Beschluss vom Bundesfinanzhof (7. Senat) - VII B 112/17

Tenor

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Finanzgerichts München vom 6. Juni 2017  13 K 756/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beigeladene zu tragen.

Tatbestand

I.

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Die Beigeladene und Beschwerdeführerin (Beigeladene) und der Kläger waren verheiratet und wurden zur Einkommensteuer für die Jahre 2007 und 2008 antragsgemäß getrennt veranlagt. In der jeweiligen Anrechnungsverfügung zu den Bescheiden teilte der Beklagte (das Finanzamt --FA--) die gemeinsam gegen die damaligen Ehegatten festgesetzten Vorauszahlungen nach Köpfen. Dies führte zu Steuernachforderungen gegen die Beigeladene.

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Die Beigeladene legte dagegen unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 22. März 2011 VII R 42/10 (BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607) Einspruch ein. Das FA erließ daraufhin geänderte Bescheide mit jeweils auch geänderten Anrechnungsverfügungen. Die geleisteten Vorauszahlungen wurden zunächst auf die festgesetzten Steuern beider Ehegatten angerechnet und nur der verbleibende Rest wurde nach Kopfteilen dem Kläger und der Beigeladenen zugeordnet. Der Kläger war zu dem Einspruchsverfahren der Beigeladenen nicht hinzugezogen worden.

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Die geänderten Bescheide führten im Fall des Klägers zu Steuernachforderungen. Den dagegen gerichteten Einspruch des Klägers legte das FA als Antrag auf Erlass eines Abrechnungsbescheids aus. Gegen die daraufhin ergangenen Abrechnungsbescheide hat der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben.

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Auf Antrag des FA hat das Finanzgericht (FG) die Beigeladene mit Beschluss vom 6. Juni 2017 gemäß § 218 Abs. 3 i.V.m. § 174 Abs. 4 und 5 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) zum Verfahren beigeladen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das FG gemäß § 130 Abs. 1 Halbsatz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Bundesfinanzhof (BFH) vorgelegt.

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Die Beigeladene trägt vor, nach dem Beschluss des BFH vom 1. Juli 2014 VIII B 21/14 (BFH/NV 2014, 1900) scheide eine Beiladung aus, wenn die Beteiligten einen früheren Rechtsstreit zugunsten des Dritten beendet hätten. Dies sei hier der Fall, da das FA die ursprünglichen Anrechnungsverfügungen auf ihren Einspruch hin geändert habe. Die diesbezüglichen Verfahren seien abgeschlossen mit der Folge, dass die ausgesprochene Beiladung weder erforderlich noch zulässig sei. Auch lägen die Voraussetzungen des § 174 Abs. 5 Satz 2 AO nicht vor. Es fehle an der "irrigen Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts"; denn der vorliegende Sachverhalt sei durch die geänderten Anrechnungsverfügungen gegenüber ihr (der Beigeladenen) richtig und in Übereinstimmung mit dem Urteil des BFH in BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607 beurteilt worden. Dieser Auffassung sei erkennbar auch der Kläger, der lediglich aus verfahrensrechtlichen Gründen bestreite, dass die ursprünglich gegen ihn gerichteten Anrechnungsverfügungen nach §§ 130, 131 AO hätten geändert werden dürfen. Ein Obsiegen des Klägers hätte somit keine Rechtsfolgen für sie (die Beigeladene). Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Widerrufsvorbehalten nach § 120 Abs. 2 Nr. 3 AO in den gegen sie gerichteten Änderungsbescheiden; denn diese seien rechtswidrig und hätten so nicht erlassen werden dürfen. Eine Ausübung der Widerrufe wäre ermessenswidrig.

Entscheidungsgründe

II.

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Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen einer Beiladung nach § 218 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO vorliegen.

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1. Nach § 218 Abs. 3 Satz 1 AO können, wenn eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen wird, nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Zu einem solchen Verfahren ist eine Beiladung gemäß § 218 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO zulässig.

8

Die Beiladung nach § 218 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO ist an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Die genannten Regelungen enthalten eine Rechtsfolgenverweisung auf § 360 AO bzw. § 60 FGO (vgl. v. Groll in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 174 AO Rz 321, m.w.N.). Erforderlich ist lediglich, dass das FA die Beiladung beantragt oder veranlasst hat (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Februar 2017 VII R 22/15, BFH/NV 2017, 906, Rz 17, m.w.N.).

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Eine Beiladung ist daher insbesondere unabhängig von den Voraussetzungen des § 60 FGO zulässig (vgl. BFH-Beschluss vom 22. September 2016 X B 42/16, BFH/NV 2017, 146). Es genügt bereits, dass wegen eines der in § 218 Abs. 3 Satz 1 AO genannten Verfahren die Möglichkeit einer Folgeänderung besteht. Ist das der Fall, kann die Beiladung nur unterbleiben, wenn die Interessen Dritter durch den Ausgang des anhängigen Rechtsstreits eindeutig nicht berührt sein können (BFH-Beschluss in BFH/NV 2017, 146, Rz 11, m.w.N.). Eine abschließende Beurteilung dieser Frage ist im Beiladungsverfahren weder möglich noch erforderlich und es ist insbesondere grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die gegenüber dem Dritten erlassenen Bescheide tatsächlich geändert werden können. Denn die Frage, ob die formellen und materiellen Voraussetzungen für den Erlass etwaiger "Folgeänderungsbescheide" gegenüber dem Dritten vorliegen, ist regelmäßig in einem entsprechenden "Folgeänderungsverfahren" durch die dann zuständigen Finanzbehörden und Gerichte zu entscheiden. Sie darf nicht in das Beiladungsverfahren vorverlagert werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2017, 146; vom 15. Oktober 2010 III B 149/09, BFH/NV 2011, 404, und vom 10. Februar 2010 IX B 176/09, BFH/NV 2010, 832).

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2. Im Streitfall hat das FA die Beiladung beantragt und es besteht die Möglichkeit, dass der Kläger in dem Rechtsstreit über den gegen ihn gerichteten Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) mit seiner Auffassung durchdringt. Die Voraussetzungen einer Beiladung nach § 218 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO sind damit erfüllt. Welche Konsequenzen sich daraus letztlich für die Beigeladene ergeben, muss gegebenenfalls --wie dargelegt-- in einem Folgeverfahren geklärt werden, dessen Gegenstand dann die (möglicherweise) geänderten Bescheide gegenüber der Beigeladenen wären. In einem solchen Verfahren wären dann auch die von der Beigeladenen erhobenen Einwände zu prüfen.

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Auf den BFH-Beschluss in BFH/NV 2014, 1900 kann sich die Beigeladene nicht berufen; denn über die Frage nach der Rechtmäßigkeit der gegen sie gerichteten Anrechnungsverfügung ist weder rechtskräftig durch ein Gericht entschieden noch ist ein darüber geführtes gerichtliches Verfahren in der Hauptsache durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet worden. Die Abhilfe eines Einspruchs im Einspruchsverfahren hat nicht die Wirkung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Von einer Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren gegen einen Beiladungsbeschluss ist nur abzusehen, wenn im Sinne des Rechtsmittelantrags entschieden wird. Für ein erfolgloses Beschwerdeverfahren ist eine Kostenentscheidung zu treffen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. Juni 2012 IV B 108/11, BFH/NV 2012, 1620, und vom 7. Mai 2009 VIII B 11/09, BFH/NV 2009, 1447, beide m.w.N.).

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