Beschluss vom Bundesfinanzhof (6. Senat) - VI B 25/17

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 1. Februar 2017  12 K 902/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Gründe

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Die Beschwerde des Beklagten und Beschwerdeführers (Finanzamt --FA--) ist unbegründet. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor.

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1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dabei muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 24. Mai 2012 VI B 120/11, BFH/NV 2012, 1438, m.w.N.).

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a) Das FA hält bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "in einem ... Haushalt des Steuerpflichtigen" in § 35a Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, "wie weitreichend das räumlich-funktionale Verständnis des BFH künftig auszulegen ist."

4

Es ist bereits zweifelhaft, ob das FA damit eine klärungsfähige abstrakte Rechtsfrage herausgestellt hat, insbesondere weil sie zu unbestimmt (dazu z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juni 2013 VIII B 173/12, BFH/NV 2013, 1599) bzw. zu allgemein gehalten sein dürfte (dazu z.B. BFH-Beschluss vom 7. April 2009 VIII B 191/07, BFH/NV 2009, 1078). Dies kann aber letztlich dahinstehen. Denn jedenfalls ist in der Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen haushaltsnahe Dienstleistungen i.S. von § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG, um die es im Streitfall mit der Berücksichtigung von Aufwendungen für das Ausführen von in den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommenen Hunden geht, "in einem ... Haushalt des Steuerpflichtigen" erbracht werden.

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b) Hiernach wird die haushaltsnahe Dienstleistung "in" einem Haushalt erbracht, wenn sie im räumlichen Bereich des vorhandenen Haushalts geleistet wird. Der Begriff des Haushalts ist insoweit räumlich-funktional auszulegen (Senatsurteil vom 3. September 2015 VI R 18/14, BFHE 251, 435, BStBl II 2016, 272). Deshalb werden die Grenzen des Haushalts i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG nicht ausnahmslos --unabhängig von den Eigentumsverhältnissen-- durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt. Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von Diensten, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund geleistet werden, nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG begünstigt sein. Es muss sich dabei allerdings um Tätigkeiten handeln, die ansonsten üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht und in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen (Senatsurteil vom 20. März 2014 VI R 55/12, BFHE 245, 45, BStBl II 2014, 880). Wo nach diesen Maßstäben im Einzelfall die Grenze des Haushalts zu ziehen ist, lässt sich abstrakt nicht näher bestimmen. Die Frage ist vielmehr durch Subsumtion des jeweiligen Sachverhalts unter die vorgenannten Voraussetzungen im Einzelfall zu beantworten.

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Der Senat hat zudem bereits entschieden, dass die Versorgung und Betreuung eines im Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommenen Haustieres eine haushaltsnahe Dienstleistung darstellt. Denn Tätigkeiten wie das Füttern, die Fellpflege, das Ausführen und die sonstige Beschäftigung des Tieres oder im Zusammenhang mit dem Tier erforderliche Reinigungsarbeiten fallen regelmäßig an und werden typischerweise durch den Steuerpflichtigen selbst oder andere Haushaltsangehörige erledigt (Senatsurteil vom 3. September 2015 VI R 13/15, BFHE 251, 15, BStBl II 2016, 47). Das Ausführen eines im Haushalt des Steuerpflichtigen lebenden Hundes außerhalb der Grundstücksgrenzen für ein bis zwei Stunden kann hiernach jedenfalls dann räumlich-funktional "in" dem Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, wenn der Hund zum Ausführen im Haushalt des Steuerpflichtigen abgeholt und nach dem Ausführen dorthin zurückgebracht wird. Ein solches Ausführen eines Hundes wird typischerweise durch den Steuerpflichtigen selbst oder andere Haushaltsangehörige erledigt und dient funktional dem Haushalt. Der räumliche Bezug zum Haushalt ergibt sich in einem derartigen Fall daraus, dass ein wesentlicher Teil der Dienstleistung mit der Abholung und dem Zurückbringen des in den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommenen Hundes räumlich "in" dem Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht wird. Die Vor-Ort-Betreuung eines in den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommenen Hundes, zu der auch das Ausführen des Hundes gehört (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 9. November 2016, BStBl I 2016, 1213, Anlage 1 "Tierbetreuungs- oder -pflegekosten"), weist einen unmittelbaren räumlichen Bezug zum Haushalt auf.

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2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).

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a) Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist gegeben, wenn das Finanzgericht (FG) mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (z.B. BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2011 III B 56/11, BFH/NV 2012, 178).

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b) Eine Divergenz der Vorentscheidung zum Urteil des FG Münster vom 25. Mai 2012  14 K 2289/11 E (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1674) liegt hiernach nicht vor. Zum einen ist nicht dargelegt, dass die Vorentscheidung und die vermeintliche Divergenzentscheidung zu vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind. Das Urteil des FG Münster in EFG 2012, 1674 betraf Aufwendungen für einen Hunde-Betreuungsservice, der den Hund vom Haushalt abholte und nach Ablauf der Betreuungszeit dort wieder ablieferte. Eine Betreuung in der Wohnung oder auf dem Grundstück des Steuerpflichtigen fand nicht statt. Die längerfristige außerhäusliche Betreuung eines Haustiers, z.B. über einen ganzen Tag oder während der Ferien, ist jedoch nicht mit dem bloßen Ausführen eines Hundes für ein bis zwei Stunden vergleichbar, das auch während der gewöhnlichen häuslichen Betreuung des Tieres durch den Steuerpflichtigen oder andere haushaltsangehörige Personen anfällt. Im Übrigen ist das Urteil des FG Münster in EFG 2012, 1674 durch die oben bereits aufgeführte BFH-Rechtsprechung überholt, soweit das FG Münster das Tatbestandsmerkmal "in" einem Haushalt nur im Sinne einer räumlichen Abgrenzung, nicht aber räumlich-funktional verstanden hat.

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c) Die Vorentscheidung weicht auch nicht von dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 6. Juli 2016  1 K 1252/16 (EFG 2016, 1350) ab. Sowohl die Vorentscheidung als auch das FG Rheinland-Pfalz haben sich ausdrücklich der Senatsrechtsprechung zur räumlich-funktionalen Auslegung des Tatbestandsmerkmals "in" einem Haushalt angeschlossen. Damit liegen beiden finanzgerichtlichen Entscheidungen und der Rechtsprechung des BFH dieselben abstrakten Rechtssätze zugrunde. Die unterschiedlichen Ergebnisse der finanzgerichtlichen Urteile beruhen (lediglich) auf der Rechtsanwendung im Einzelfall und insbesondere auf den völlig anders gelagerten Sachverhalten. Das Neubeziehen von Polstermöbeln in einer Werkstatt ist hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "in" einem Haushalt --anders als es das FA offenbar meint-- eben nicht vergleichbar mit dem Ausführen eines in den Haushalt aufgenommenen Hundes.

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3. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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