einkünfte (Welteinkünfte) sind sodann in einem zweiten Schritt in die Einkünfte, die der deutschen Einkommensteuer unterliegen, und die Einkünfte, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, aufzuteilen. Hintergrund dieser Regelungen ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- (früher Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft), nach der es grundsätzlich Sache des Wohnsitzstaates ist, den Steuerpflichtigen nach Maßgabe seiner gesamten Leistungsfähigkeit zu besteuern und eine unionsrechtliche Verpflichtung des Quellenstaates, dem Gebietsfremden (beschränkt Steuerpflichtigen) die Steuervergünstigungen einzuräumen, die auch einem Gebietsansässigen (unbeschränkt Steuerpflichtigen) zustehen, nur dann besteht, wenn der Gebietsfremde seine Einkünfte im Wesentlichen in seinem Beschäftigungsstaat erzielt und deshalb der Wohnsitzstaat nicht in der Lage ist, die persönlichen und familienbezogenen Umstände des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen (grundlegend Urteil Schumacker vom 14. Februar 1995 C-279/93, EU:C:1995:31, Slg. 1995, I-225; zuletzt Senatsurteil in BFHE 247, 388, BStBl II 2015, 474, m.w.N.).
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bbb) Es liegt auf der Hand, dass es diesem Gesetzeszweck und dem seiner Verwirklichung zugrunde liegenden Gedanken der territorialen Einkunftszuordnung widerstreiten würde, wollte man aus der hiernach gebotenen Ermittlung des Welteinkommens und dessen Aufteilung auf die der inländischen sowie der ausländischen Besteuerung unterliegenden Einkünfte die im Inland erzielten Kapitaleinkünfte allein deshalb ausgrenzen, weil sie nach den Rechtsvorschriften des deutschen Einkommensteuerrechts mit einem Abgeltungsteuersatz besteuert werden. Zu berücksichtigen ist insoweit nicht nur, dass die Abgeltungsteuer des deutschen Einkommensteuerrechts es unbeeinflusst belässt, ob und in welcher Weise die Kapitalerträge Eingang in die Veranlagung im Wohnsitzstaat (hier: Belgien) nehmen. Es wäre gleichermaßen mit dem dargelegten Gesetzeszweck unvereinbar, wollte man nur die inländischen und dem Kapitalertragsteuereinbehalt belasteten Kapitaleinkünfte aus der Einkunftsberechnung des § 1 Abs. 3 EStG 2009 ausnehmen, hingegen die von dem im EU-Ausland wohnenden Steuerpflichtigen dort oder in einem Drittstaat erzielten Kapitalerträge im Rahmen der Entscheidung über die inländische unbeschränkte Einkommensteuerpflicht berücksichtigen. Entgegen der Ansicht des Klägers kann auch der mit der Regelung des § 2 Abs. 5b EStG 2009 intendierte Vereinfachungszweck (vgl. dazu BTDrucks 16/5377, S. 10 und S. 25) eine solche Differenzierung nicht rechtfertigen. Hinzu kommt, dass die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. Satz 3 EStG 2009 an den formalisierten Nachweis der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte gebunden und demgemäß auch für den Streitfall nicht ersichtlich ist, in welcher Weise die Nichtberücksichtigung der --durch die Vorlage der ausländischen Bescheinigung zu belegenden-- Kapitaleinkünfte im Streitfall dem Vereinfachungszweck des § 2 Abs. 5b EStG 2009 dienen sollte.
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II. Revision des FA
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1. Der Senat legt die Revision des FA --rechtsschutzgewährend-- dahin aus, dass die Behörde lediglich die Abweisung der Klage (i.V.m. einer Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils), nicht hingegen einen gerichtlichen Anspruch darüber beantragt, dass gegenüber dem Kläger ein Verfahren zur Lohnsteuernacherhebung durchzuführen ist. Da letzteres Begehren mit einer Änderung des Streitgegenstands (bisher: Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerfestsetzung gegenüber dem Kläger) verbunden wäre und eine Klageänderung, die insbesondere in einem Wechsel des Streitgegenstands zu sehen ist (BFH-Urteil vom 4. Mai 2006 VI R 17/03, BFHE 213, 383, BStBl II 2006, 830; Gräber/ Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 123 Rz 2; hier: Rechtmäßigkeit einer Lohnsteuernachforderung nach Aufhebung eines zuvor erlassenen Veranlagungsbescheids), im Revisionsverfahren nach § 123 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgeschlossen ist, wäre ein hierauf gerichteter Antrag zu verwerfen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass das FA eine Überprüfung des vorinstanzlichen Urteils nur in dem durch das Revisionsrecht eröffneten Rahmen erstrebt.
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2. Die Revision bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Hierzu bedarf es keiner Entscheidung, ob --wie im Schrifttum ganz überwiegend vertreten-- die von § 2 Abs. 5b EStG 2009 erfassten Kapitalerträge grundsätzlich nicht in den Progressionsvorbehalt gemäß § 32b EStG 2009 (hier: Abs. 1 Satz 1 Nr. 5) eingehen (so z.B. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 32b Rz 43; Kuhn/ Kühner in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32b EStG Rz 30, 119, 149). Ebenso bedarf es im Rahmen der Revision des FA keiner Stellungnahme dazu, ob --wie vom FG angenommen-- die Regelung des § 2 Abs. 5b EStG 2009 deshalb im Streitfall nicht zum Tragen kommen kann, weil dem Kläger die einbehaltene Kapitalertragsteuer nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2009 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 DBA-Belgien teilweise erstattet worden ist. Beides kann vorliegend deshalb offenbleiben, da eine Steuersatzerhöhung nach § 32b Abs. 1 Satz 1, erster und zweiter Satzteil EStG 2009 (in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19. Dezember 2008, BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) tatbestandlich erfordert, dass der Steuerpflichtige entweder unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder unter Anwendung des § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG 2009 --d.h. aufgrund eines Eintrags nach § 39d Abs. 2 EStG 2009 (Buchst. a) oder aufgrund eines vom Steuerpflichtigen gestellten Antrags (Buchst. b)-- als beschränkt Steuerpflichtiger zur Einkommensteuer veranlagt wird. Keine dieser Voraussetzungen ist vorliegend jedoch gegeben. Zum einen ist der Kläger --wie zu B.I.2. der Gründe dieses Urteils erläutert-- nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und damit auch nicht von Amts wegen nach § 46 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a EStG 2009 zur Einkommensteuer zu veranlagen. Zum anderen fehlt es nicht nur an dem Eintrag eines Lohnsteuerabzugsmerkmals gemäß § 39d Abs. 2 EStG 2009, sondern --wie vom FG für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt (vgl. dazu Gräber/ Ratschow, a.a.O., § 118 Rz 48 i.V.m. 24)-- auch an einem Veranlagungsantrag gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG 2009. Eine Steuersatzerhöhung nach § 32b EStG 2009 muss deshalb ungeachtet dessen ausscheiden, ob in den Fällen, in denen der Abzug vom Arbeitslohn keine die Einkommensteuer abgeltende Wirkung hat, weil nachträglich festgestellt wird, dass die Voraussetzungen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nicht vorliegen, neben das Recht zur Nachforderung von Lohnsteuer gemäß § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 39 Abs. 5a EStG 2009 auch --alternativ und ohne Vorliegen eines Pflichtveranlagungstatbestands und eines Antrags nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG 2009-- die Einkommensteuer durch einen Veranlagungsbescheid festgesetzt werden kann (so z.B. Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 50 Rz 20, m.w.N.; a.A. Herkenroth/Striegel in Herrmann/Heuer/Raupach, § 50 EStG Rz 260). Da ein solcher --im Streitfall ergangener-- Bescheid jedenfalls nicht nichtig ist (s. dazu Gräber/Ratschow, a.a.O., § 96 Rz 49, m.w.N.), ist das Gericht nicht befugt, über den Klageantrag (hier: Hilfsantrag des Klägers auf Steuerfestsetzung ohne Ansatz des Progressionsvorbehalts) hinauszugehen und den Bescheid aufzuheben. Auch die Revision des FA ist demnach zurückzuweisen.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO analog (s. dazu Brandis in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 135 FGO Rz 16).
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Referenzen
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- 2006 VI R 17/03 1x (nicht zugeordnet)
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