Beschluss vom Bundesfinanzhof (7. Senat) - VII B 176/14

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 3. November 2014  13 K 2662/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

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I. Der … geborene Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) verzichtete im Jahr 2011 aus gesundheitlichen Gründen auf seine Bestellung als Steuerberater. Auf Antrag erhielt er mit Schreiben der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Steuerberaterkammer) vom 8. Juni 2011 gemäß § 47 Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) die Erlaubnis, sich weiterhin "Steuerberater" zu nennen. Die Erlaubnis war mit folgendem Hinweis verbunden: "Wir machen darauf aufmerksam, dass die Bezeichnung nicht im Rahmen einer anderweitigen Berufstätigkeit geführt werden darf. Die Erlaubnis kann nach § 47 Abs. 3 StBerG zurückgenommen werden."

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Nachdem der Kläger gegenüber der Steuerberaterkammer mehrmals unter einem Briefkopf aufgetreten war, auf dem er sich nicht nur als Steuerberater, sondern auch als Wirtschaftsprüfer bezeichnete, kündigte die Steuerberaterkammer mit Schreiben vom 29. Oktober 2013 die Prüfung einer Rücknahme bzw. eines Widerrufs dieser Erlaubnis gemäß § 47 Abs. 3 StBerG an und gab dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Bescheid vom 25. November 2013 widerrief die Steuerberaterkammer die Erlaubnis.

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Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, der Widerruf sei rechtmäßig. Ermessensfehler seien nicht erkennbar. Der Kläger sei noch als Wirtschaftsprüfer zugelassen. Auch wenn er nach eigenen Angaben nicht mehr als Wirtschaftsprüfer tätig sei, widerspreche die gleichzeitige Verwendung der Titel "Steuerberater" und "Wirtschaftsprüfer" unter diesen Umständen dem Sinn und Zweck des § 47 Abs. 2 StBerG.

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Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Dies betreffe zum einen die Frage, wer im Rahmen des § 47 Abs. 3 Satz 2 StBerG das rechtliche Gehör zu gewähren habe, und zum anderen die Art und Weise des rechtlichen Gehörs. Der Anspruch auf rechtliches Gehör müsse mündlich vor dem Vorstand oder der zuständigen Vorstandsabteilung der Steuerberaterkammer wahrgenommen werden können. Des Weiteren sei von grundsätzlicher Bedeutung, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die Erlaubnis nach § 47 Abs. 2 StBerG widerrufen werden könne. Insbesondere stelle sich die Frage, ob bereits die potentielle Befähigung zur Ausübung einer anderen beruflichen Tätigkeit schädlich sein könne.

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Darüber hinaus sei die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erforderlich, um eine Divergenz zu vermeiden (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Denn die Schreiben der Steuerberaterkammer vom 26. September 2013 und vom 29. Oktober 2013 seien von Herrn "…" unterschrieben, einem angestellten Mitarbeiter der Steuerberaterkammer. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. Juli 2007 StbSt (R) 3/06 (BStBl II 2008, 75) dürften aber angestellte Mitarbeiter keine Maßnahmen der Berufsaufsicht treffen. Des Weiteren sei das FG auch von dem Urteil des FG Köln vom 26. Juni 2008  2 K 4826/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 291) abgewichen, da es nicht auf die tatsächliche Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer abgestellt habe, sondern schon auf die wegen der Zulassung als Wirtschaftsprüfer bestehende Möglichkeit, eine andere berufliche Tätigkeit auszuüben. Eine zusätzliche Abweichung bestehe zu den Urteilen des BFH, nach denen angefochtene Ermessensentscheidungen erkennen lassen müssten, dass überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen worden sei. Die Ausführungen des FG beruhten insoweit auf sachfremden Erwägungen, so dass die Revision auch wegen eines besonders schweren Rechtsfehlers zuzulassen sei.

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Schließlich sei während des gesamten Verfahrens der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, so dass ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vorliege. Die von der Steuerberaterkammer gewährte und vom FG nicht beanstandete Frist zur Stellungnahme von weniger als vier Tagen sei objektiv nicht ausreichend gewesen, um sich sachlich fundiert äußern zu können. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hätte die Frist zur Stellungnahme aber so bemessen sein müssen, dass das rechtliche Gehör nicht in unzumutbarer Weise erschwert werde. Ein weiterer Verfahrensmangel liege darin, dass die mündliche Verhandlung nur zwölf Minuten gedauert habe. Damit sei ausgeschlossen, dass die mündliche Verhandlung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form durchgeführt worden sei und die ehrenamtlichen Richter in ausreichender Form Informationen über die Sach- und Rechtsfragen erhalten hätten. Der Kläger beantragt, hierzu eine dienstliche Äußerung der ehrenamtlichen Richter einzuholen.

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Die Steuerberaterkammer ist der Beschwerde entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

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1. Grundsätzliche Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist einer Rechtsfrage beizumessen, deren Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Es muss sich also um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist. Hierzu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2012 VII B 167/11, BFH/NV 2012, 2029, m.w.N.). Bei Streitfragen, die maßgeblich von der Beurteilung des Einzelfalls abhängen, bedarf es substantiierter Darlegungen, weshalb der Rechtsfrage ausnahmsweise eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen soll (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2008 VIII B 253/05, BFH/NV 2008, 740, 741, m.w.N.).

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Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Insbesondere fehlen substantiierte Ausführungen, weshalb die Frage, welche konkreten Personen auf welche Art und Weise im Rahmen des § 47 Abs. 3 Satz 2 StBerG rechtliches Gehör zu gewähren haben, von allgemeinem Interesse sein soll. Entsprechendes gilt für die weitere Frage, ob allein die tatsächliche Ausübung einer anderen beruflichen Tätigkeit oder bereits die Zulassung als Wirtschaftsprüfer und die damit verbundene Möglichkeit der Ausübung einer anderen beruflichen Tätigkeit zum Widerruf nach § 47 Abs. 3 Satz 2 StBerG berechtigen können. Der Hinweis auf die Maßgeblichkeit für eine abstrakte Zahl von Berufsangehörigen und die fehlende höchstrichterliche Klärung reichen hierfür nicht aus. Insbesondere hätte substantiiert dargelegt werden müssen, weshalb die Sachverhaltskonstellation eines Verzichts auf die Bestellung als Steuerberater mit anschließendem Antrag nach § 47 Abs. 2 StBerG unter gleichzeitiger Beibehaltung der Bestellung als Wirtschaftsprüfer, obwohl auch insoweit ein entsprechender Verzicht mit anschließendem Antrag nach § 18 Abs. 4 des Gesetzes über die Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer möglich gewesen wäre, keinen Ausnahmecharakter haben soll. Darüber hinaus ist der Kläger nicht auf eine etwaige Heilung von Verfahrens- und Formfehlern bis zum Ende des finanzgerichtlichen Verfahrens gemäß § 126 der Abgabenordnung eingegangen, obwohl dies Auswirkungen auf die Klärungsfähigkeit der verfahrensrechtlichen Fragen hat.

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Soweit die Beschwerde die Frage aufwirft, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die Erlaubnis nach § 47 Abs. 2 StBerG widerrufen werden kann, ist diese Frage einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich. Denn es kommt auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls an, ob in diesem ein Widerruf geboten ist.

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2. Soweit der Kläger eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO geltend macht, führt die Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg.

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Für eine Darlegung der behaupteten Divergenz im Sinne dieser Vorschrift wäre erforderlich gewesen, dass der Kläger tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeitet und gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2011 VII B 110/11, BFH/NV 2012, 616). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

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Sowohl hinsichtlich der Bearbeitung durch einen angestellten Mitarbeiter der Steuerberaterkammer als auch hinsichtlich der Ausübung des Ermessens durch die Steuerberaterkammer fehlt bereits die Herausarbeitung eines tragenden und abstrakten Rechtssatzes des angefochtenen Urteils, der von anderen Entscheidungen abweicht. Dies war auch nicht möglich, da das FG festgestellt hat, dass keine Formfehler vorliegen und die Steuerberaterkammer ihr Ermessen erkannt hat. Im Übrigen ist der Streitfall nicht mit dem vom Kläger zitierten BGH-Urteil in BStBl II 2008, 75 vergleichbar, da es dort um eine Auskunft nach § 80 Abs. 1 Satz 2 StBerG a.F. ging, die nach dem Wortlaut dieser Vorschrift "von dem Vorstand oder dem durch die Satzung bestimmten Organ der Steuerberaterkammer oder einem beauftragten Mitglied des Vorstandes oder des Organs" verlangt werden kann. Dagegen fehlt in § 47 Abs. 3 Satz 2 StBerG eine entsprechend einschränkende Formulierung. Außerdem ist abweichend von dem BGH-Urteil nicht der Schutzbereich des Art. 12 des Grundgesetzes betroffen, da es lediglich um die Fortführung des Titels gemäß § 47 Abs. 2 StBerG geht.

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Hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen für eine Fortführung des Titels "Steuerberater" bezieht sich das FG in seiner Entscheidung ausdrücklich auf das Urteil des FG Köln in EFG 2009, 291 und geht wie dieses davon aus, dass der Berufsangehörige nach dem Sinn und Zweck des § 47 Abs. 2 StBerG in keiner Weise mehr beruflich tätig sein darf, sondern sich vollständig in sein Privatleben zurückgezogen haben muss. Dass bereits die Beibehaltung der Bestellung als Wirtschaftsprüfer mit der damit verbundenen Möglichkeit der Ausübung der Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers den vollständigen Rückzug in das Privatleben ausschließt, stellt keine Abweichung von diesen Grundsätzen, sondern lediglich deren Anwendung und Fortentwicklung auf die besonderen Umstände des Streitfalls dar.

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Neben den Fällen der Divergenz kann eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zwar auch dann in Betracht kommen, wenn das angefochtene Urteil auf einem so schweren Rechtsfehler beruht, dass sein Fortbestand das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen könnte (Senatsbeschluss vom 3. Juni 2011 VII B 203/10, m.w.N.). Hierfür sind aber im Streitfall keine Anhaltspunkte erkennbar. Das Urteil des FG ist weder objektiv willkürlich noch greifbar gesetzwidrig, sondern unter Heranziehung von Rechtsprechung und Literatur nachvollziehbar begründet.

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3. Schließlich scheidet auch die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) aus.

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Soweit der Kläger eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch eine zu kurze Frist zur Stellungnahme nach § 47 Abs. 3 Satz 2 StBerG geltend macht, liegt schon kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor, weil es in dieser Vorschrift nur um Verstöße des FG gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts, nicht aber um Verfahrensverstöße der Steuerberaterkammer im Rahmen des behördlichen Verfahrens geht.

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Auch die vom Kläger gerügte Dauer der mündlichen Verhandlung von maximal zwölf Minuten stellt keinen Verfahrensfehler des FG dar, zumal nur die Steuerberaterkammer erschienen war und es sich nicht um einen komplexen Sachverhalt handelte. Unter diesen Umständen gibt es keinerlei Anhaltspunkte, dass die Dauer der mündlichen Verhandlung nicht --wie im Sitzungsprotokoll vom 3. November 2014 vermerkt-- für die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der Akten, die Erörterung der Sach- und Rechtslage und die Stellung der Anträge ausgereicht haben sollte.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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