Urteil vom Bundesfinanzhof (7. Senat) - VII R 17/14
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 2. Oktober 2013 2 K 1117/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt Schienenbahnen für den öffentlichen Personennahverkehr und nahm hierfür in den Streitjahren 2008 und 2009 die Steuerentlastung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG; hier und im Folgenden in der für die Streitjahre geltenden Fassung) in Anspruch. Im Anschluss an eine Steueraufsichtsmaßnahme änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) den Bescheid über die Steuerentlastung gemäß § 164 der Abgabenordnung und forderte für das vierte Quartal 2008 insgesamt 148,18 € sowie für das Jahr 2009 insgesamt 743 € zurück. Die Änderungen betrafen insbesondere den Dieselkraftstoff für den Betrieb einer Schneefräse einschließlich des Dieselkraftstoffs für den Betrieb der Diesellokomotive(n) zum Antrieb der Schneefräse (2 743 Liter im vierten Quartal 2008 sowie 13 936 Liter im Jahr 2009). Darüber hinaus zog das HZA für das Jahr 2009 noch 170 Liter Dieselkraftstoff für eine gleisgebundene Arbeitsmaschine ab und berücksichtigte zusätzlich 340 Liter Dieselkraftstoff für Rangierfahrten.
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Einspruch und Klage gegen den Änderungsbescheid blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) urteilte, gemäß § 102 Abs. 6 der Energiesteuer-Durchführungsverordnung (EnergieStV) gehörten Fahrten von Servicefahrzeugen nicht zu den begünstigten notwendigen Betriebsfahrten. Deshalb habe das HZA für den Betrieb der Schneefräse zutreffend einen Anspruch auf Steuerentlastung verneint.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, mit der Schneefräse werde eine zwingend notwendige Betriebsfahrt i.S. des § 102 Abs. 6 EnergieStV durchgeführt, da durch ihren Einsatz die Durchführung des Personennahverkehrs erst ermöglicht werde. Ein Güterverkehr finde nicht statt. Weder die Schneefräse noch die Diesellokomotive, die zur Fortbewegung der Schneefräse verwendet werde, seien Servicefahrzeuge i.S. des § 102 Abs. 6 Satz 3 EnergieStV. Vielmehr sei ein Vergleich zu den Fahrten zur Sicherstellung von Betriebsumläufen und Fahrplanwechseln (z.B. Rangierfahrten) zu ziehen, die gemäß § 102 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 EnergieStV als notwendige Betriebsfahrten begünstigt seien. Außerdem müsse mit dem Fahrzeug, für das der begünstigte Kraftstoff eingesetzt werde, nicht direkt eine Personenbeförderung durchgeführt werden, sondern es reiche aus, dass der eingesetzte Kraftstoff den öffentlichen Personennahverkehr fördere. Dies folge aus den in § 102 Abs. 6 Satz 2 EnergieStV genannten Beispielen notwendiger Betriebsfahrten. Im Übrigen zeigten die in der Richtlinie 2003/96/EG (EnergieStRL) vom 27. Oktober 2003 des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283/51) genannten Gründe, dass im Zweifel eine Steuerentlastung gewährt werden solle.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Änderungsbescheid vom 16. Dezember 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. August 2011 aufzuheben.
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Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Es macht geltend, der Einsatz der Schneefräse diene als Vorbereitungshandlung der Sicherung des Personennahverkehrs und des möglichen Güterverkehrs. Dagegen diene er nicht der Personenbeförderung. Dies sei aber erforderlich, wie die Verwendung der Formulierungen "zur allgemein zugänglichen Beförderung von Personen", "Reiseweite" und "Reisezeit" in § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG zeige und der ab dem 30. September 2011 geltende § 102 Abs. 6 EnergieStV bestätige. Weder die Schneefräse noch die zum Antrieb der Schneefräse erforderliche Diesellokomotive seien von den abschließend in § 102 Abs. 6 Satz 2 EnergieStV aufgeführten notwendigen Betriebsfahrten erfasst. Darüber hinaus weist das HZA auf § 102 Abs. 6 Satz 5 EnergieStV hin, wonach Fahrten für den Streckenunterhalt und die Sicherung des Fahrbetriebs als Fahrten für ausschließlich unternehmenseigene Zwecke nicht begünstigt seien.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen, da das Urteil jedenfalls im Ergebnis richtig ist (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Änderungsbescheid des HZA vom 16. Dezember 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. August 2011 rechtmäßig ist.
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1. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG wird auf Antrag eine Steuerentlastung für nachweislich nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, 4 oder Abs. 2 EnergieStG versteuerte Energieerzeugnisse gewährt, die in zur allgemein zugänglichen Beförderung von Personen bestimmten Schienenbahnen mit Ausnahme von Bergbahnen verwendet worden sind. Weitere Voraussetzung ist, dass in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt. § 102 Abs. 1 bis 3 EnergieStV regelten in der für die Streitjahre geltenden Fassung weitere Einzelheiten des Verfahrens der Steuerentlastung und des buchmäßigen Nachweises.
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Mit Wirkung ab dem 30. September 2011 konkretisierte der durch die Verordnung zur Änderung der Energiesteuer- und der Stromsteuer-Durchführungsverordnung vom 20. September 2011 (BGBl I 2011, 1890) eingefügte § 102 Abs. 6 EnergieStV n.F. den Umfang des begünstigten öffentlichen Personennahverkehrs mit Schienenbahnen. Danach sind auch die mit dem öffentlichen Personennahverkehr zusammenhängenden notwendigen Betriebsfahrten von der Steuerentlastung erfasst. Hierzu zählen nach Satz 2 der Vorschrift u.a. Fahrten zur Sicherstellung von Betriebsumläufen und Fahrplanwechseln (z.B. Rangierfahrten) sowie Hilfszugeinsatzfahrten. Dagegen sind nach den Sätzen 3 bis 5 u.a. Fahrten von Werkstatt- und Servicefahrzeugen sowie Fahrten zur Beförderung von Personal und Material für unternehmenseigene Zwecke, insbesondere Fahrten für den Streckenunterhalt und zur Sicherung des Fahrbetriebs, nicht begünstigt.
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2. Die Klägerin hat für die Streitjahre keinen Anspruch auf eine Steuerentlastung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG, welche über die bereits vom HZA und FG gewährte Steuerentlastung hinausgeht. Insbesondere besteht kein Anspruch der Klägerin auf Steuerentlastung hinsichtlich des für die Schneefräse verwendeten Dieselkraftstoffs oder des Dieselkraftstoffs, den die Klägerin für die Diesellokomotive verwendete, die zum Antrieb der Schneefräse erforderlich war. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Steuerentlastung hinsichtlich des Dieselkraftstoffs für die gleisgebundene Arbeitsmaschine.
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Entgegen der Auffassung des FG folgt dies aber nicht aus den Ausschlusstatbeständen des § 102 Abs. 6 EnergieStV n.F., insbesondere nicht aus dem Ausschluss für Servicefahrzeuge gemäß § 102 Abs. 6 Satz 3 Nr. 3 EnergieStV n.F. Diese Regelungen gelten --wie bereits erwähnt-- erst mit Wirkung ab dem 30. September 2011. Die Ausnahmen für Werkstatt- und Servicefahrzeuge sowie für Fahrten für den Streckenunterhalt und zur Sicherung des Fahrbetriebs, auf die sich das HZA beruft, sind neue Regelungen, die keine Entsprechung in der für die Streitjahre geltenden Fassung der Rechtsverordnung oder den damaligen Dienstvorschriften haben. Ob bzw. inwieweit die neuen Ausnahmen von der Ermächtigungsnorm des § 66 Abs. 1 Nr. 11 EnergieStG gedeckt sind und ob bzw. wie sie gegenüber der Begünstigung der Hilfszugeinsatzfahrten in § 102 Abs. 6 Satz 2 Nr. 5 EnergieStV n.F. sachgerecht abgegrenzt werden können, braucht deshalb nicht entschieden zu werden.
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Dass im Streitfall keine weitere Steuerentlastung zu gewähren ist, folgt aus dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG, der von einer Verwendung in zur "Beförderung von Personen bestimmten Schienenbahnen" spricht. Damit sind nur solche Schienenbahnen begünstigt, mit denen unmittelbar die Personenbeförderung durchgeführt wird, die also selbst als Verkehrsmittel zur Beförderung von Personen dienen. Diese Voraussetzung ist weder bei der Schneefräse noch bei der Diesellokomotive zum Antrieb der Schneefräse oder der gleisgebundenen Arbeitsmaschine erfüllt.
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Weder die Entstehungsgeschichte noch der Sinn und Zweck der Vorschrift führen zu einer Ausweitung der Steuerentlastung. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG geht auf die wortgleiche Regelung in § 25 Abs. 1 Nr. 4a Buchst. a des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) zurück (vgl. auch BTDrucks 16/1172, S. 45), der durch das Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform vom 16. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2432) mit Wirkung zum 1. Januar 2000 in das MinöStG eingefügt worden war. Dadurch sollte der öffentliche Personennahverkehr aus umwelt- und verkehrspolitischen Gründen nur mit der Hälfte der in diesem Gesetz beschlossenen Steuersatzanhebungen belastet werden (BTDrucks 14/2044, S. 10). Die Beschränkung der Steuerentlastung auf Schienenbahnen, mit denen unmittelbar die Personenbeförderung durchgeführt wird, entspricht damit dem gerechtfertigten Bedürfnis des Gesetzgebers nach einer möglichst zielgenauen Lenkung sowie nach Vereinfachung. Dass bereits die Verwaltungsvorschriften zu § 25 Abs. 1 Nr. 4a Buchst. a MinöStG (Dienstvorschrift des Bundesministeriums der Finanzen, VSF-Nachrichten N 72 2003 Nr. 463 Abs. 24) die Begünstigung auf die mit dem öffentlichen Personennahverkehr zusammenhängenden "notwendigen Betriebsfahrten" ausgedehnt hatten und sich die in Abs. 25 aufgeführten Beispiele weitgehend mit der Regelung des § 102 Abs. 6 Satz 2 EnergieStV n.F. decken, ändert daran nichts. Diese Verwaltungsvorschriften entfalten für die Gerichte keine Bindungswirkung und sind für die Gesetzesauslegung nicht relevant.
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3. Die hier vertretene Auslegung steht auch im Einklang mit der EnergieStRL, die für Steuerbegünstigungen des öffentlichen Personennahverkehrs lediglich Wahlmöglichkeiten vorsieht und keinen Mindestumfang einer solchen Begünstigung regelt. Nach Art. 5 und 6 EnergieStRL besteht die Möglichkeit, auf den öffentlichen Personennahverkehr gestaffelte Steuersätze anzuwenden. Sofern der schienengebundene Transport betroffen ist, ergibt sich die Rechtsgrundlage aus Art. 15 Abs. 1 Buchst. e EnergieStRL. Danach können die Mitgliedstaaten für Energieerzeugnisse und Strom zur Verwendung als Kraftstoff für den Personen- und Gütertransport im Eisenbahnverkehr Steuerbegünstigungen gewähren.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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Referenzen
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