Urteil vom Bundesfinanzhof (10. Senat) - X R 26/14
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 28. November 2013 1 K 159/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30. März 2007 Insolvenzverwalter über das Vermögen des S. Zusammen mit seiner Ehefrau ist S in den Streitjahren 2008 und 2009 zur Einkommensteuer veranlagt worden.
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S war als Gesellschafter an der D-GbR beteiligt. Die D-GbR bestand aus 70 Gesellschaftern, deren Gewinnanteile nach Maßgabe der vom jeweiligen Gesellschafter erwirtschafteten Umsätze nach Abzug eines hierdurch verursachten Kostenanteils ermittelt wurden.
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Ab Mai 2007 überwies die D-GbR dem Kläger auf dessen Veranlassung monatlich den als pfändbar berechneten Betrag in Höhe von 755,45 €.
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Im Bericht zur ersten Gläubigerversammlung am 15. Juni 2007 teilte der Kläger mit, S halte seine Tätigkeit bei der GbR aufrecht. Ob die Mitgesellschafter sein nach dem Gesellschaftsvertrag vorgesehenes Ausscheiden verlangt hätten, sei nicht bekannt.
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S informierte den Kläger im Juni 2008 darüber, dass er seit dem 1. des Monats als angestellter Geschäftsführer der Ltd. mit einem nichtpfändbaren Nettoeinkommen tätig sei. Daraufhin stellte die D-GbR ab Juni 2008 ihre Zahlungen an den Kläger ein.
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Es war geplant, dass die Ltd., deren alleinige Gesellschafterin die Ehefrau des S war, Beteiligte der D-GbR werden und den auf die bisherige Tätigkeit des Klägers entfallenden Gewinnanteil vereinnahmen sollte. Zu einer Beteiligung der Ltd. an der D-GbR ist es in der Folgezeit jedoch nicht gekommen. S setzte seine bisherige Tätigkeit für die bzw. in der D-GbR fort.
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Im Oktober 2008 teilte der Kläger der D-GbR auf Nachfrage mit, diese habe aufgrund des Ausscheidens des "Arbeitnehmers" S keine weiteren Beträge an ihn zu zahlen. Zu diesem Zeitpunkt war dem Kläger der tatsächliche Sachverhalt nicht bekannt.
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Das zuständige Feststellungsfinanzamt stellte für das Streitjahr 2008 einen Gewinnanteil des S aus seiner Beteiligung an der D-GbR in Höhe von 77.443,28 € und für das Streitjahr 2009 in Höhe von 57.772,63 € fest. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte durch Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre die sich hieraus ergebende Einkommensteuer gegenüber dem Kläger fest, da es davon ausging und auch weiterhin ausgeht, es handele sich insoweit um Masseverbindlichkeiten.
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Während des Einspruchsverfahrens wandte sich der Kläger an die D-GbR und bat um Auskunft über die Höhe der Einkünfte des S. Diese zahlte in der Folge für die Monate Juni 2008 bis Januar 2009 jeweils den Betrag von 755,45 € und aufgrund von Einkommensveränderungen einen weiteren Betrag von 783,77 € nach.
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Den Einspruch wies das FA zurück, da aus seiner Sicht Masseverbindlichkeiten vorlägen. S sei in den Streitjahren selbständig i.S. des § 35 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) tätig gewesen. Diese Tätigkeit habe der Kläger nicht ausdrücklich freigegeben. Vielmehr habe er in seinem Bericht vom 15. Juni 2007 erklärt, die Beteiligung des S an der GbR gehöre zur Masse. Somit sei auch die auf den Gewinnanteil aus dieser Beteiligung entfallende Einkommensteuer Masseverbindlichkeit.
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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2014, 1407).
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Der Kläger macht mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend.
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Die D-GbR sei mit der Insolvenzeröffnung nach § 728 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) aufgelöst worden und S als Gesellschafter zu diesem Zeitpunkt aus der Gesellschaft ausgeschieden. Das Steuerrecht habe insoweit das Gesellschaftsrecht zu beachten. Die D-GbR hätte deshalb das Kapital und die Arbeitskraft des Insolvenzschuldners abrechnen und einen Abfindungsbetrag an den Kläger auskehren müssen. Dies sei nicht geschehen. S sei faktisch in der D-GbR verblieben und habe die von ihm der GbR geschuldeten Arbeitsleistungen erbracht. Der Steuerberater des S habe dessen Einkommen abgerechnet und aufgeteilt, ohne jedoch dem Kläger mitzuteilen, dass S keine Steuern zahle.
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Aufgrund der beschriebenen Situation habe S allein seine Arbeitskraft der D-GbR zur Verfügung gestellt. Soweit pfändbarer Arbeitslohn als Neuerwerb zur Masse gelangt sei, handele es sich bei den darauf entfallenden Einkommensteuern nicht um eine Masseverbindlichkeit, da in dessen Vereinnahmung keine Verwaltung der Insolvenzmasse in anderer Weise nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu sehen sei und andere Tatbestände des § 55 InsO nicht erfüllt seien.
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Das Instrument der Freigabe nach § 35 Abs. 2 InsO habe es mangels Geltung dieser Vorschrift (noch) nicht gegeben. Es stehe fest, dass S die Steuern, die aus seiner Tätigkeit neu entstanden seien, zu bezahlen habe. Die höchstpersönliche Arbeitskraft eines Insolvenzschuldners falle nicht in die von dem Insolvenzverwalter zu verwaltende Insolvenzmasse. Dies habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinen Urteilen vom 24. Februar 2011 VI R 21/10 (BFHE 232, 318, BStBl II 2011, 520) und vom 18. September 2012 VIII R 47/09 (BFH/NV 2013, 411) zu den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit bereits entschieden.
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Unabhängig hiervon sei zu beachten, dass S am 1. Juni 2008 aus der D-GbR ausgetreten und für die Ltd. tätig geworden sei.
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Der Kläger beantragt,
das FG-Urteil und die Einkommensteuerbescheide 2008 und 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. November 2012 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Der Insolvenzschuldner habe nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus nicht freigegebenem Vermögen bezogen. Unerheblich sei seine Tätigkeit für die Ltd., da diese nur auf dem Papier existiert habe.
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Der Kläger habe von der Tätigkeit des Insolvenzschuldners gewusst und diese gebilligt. Auf seine Anforderung hin seien Erträge zur Masse gelangt. Eine ausdrückliche Freigabe der Vermögenswerte aus der Masse habe der Kläger nicht erklärt.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Das FG musste das Verfahren weder nach § 74 FGO aussetzen (unter a) noch hat die Insolvenzeröffnung zu einer partiellen Unterbrechung des Feststellungsverfahrens geführt, die Einfluss auf das Klageverfahren haben könnte (unter b).
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a) Zwar muss ein Klageverfahren gegen einen Einkommensteuerbescheid regelmäßig ausgesetzt werden, wenn in ihm Einwendungen erhoben werden, über die in einem gesonderten Grundlagenbescheid --unabhängig davon, ob er bereits ergangen ist-- zu entscheiden ist. Voraussetzung ist jedoch eine Vorgreiflichkeit, die fehlt, wenn die Vorfrage im anhängigen Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ist. Dies ist der Fall, wenn die Einwendungen nicht das Gewinnfeststellungsverfahren, sondern die insolvenzrechtliche Zuordnung der Einkommensteuern betreffen (weiterführend: BFH-Urteil vom 16. Juli 2015 III R 32/13, BFHE 251, 102, BStBl II 2016, 251, unter II.1., m.w.N.).
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Über die Frage, ob die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Einkommensteuerforderungen aus Gewinnanteilen an der D-GbR als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren oder dem insolvenzfreien Vermögen des Insolvenzschuldners zuzuordnen sind, ist nicht im einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsverfahren, sondern im Einkommensteuerfestsetzungsverfahren zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 251, 102, BStBl II 2016, 251, unter II.1.b, m.w.N.).
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht für den Fall, dass das Feststellungsverfahren fehlerhaft durchgeführt worden sein sollte. Solche Fehler wären im Feststellungsverfahren geltend zu machen und dort zu prüfen.
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b) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führte nicht zu einer (partiellen) Unterbrechung des Feststellungsverfahrens. Dies wäre nur insoweit der Fall, als Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) betroffen sind (ebenso BFH-Urteil vom 24. August 2004 VIII R 14/02, BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246; auch Roth, Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl., Rz 3207). Vorliegend sind jedoch keine Insolvenzforderungen im Streit, da der Einkünftetatbestand nicht vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2007 verwirklicht wurde (vgl. zur Abgrenzung insoweit und zur Verwirklichung des Besteuerungstatbestands z.B. Senatsurteil vom 9. Dezember 2014 X R 12/12, BFH/NV 2015, 988, unter II.2.a), so dass das Feststellungsverfahren fortgesetzt werden kann (vgl. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl., S. 303). Folglich kann (und muss) ein Feststellungsbescheid erlassen werden, eine Unterbrechung analog § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) tritt nicht ein. Schließlich ist es notwendig, auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter für Masseverbindlichkeiten bzw. gegenüber dem Schuldner für insolvenzfreies Vermögen Steuerbescheide erlassen und die insolvenzrechtliche Qualifikation vornehmen zu können (so wohl auch Waza/Uhländer/Schmittmann, Insolvenzen und Steuern, 11. Aufl., Rz 536).
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2. Das FG hat zu Recht erkannt, dass die auf den festgestellten Gewinnen beruhenden Einkommensteuerschulden der Streitjahre als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 InsO zu qualifizieren sind (unter a und b). Unerheblich ist, dass der Kläger die dem Insolvenzschuldner zugerechneten Gewinnanteile nicht vollständig zur Masse ziehen konnte (unter c). Die aus der Beteiligung resultierenden Einkommensteuern sind auch zutreffend durch Steuerbescheid gegenüber dem Kläger und der Ehefrau des Insolvenzschuldners festgesetzt worden (unter d). Ohne Relevanz im Rahmen der vorliegenden Einkommensteuerfestsetzung ist die gegebene Masseunzulänglichkeit (unter e).
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a) Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Steueransprüche, die als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 InsO zu qualifizieren sind, sind gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festzusetzen und von diesem vorweg aus der Insolvenzmasse zu befriedigen. Sonstige nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete Steueransprüche sind insolvenzfrei und gegen den Schuldner festzusetzen (vgl. nur BFH-Urteil in BFHE 251, 102, BStBl II 2016, 251, unter II.2., m.w.N.).
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Entscheidend für die Qualifikation der Einkommensteuerschulden als Masseverbindlichkeiten ist hier mangels Vorliegen der anderen Alternativen, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO gegeben sind. Danach sind Masseverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.
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b) Im Streitfall erfüllen die Einkommensteuerschulden des Klägers für die Streitjahre die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO. Sie resultieren aus der Verwaltung eines zur Masse gehörenden Anteils an einer Gesellschaft, die entweder nach der Insolvenz von S fortgeführt oder neu begründet worden ist. Somit liegen Masseverbindlichkeiten vor, die gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter geltend zu machen sind.
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aa) Vorliegend steht aufgrund der wirksamen einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für das hier zu beurteilende Folgeverfahren der Einkommensteuerfestsetzung nach § 182 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) bindend fest, dass diese Einkommensteuern aus Einkünften des S als Mitunternehmer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) herrühren und nicht etwa aus anderen selbständigen (gewerblichen) oder nichtselbständigen Tätigkeiten.
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bb) Die Einkommensteuerschuld, die aus einer fortgeführten oder neu begründeten Beteiligung an einer Gesellschaft resultiert, ist eine Masseverbindlichkeit.
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Im Streitfall gehört der Gesellschaftsanteil an der D-GbR zur Insolvenzmasse gemäß § 35 InsO. Dies gilt sowohl für den Fall, dass dieser mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits zur Masse gehörte, als auch dann, wenn er erst danach neu begründet worden sein sollte.
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Sollten die Einkommensteuern aus einem von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an zur Masse gehörenden Gesellschaftsanteil an einer GbR resultieren, aus welcher der Insolvenzschuldner nicht ausgeschieden ist, liegen nach dem Senatsurteil vom 18. Mai 2010 X R 60/08 (BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429, unter II.3.) Masseverbindlichkeiten vor. Nichts anderes gilt, wenn der Insolvenzschuldner zivilrechtlich aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwingend von Gesetzes wegen aus der Gesellschaft ausscheidet, sie jedoch von ihm und den bisherigen Gesellschaftern fortgesetzt wird. In diesem Falle wäre steuerrechtlich dennoch von einer Gesellschaftsbeteiligung des Insolvenzschuldners an der (ggf. neuen) GbR auszugehen.
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(1) Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters wird eine GbR gemäß § 728 Abs. 2 Satz 1 BGB aufgelöst. Eine Fortsetzung unter den übrigen Gesellschaftern ist möglich, wenn eine entsprechende Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag getroffen worden ist (§ 736 Abs. 1 BGB). Der insolvente Gesellschafter scheidet gemäß § 736 Abs. 1 BGB aus der GbR aus. Er erhält nach § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Abfindungsanspruch, der der Masse zusteht (vgl. Schäfer in MünchKommBGB, § 728 Rz 31, 44, m.w.N.). Es kann dahinstehen, ob die Fortführung der (bisherigen) GbR mit dem Insolvenzschuldner zivilrechtlich möglich ist (ablehnend Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Aufl., § 728 BGB Rz 2; Bergmann in jurisPK-BGB, 7. Aufl., § 728 BGB Rz 6; Hadding/Kießling in: Soergel, § 728 Rz 17; a.A. wohl Schäfer in MünchKommBGB, § 728 Rz 44). Allerdings sollen die Mitgesellschafter nicht gehindert sein, den insolventen Gesellschafter unbeschadet des der Insolvenzmasse zustehenden Abfindungsanspruchs als neues Mitglied aufzunehmen – ohne Verfügungsbeschränkung nach § 80 InsO (so jedenfalls Schäfer in MünchKommBGB, § 728 Rz 44, m.w.N.). Da bereits die Gründung einer GbR konkludent und formfrei möglich ist (vgl. statt aller Palandt/Sprau, a.a.O., § 705 Rz 11 f.), dürfte dasselbe für die Aufnahme eines Gesellschafters in eine bestehende GbR gelten.
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(2) Im Streitfall ist jedoch nicht die zivilrechtliche, sondern die steuerrechtliche Beurteilung maßgebend. Denn selbst wenn eine Fortführung der Tätigkeit mit dem insolventen Gesellschafter in einer (neuen) GbR zivilrechtlich nicht möglich sein sollte, müssen die sich aus §§ 40, 41 Abs. 1 AO ergebenden Wertungen in den Blick genommen werden. Diese Vorschriften sind Ausdruck der vom Gesetzgeber bewusst getroffenen und in der AO vor die Klammer gezogenen Grundsatzentscheidung, die Besteuerung insgesamt wertneutral bzw. vordergründig an wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtet durchzuführen (vgl. auch Senatsurteil vom 3. Februar 2016 X R 25/12, BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391, unter II.1.b, m.w.N.).
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Vorliegend bedeutet dies, dass unabhängig von der zivilrechtlichen Rechtslage bei einem Ausscheiden des S aus der D-GbR steuerrechtlich von einer --wirtschaftlich-- neu begründeten Beteiligung des S an einer GbR mit den bisherigen Gesellschaftern ausgegangen werden kann. Dies ist Folge der faktischen Fortführung der GbR durch ihre bisherigen Gesellschafter, einschließlich des S, und zeigt sich vor allem auch im Vorliegen entsprechender Gewinnfeststellungsbescheide.
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(3) Der (neue) Gesellschaftsanteil an der (neuen) GbR ist steuerrechtlich Teil der Insolvenzmasse (unter (a)) und führt aufgrund einer Verwaltungsmaßnahme des Klägers zu Masseverbindlichkeiten (unter (b)).
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(a) Nach § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Insolvenzschuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Dies führt vorliegend dazu, dass sowohl der bisherige Gesellschaftsanteil an der GbR zur Insolvenzmasse gehören würde, wie auch ein Gesellschaftsanteil an einer neuen GbR nicht insolvenzfrei erworben werden könnte. Auch im letzteren Fall wäre dieser Neuerwerb massezugehörig und grundsätzlich von der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters erfasst (§ 80 Abs. 1 InsO; ebenso bereits BFH-Urteil in BFHE 251, 102, BStBl II 2016, 251, unter II.4.b).
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(b) Zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten gehören nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO auch die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet wurden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Danach kann eine Einkommensteuerschuld als Masseverbindlichkeit durch eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters (BFH-Urteil in BFHE 232, 318, BStBl II 2011, 520) oder kraft Gesetzes entstehen (BFH-Urteil vom 29. August 2007 IX R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145).
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Ein Unterlassen des Insolvenzverwalters genügt nur, wenn er dadurch eine Amtspflicht zum Tätigwerden verletzt (Senatsurteil vom 18. Mai 2010 X R 11/09, BFH/NV 2010, 2114). Lediglich die Duldung einer (freiberuflichen) Tätigkeit des Insolvenzschuldners durch den Insolvenzverwalter oder dessen bloße Kenntnis macht die Einkommensteuer, die aufgrund dieser Einkünfte entsteht, nicht zu einer Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 411).
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In der Geltendmachung eines Anspruchs auf Auszahlung der Einkünfte aus der GbR, der diese durch die Überweisungen ab Mai 2007 folgte, liegt eine Verwaltungshandlung nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO. Diese Tätigkeit des Klägers stellt erkennbar mehr als ein bloßes Dulden dar. Bereits sein Bericht zur ersten Gläubigerversammlung unterstreicht dies.
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(4) Eine Freigabe durch den Kläger als Insolvenzverwalter ist nicht erfolgt, so dass der Anteil an der (neuen) GbR in den Streitjahren Teil der Insolvenzmasse geblieben ist. Die hieraus resultierenden Einkommensteuern stellen deshalb Masseverbindlichkeiten dar. Letzteres gilt auch für die Zeit ab Juni 2008, als der Kläger irrigerweise annahm, der Insolvenzschuldner sei nicht mehr Gesellschafter der GbR.
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(a) Zutreffend geht das FG davon aus, dass eine Freigabe vom Kläger nicht erklärt worden ist, wenn es feststellt, dass eine solche Erklärung bezogen auf die Beteiligung des Insolvenzschuldners an der GbR für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht vorliegt. Für die Zeit ab Juni 2008, in dem die GbR die Zahlungen an den Kläger einstellte und S dem Kläger mitteilte, er sei nun als angestellter Geschäftsführer der Ltd. tätig, ergibt sich nichts Gegenteiliges.
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Für den Senat bindend versteht das FG dieses Verhalten des Klägers nicht als Freigabe der Beteiligung des S an der GbR. Grundsätzlich gehört die Auslegung von Erklärungen zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 195) und bindet den Senat. Die Bindungswirkung entfällt, wenn die Auslegung des FG anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt (BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 75/00, BFHE 201, 278, BStBl II 2003, 467, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr zeigt das FG vertretbar auf, dass aufgrund des weiteren Handelns des Klägers und insbesondere der Geltendmachung des Gewinnanteils im Verfahren vor dem Landgericht eine Freigabe des Klägers nicht angenommen werden kann.
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(b) Mangels einer Freigabeerklärung kann dahinstehen, ob eine Freigabe vor Geltung des § 35 Abs. 2 InsO n.F. insolvenzrechtlich überhaupt möglich war (vgl. dazu Pape, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2013, 1145).
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c) Unerheblich ist, ob der Kläger die dem Insolvenzschuldner zugerechneten Gewinnanteile zur Masse ziehen konnte. Im Einklang mit der Rechtsprechung des IV. Senats des BFH (Urteil vom 16. Mai 2013 IV R 23/11, BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759) kommt es aus Sicht des Senats hierauf (nicht mehr) an (so schon Senatsurteil in BFH/NV 2015, 988).
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d) Die als Masseverbindlichkeit zu qualifizierenden Einkommensteuern der Streitjahre sind zu Recht im Rahmen von --dem Kläger und der Ehefrau des S einzeln bekanntgegebenen-- Zusammenveranlagungsbescheiden für die Streitjahre (mit-)festgesetzt worden, da eine getrennte Veranlagung nicht beantragt worden ist.
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e) Unerheblich ist in diesem Verfahren, dass der Kläger Masseunzulänglichkeit nach § 210 InsO angezeigt hat. Hierin liegt allein ein Vollstreckungsverbot, welches nach § 251 Abs. 2 AO die Befugnisse des FA einschränkt, den Verwaltungsakt --hier einen Steuerbescheid-- zu vollstrecken. Dennoch ist dieser Einkommensteuerbescheid zu erlassen, die Einkommensteuer vorliegend also festzusetzen (vgl. hinsichtlich der Funktionen der Masseunzulänglichkeit nach § 210 InsO, wenn auch zur Kraftfahrzeugsteuer: BFH-Urteil vom 29. August 2007 IX R 58/06, BFHE 218, 432, BStBl II 2008, 322).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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Referenzen
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- 2007 IX R 58/06 1x (nicht zugeordnet)
- 2010 X R 60/08 1x (nicht zugeordnet)
- 2003 IV R 75/00 1x (nicht zugeordnet)
- 2015 III R 32/13 1x (nicht zugeordnet)
- 1 K 159/12 1x (nicht zugeordnet)
- 2010 X R 11/09 1x (nicht zugeordnet)
- 2013 IV R 23/11 1x (nicht zugeordnet)
- 2004 VIII R 14/02 1x (nicht zugeordnet)
- 2011 VI R 21/10 1x (nicht zugeordnet)
- 2016 X R 25/12 1x (nicht zugeordnet)
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