Urteil vom Bundesfinanzhof (7. Senat) - VII R 40/13

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 13. Juni 2013  4 K 80/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) versandte Gasöl der Pos. 2710 19 41 der Kombinierten Nomenklatur unter Verwendung eines elektronischen Verwaltungsdokuments im innergemeinschaftlichen Steueraussetzungsverfahren aus einem in den Niederlanden gelegenen Steuerlager an ein in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) gelegenes Steuerlager. Nach Ankunft des für den Transport eingesetzten Motorschiffs wurde das Gasöl in einen Tank der deutschen Steuerlagerinhaberin, einer GmbH & Co. KG (KG), gepumpt. Bei der Mengenermittlung durch Bestimmung der Peilhöhe stellte die KG eine gegenüber den Angaben im elektronischen Verwaltungsdokument geringere Menge fest, die 0,202 % der angemeldeten Menge entsprach. Die festgestellte Mengendifferenz teilte die KG dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt --HZA--) mit. Aufgrund der Überschreitung der von der deutschen Finanzverwaltung generell akzeptierten Toleranzgröße von 0,2 % setzte das HZA gegenüber der Klägerin Energiesteuer für den Teil der Fehlmenge fest, der diese Grenze überstieg.

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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Energiesteuer sei aufgrund einer im Steuergebiet eingetretenen Unregelmäßigkeit nach § 14 Abs. 2 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) entstanden, weshalb der angefochtene Steuerbescheid rechtmäßig sei. Der streitgegenständliche Teil der Sendung sei eine Fehlmenge, die auf eine Unregelmäßigkeit i.S. des § 14 Abs. 1 EnergieStG zurückzuführen sei, denn hinsichtlich eines Teils der Beförderungsmenge sei das Steueraussetzungsverfahren nicht ordnungsgemäß beendet worden. Dabei könne ausgeschlossen werden, dass die Unregelmäßigkeit erst nach der Beförderung eingetreten sei. Die Mengenermittlung im Rahmen des Löschvorgangs gehöre zur Aufnahme im Lager des Empfängers i.S. des § 11 Abs. 4 Satz 2 EnergieStG. Gemäß § 14 Abs. 3 EnergieStG gelte die Unregelmäßigkeit als im Steuergebiet eingetreten. Im Streitfall seien darüber hinaus die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118/EG (Richtlinie 2008/118/EG) des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (Amtsblatt der Europäischen Union 2009 Nr. L 9/12) erfüllt, weil die Beförderung hinsichtlich der Fehlmenge nicht i.S. des Art. 20 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG beendet worden sei und die Unregelmäßigkeit trotz der unbekannten Ursache der Fehlmenge eine Überführung des Gasöls in den steuerrechtlich freien Verkehr nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2008/118/EG zur Folge gehabt habe. Da die Klägerin keine weiteren Erläuterungen zum Entstehen der Fehlmenge abgegeben habe, sei der ihr obliegende Nachweis einer Zerstörung oder eines Verlusts i.S. des Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2008/118/EG nicht geführt worden. Da die zur Beförderung angemeldete Sendung unstreitig am Bestimmungsort eingetroffen sei, könne Art. 14 Abs. 4 Richtlinie 2008/118/EG keine Anwendung finden. Für ein derartiges Verständnis der Vorschrift spreche, dass sie sich auf "die Waren" beziehe, die im Steueraussetzungsverfahren befördert worden seien; ansonsten könne sich für ein einheitliches Versandverfahren eine gespaltene Verwaltungszuständigkeit ergeben.

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Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung des § 14 EnergieStG geltend. Fehlerhaft habe das FG das Tatbestandsmerkmal der Unregelmäßigkeit ausgelegt. Im Streitfall, bei dem die Ursache für die Entstehung der Fehlmenge nicht habe festgestellt werden können, sei das Vorliegen einer Unregelmäßigkeit nur eine von mehreren Erklärungsmöglichkeiten. Eine Fehlmenge an sich könne keine Unregelmäßigkeit darstellen. Darauf deute auch die Regelung in § 8 Abs. 1a EnergieStG hin. Die bloße Feststellung einer Fehlmenge und der Rückschluss auf unbekannt gebliebene Unregelmäßigkeiten als deren Ursache reichten zur Begründung des Besteuerungsrechts nicht aus. Die Rechtsansicht des FG verstoße gegen Art. 10 Abs. 6 Richtlinie 2008/118/EG. Da die Ursache der Fehlmenge unbekannt sei, könne nicht von einer Entnahme des Gasöls aus dem Verfahren der Steueraussetzung nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2008/118/EG ausgegangen werden. Zu Unrecht habe das FG von vornherein die Möglichkeit des Eintritts einer Unregelmäßigkeit vor dem Beförderungsbeginn ausgeschlossen. Auch die Annahme der Fiktion des Eintritts einer Unregelmäßigkeit im Steuergebiet nach § 14 Abs. 3 EnergieStG begegne Bedenken. Eine Erhebungskompetenz Deutschlands lasse sich aus § 14 Abs. 3 EnergieStG nicht ableiten. Vielmehr stehe die Erhebungskompetenz im Streitfall den Niederlanden zu, denn weder die für die Fehlmenge ursächliche Unregelmäßigkeit noch der Ort und der Zeitpunkt der Fehlmengenentstehung hätten festgestellt werden können, so dass weder § 14 Abs. 3 noch § 14 Abs. 4 EnergieStG Anwendung finden könnten. In allen Fällen, in denen die Feststellung einer Unregelmäßigkeit während der Beförderung nicht möglich sei, sei der Abgangsstaat für die Besteuerung zuständig. Daher finde im Streitfall Art. 10 Abs. 4 Richtlinie 2008/118/EG Anwendung, denn in Höhe der festgestellten Fehlmenge sei das Gasöl am Bestimmungsort nicht eingetroffen. Folge man der Auffassung des FG, müsse man von einer Lückenhaftigkeit der in Art. 10 Richtlinie 2008/118/EG getroffenen Regelungen ausgehen. Darüber hinaus wäre der deutsche Fiskus in allen Einfuhrfällen für die Erhebung der Energiesteuer zuständig.

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Das HZA macht geltend, entgegen der Ansicht der Klägerin sei eine Fehlmenge eine Unregelmäßigkeit i.S. des Art. 10 Abs. 6 Richtlinie 2008/118/EG. Im Streitfall sei die Feststellung der Fehlmenge während der Beförderung unter Steueraussetzung erfolgt, so dass die Unregelmäßigkeit nach § 14 Abs. 3 EnergieStG als im deutschen Steuergebiet eingetreten gelte.

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Mit Beschluss vom 11. November 2014 VII R 40/13 (BFHE 248, 277, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2015, 105) hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

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"1. Ist Art. 10 Abs. 4 Richtlinie 2008/118/EG dahingehend auszulegen, dass dessen Voraussetzungen nur dann erfüllt sind, wenn die gesamte Menge der in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten Waren nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen ist, oder kann die Regelung unter Berücksichtigung von Art. 10 Abs. 6 Richtlinie 2008/118/EG auch auf Fälle angewendet werden, bei denen nur eine Teilmenge der unter Steueraussetzung beförderten verbrauchsteuerpflichtigen Waren nicht am Bestimmungsort eintrifft?

2. Ist Art. 20 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG dahingehend auszulegen, dass die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung erst dann endet, wenn der Empfänger das bei ihm eingetroffene Transportmittel vollständig entladen hat, so dass die Feststellung einer Fehlmenge während des Entladevorgangs noch während der Beförderung erfolgt?

3. Steht Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Buchstabe a Richtlinie 2008/118/EG einer nationalen Vorschrift entgegen, nach der die Erhebungskompetenz des Bestimmungsmitgliedstaats (neben dem Ausschluss der in Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2008/118/EG geregelten Fälle) allein von der Feststellung des Eintritts einer Unregelmäßigkeit und der Unmöglichkeit der Ermittlung des Orts, an dem die Unregelmäßigkeit begangen worden ist, abhängig gemacht wird, ohne dass eine Feststellung erforderlich ist, dass die verbrauchsteuerpflichtigen Waren durch ihre Entnahme aus dem Verfahren der Steueraussetzung in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt worden sind?

4. Ist Art. 7 Abs. 2 Buchstabe a Richtlinie 2008/118/EG dahingehend auszulegen, dass bei der Feststellung einer Unregelmäßigkeit nach Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG eine Überführung der in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten und am Bestimmungsort nicht eingetroffenen verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr in sämtlichen Fällen anzunehmen ist, in denen der in Art. 7 Abs. 4 Richtlinie 2008/118/EG vorgesehene Nachweis der vollständigen Zerstörung oder des unwiederbringlichen Verlustes der festgestellten Fehlmenge nicht erbracht werden kann?"

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In seinem Urteil BP Europa SE vom 28. Januar 2016 C-64/15 (EU:C:2016:62) hat der EuGH auf diese Fragen wie folgt geantwortet:

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"1. Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG ist dahin auszulegen, dass die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung im Sinne dieser Bestimmung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens dann endet, wenn der Empfänger dieser Waren nach vollständiger Entladung des sie befördernden Transportmittels festgestellt hat, dass die Warenmenge geringer ist als die Menge, die ihm tatsächlich hätte geliefert werden sollen.

2. Art. 7 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 ist dahin auszulegen, dass

- zu den von ihnen geregelten Fällen der von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erfasste Fall nicht gehört und

- der Umstand, dass in einer nationalen Vorschrift zur Umsetzung von Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/118 wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht ausdrücklich erwähnt wird, dass die Unregelmäßigkeit im Sinne dieser Richtlinienbestimmung die Überführung der betreffenden Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr zur Folge gehabt haben muss, der Anwendung dieser nationalen Vorschrift bei der Feststellung von Fehlmengen, die notwendigerweise eine solche Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr nach sich ziehen, nicht entgegenstehen kann.

3. Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie 2008/118 ist dahin auszulegen, dass er nicht nur dann anwendbar ist, wenn die gesamte Menge der in einem Verfahren der Steueraussetzung beförderten Waren nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen ist, sondern auch dann, wenn nur eine Teilmenge dieser Waren nicht am Bestimmungsort eintrifft."

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Nach Auffassung der Klägerin verbleibt nach dem Urteil des EuGH für Art. 10 Abs. 4 Richtlinie 2008/118/EG nahezu kein Anwendungsbereich mehr. Im Ergebnis werde eine Fehlmenge, die stets spätestens bei der Entladung des Transportmittels durch den Empfänger der Sendung festgestellt werde, auch stets als während der Beförderung festgestellt anzusehen sein. Da die Fehlmenge zudem auch als eine Unregelmäßigkeit qualifiziert werde, die bei nicht widerlegter Vermutungsregelung eine Überführung der im Steueraussetzungsverfahren beförderten Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr zur Folge habe, werde man im Ergebnis auf der Grundlage der EuGH-Entscheidung für festgestellte Fehlmengen stets die Voraussetzungen des Besteuerungsrechts des Empfangsstaats bzw. des HZA gemäß § 14 Abs. 3 EnergieStG als erfüllt ansehen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Zu Recht hat das FG geurteilt, dass im Streitfall die Energiesteuer nach § 14 Abs. 2 EnergieStG entstanden ist und Deutschland gemäß § 14 Abs. 3 EnergieStG die Erhebungskompetenz zusteht.

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1. Sofern die im Steuerversandverfahren beförderten Energieerzeugnisse nicht an bestimmte bezugsberechtigte Personen abgegeben worden sind, entsteht nach § 14 Abs. 2 EnergieStG die Energiesteuer, wenn während der Beförderung von Energieerzeugnissen nach den §§ 10, 11 und 13 EnergieStG im Steuergebiet eine Unregelmäßigkeit eintritt. Als Unregelmäßigkeit gilt nach § 14 Abs. 1 EnergieStG ein Fall, aufgrund dessen die Beförderung oder ein Teil der Beförderung nicht ordnungsgemäß beendet werden kann. Wird während der Beförderung unter Steueraussetzung aus einem Steuerlager in einem anderen Mitgliedstaat im Steuergebiet der Eintritt einer Unregelmäßigkeit festgestellt, ohne dass der Ort des Eintritts der Unregelmäßigkeit ermittelt werden kann, gilt diese nach § 14 Abs. 3 EnergieStG als im Steuergebiet und zum Zeitpunkt der Feststellung als eingetreten, so dass Deutschland hinsichtlich der danach im Steuergebiet entstandenen Energiesteuer die Erhebungskompetenz zusteht.

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a) Im Streitfall liegen hinsichtlich der von der KG bei der Entladung des Tankschiffs ermittelten Fehlmenge, die die Toleranzgrenze von 0,2 % des Ladevolumens übersteigt, die Voraussetzungen für eine Entstehung der Energiesteuer im Steuergebiet vor. Denn nur in den Fällen, in denen die Toleranzgrenze, die jeder Mitgliedstaat nach Art. 7 Abs. 5 Richtlinie 2008/118/EG selbst festlegen kann, nicht überschritten worden ist, kann davon ausgegangen werden, dass die von ihr erfassten Energieerzeugnisse aufgrund ihrer Beschaffenheit als unwiederbringlich verloren gegangen anzusehen sind oder wegen Messtoleranzen eine Fehlmenge tatsächlich nicht vorliegt (Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung --VSF-- V 99 53 Abs. 176 Satz 2 i.V.m. VSF V 82 15 Abs. 5 Buchst. g).

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Im Streitfall liegt hinsichtlich der die Toleranzgrenze übersteigenden Fehlmenge auch eine zur Steuerentstehung führende Unregelmäßigkeit vor. Vom Eintritt einer solchen ist nach § 14 Abs. 1 EnergieStG auszugehen, wenn die Beförderung oder ein Teil davon nicht ordnungsgemäß beendet werden konnte. Die streitgegenständlichen Energieerzeugnisse sind mit einem elektronischen Verwaltungsdokument aus einem in den Niederlanden gelegenen Steuerlager unter Steueraussetzung in das Steuergebiet befördert worden. Im Steuergebiet ist die im Verwaltungsdokument angegebene Menge Gasöl unstreitig nicht vollständig angekommen, so dass hinsichtlich der festgestellten Mengendifferenz eine ordnungsgemäße Beendigung des Steuerversandverfahrens durch Aufnahme der Energieerzeugnisse in das empfangende Steuerlager (§ 11 Abs. 4 Satz 2 EnergieStG) nicht möglich gewesen ist. Aus den Umständen, dass ein Teil der Beförderung nicht ordnungsgemäß beendet werden konnte und dass eine Fehlmenge festgestellt worden ist, lässt sich auf einen während der Beförderung eingetretenen Fall schließen, der von § 14 Abs. 1 EnergieStG als Unregelmäßigkeit definiert wird. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen wie im Streitfall keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die am Bestimmungsort festgestellte Fehlmenge darauf zurückzuführen ist, dass ein Teil der im Verwaltungsdokument angegebenen Menge tatsächlich nicht im Steuerversandverfahren befördert wurde, weil sie z.B. versehentlich im Steuerlager verblieben oder weil die geladene Menge unzutreffend ermittelt worden ist, oder dass die Energieerzeugnisse aufgrund ihrer Beschaffenheit oder infolge unvorhersehbarer Ereignisse oder höherer Gewalt vollständig zerstört oder unwiederbringlich verloren gegangen sind. Den Nachweis für einen solchen Geschehensablauf zu führen, würde den am Steueraussetzungsverfahren Beteiligten --insbesondere dem Inhaber des Steuerversandverfahrens-- obliegen (§ 8 Abs. 1a Satz 3 EnergieStG). Im Streitfall hat die Klägerin lediglich vorgebracht, es sei denkbar, dass die Fehlmenge nie befördert worden sei, ohne jedoch konkrete Anhaltspunkte dafür zu geben, worauf im Streitfall eine solche Annahme beruhen könnte. Auch andere Umstände, wie das Auftreten ungewöhnlich hohen Schwunds oder einen Fall höherer Gewalt, hat sie nicht substantiiert geltend gemacht.

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b) Zu Recht hat das FG geurteilt, dass die Aufnahme der Energieerzeugnisse in das Steuerlager, d.h. der Vorgang des Löschens der auf dem Transportmittel befindlichen Ware, noch während der Beförderung unter Steueraussetzung stattfindet. Da nach den gesetzlichen Vorgaben in § 11 Abs. 4 EnergieStG die Beförderung erst mit der Aufnahme der Energieerzeugnisse in das empfangende Steuerlager endet (§ 11 Abs. 4 Satz 2 EnergieStG), kann das Umpumpen von Gasöl aus dem jeweiligen Transportmittel (z.B. Tankschiff oder Tankfahrzeug) in das Tanklager des Empfängers nicht als ein der Beendigung des Beförderungsverfahrens nachgelagerter Vorgang angesehen werden. Vielmehr ist das Löschen der Fracht der abschließende Teil des Beförderungsvorgangs, der zur körperlichen Aufnahme in das Steuerlager führt und erst die Möglichkeit zur Feststellung von Mengendifferenzen eröffnet (Soyk, Energie- und Stromsteuerrecht, Kapitel 9, Rz 153; Jatzke in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, EnergieStG, StromStG, § 14 EnergieStG Rz 21). Diese Rechtsauffassung entspricht auch der Auslegung des Art. 20 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG durch den EuGH.

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c) Im Streitfall wurde beim Abladen des aus den Niederlanden unter Steueraussetzung versandten Gasöls im Steuergebiet auf dem Firmengelände der KG eine Fehlmenge festgestellt, die wie bereits ausgeführt als Nachweis dafür herangezogen werden kann, dass zumindest ein Teil der Beförderung nicht ordnungsgemäß beendet werden konnte. Hinsichtlich der Fehlmenge, die die akzeptierte Toleranzgröße von 0,2 % übersteigt und somit nicht auf eine vollständige Zerstörung oder einen unwiederbringlichen Verlust i.S. des § 8 Abs. 1a EnergieStG zurückgeführt werden kann, ist somit ein Fall eingetreten, der als eine Unregelmäßigkeit nach § 14 Abs. 1 EnergieStG gilt. Da der Ort des Eintritts der Unregelmäßigkeit unstreitig nicht ermittelt werden konnte, gilt nach § 14 Abs. 3 EnergieStG die Unregelmäßigkeit als im Steuergebiet und zum Zeitpunkt ihrer Feststellung als eingetreten. Nach § 14 Abs. 2 EnergieStG führt im Fall einer Beförderung nach § 11 EnergieStG der Eintritt einer Unregelmäßigkeit im Steuergebiet zur Entstehung der Energiesteuer, so dass das HZA die Klägerin zu Recht als Steuerschuldnerin der in Deutschland entstandenen Energiesteuer in Anspruch genommen hat.

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2. Trotz der unvollständigen Umsetzung des Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG in nationales Recht steht das Unionsrecht einer Anwendung des § 14 Abs. 3 EnergieStG auf den Streitfall nicht entgegen.

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a) Die in § 14 EnergieStG getroffenen Regelungen dienen der Umsetzung des Art. 10 Richtlinie 2008/118/EG. Diese Vorschrift regelt die Erhebungskompetenz der Mitgliedstaaten im Fall von Unregelmäßigkeiten, die bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren in einem Verfahren der Steueraussetzung eingetreten sind und die zur Entstehung der Verbrauchsteuer nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2008/118/EG durch Entnahme der Ware aus dem Steueraussetzungsverfahren geführt haben. Sie dient damit der Verhinderung von Kompetenzkonflikten zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. Rz 74 der Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache Cipriani C-395/00, EU:C:2002:209). Als Unregelmäßigkeit gilt nach Art. 10 Abs. 6 Richtlinie 2008/118/EG ein während der Beförderung eintretender Fall, aufgrund dessen eine Beförderung oder ein Teil einer Beförderung nicht nach Art. 20 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG --insbesondere durch Übernahme der Ware durch den Empfänger-- beendet wurde.

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b) Der Fall, dass lediglich ein Teil der Sendung nicht am Bestimmungsort eintrifft, ohne dass sich der Ort der Unregelmäßigkeit feststellen lässt, wird von Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG geregelt. In diesem Fall gilt die Unregelmäßigkeit als in dem Mitgliedstaat und zu dem Zeitpunkt eingetreten, in dem bzw. zu dem sie entdeckt wurde, weshalb dem feststellenden Mitgliedstaat die Erhebungskompetenz zusteht. Allerdings ist diese Fiktion an die Voraussetzung geknüpft, dass die Unregelmäßigkeit die Überführung der betreffenden Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2008/118/EG zur Folge gehabt haben muss. Wie der EuGH ausgeführt hat, muss eine nationale Vorschrift, die der Umsetzung des Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG dient, diese Voraussetzung enthalten, was jedoch bei § 14 Abs. 3 EnergieStG nicht der Fall ist. Trotz der mangelhaften Umsetzung der Vorgaben des Unionsrechts kann § 14 Abs. 3 EnergieStG in richtlinienkonformer Auslegung auf den Streitfall Anwendung finden, weil der EuGH entschieden hat, dass der Umstand, dass in einer nationalen Vorschrift zur Umsetzung des Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG nicht ausdrücklich erwähnt wird, dass die Unregelmäßigkeit die Überführung der betreffenden Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr zur Folge gehabt haben muss, der Anwendung der nationalen Vorschrift nicht entgegensteht. Nach den unionsrechtlichen Vorgaben ist § 14 Abs. 3 EnergieStG dahin auszulegen, dass die Unregelmäßigkeit --mit der Folge der Steuerentstehung-- nur dann als im Steuergebiet eingetreten gilt, wenn sie die Überführung der Fehlmengen in den steuerrechtlich freien Verkehr zur Folge gehabt hat.

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Diese Voraussetzung ist im Streitfall mit der Feststellung der Fehlmenge noch während des Entladevorgangs erfüllt. Denn nach Ansicht des EuGH muss eine Unregelmäßigkeit, die während der Beförderung unter Steueraussetzung festgestellt wird, notwendigerweise zur Entnahme der Waren aus dem Verfahren der Steueraussetzung und damit zu deren Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2008/118/EG geführt haben. Somit kann dem Argument der Revision nicht gefolgt werden, eine Anwendung des § 14 Abs. 3 EnergieStG im Streitfall scheide allein deshalb aus, weil die Ursache der Fehlmenge unbekannt ist, und weil das HZA die Entnahme des Energieerzeugnisses aus dem Verfahren der Steueraussetzung nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. a Richtlinie 2008/118/EG und den Ort der Entnahme nicht nachgewiesen hat.

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c) Entgegen der vor der EuGH-Entscheidung vertretenen Auffassung der Revision kann im Streitfall Art. 10 Abs. 4 Richtlinie 2008/118/EG keine Anwendung finden, so dass den Niederlanden keine Erhebungskompetenz hinsichtlich der festgestellten Fehlmenge zusteht. Diese Bestimmung regelt den Fall, dass im Steueraussetzungsverfahren beförderte Waren nicht an ihrem Bestimmungsort eingetroffen sind, wobei während der Beförderung unter Steueraussetzung keine Unregelmäßigkeit festgestellt worden ist. Zwar ist nach der Rechtsauffassung des EuGH Art. 10 Abs. 4 Richtlinie 2008/118/EG auch auf Fälle anwendbar, in denen nur eine Teilmenge der Waren nicht am Bestimmungsort eintrifft, doch kann auf das Erfordernis der fehlenden Feststellung einer Unregelmäßigkeit vor der Beendigung der Beförderung nicht verzichtet werden. Wie bereits ausgeführt, ist im Streitfall noch vor der Beendigung der vollständigen Entladung des Tankschiffs eine Fehlmenge und damit auch eine Unregelmäßigkeit festgestellt worden, so dass die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 4 Richtlinie 2008/118/EG nicht erfüllt sind. Es muss daher bei der Anwendung des Art. 10 Abs. 2 Richtlinie 2008/118/EG bzw. des § 14 Abs. 3 EnergieStG und damit bei der Erhebungskompetenz Deutschlands bleiben.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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