Beschluss vom Bundesfinanzhof (11. Senat) - XI B 18/18

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 24. November 2017 1 K 3808/15 U wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

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Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb im Streitjahr (2007) einen Einzelhandel. Diesen Betrieb meldete sie Ende Februar 2008 wegen Betriebsaufgabe ab.

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Durch Beschluss vom 31. März 2008 ... eröffnete das Amtsgericht (AG) X das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin und bestellte Herrn ... (A) zum Insolvenzverwalter.

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Das damals für die Umsatzsteuer der Klägerin zuständige Finanzamt Z (FA Z) meldete im April 2008 die Umsatzsteuer für das Streitjahr in Höhe von ... € zur Tabelle an und übersandte A eine "Berechnung für Umsatzsteuer 2007", die es durch manuelle Änderung eines maschinell erstellten, nicht versandten Umsatzsteuerbescheids hergestellt hatte. In den Erläuterungen wurde darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine Steuerfestsetzung, sondern um eine Steuerberechnung als Grundlage für die Anmeldung zur Tabelle handele.

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Die angemeldete Forderung wurde im Prüfungstermin weder vom Insolvenzverwalter noch von der Klägerin bestritten und deshalb wie angemeldet in die Insolvenztabelle eingetragen.

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Infolge Organisationsakts der Finanzverwaltung wurde zum 1. April 2011 der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) für die Umsatzsteuer der Klägerin zuständig.

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Durch Beschluss vom 2. Juni 2014 erteilte das AG X der Klägerin Restschuldbefreiung.

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Am 17. November 2014 bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin das FA u.a. um Übersendung des Umsatzsteuerbescheids für das Jahr 2007. Das FA übersandte ihm am selben Tag einen computergenerierten, auf jeder Seite als "Doppel" gekennzeichneten Ausdruck des an A adressierten, nicht versandten Umsatzsteuerbescheids des FA Z für das Jahr 2007 vom 29. April 2008 mit dem o.g. Erläuterungstext.

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Die Klägerin nahm an, ihr sei am 17. November 2014 ein Umsatzsteuerbescheid des FA Z vom 29. April 2008 bekanntgegeben worden, und legte dagegen am 18. Dezember 2014 Einspruch ein. In der Folgezeit reichte die Klägerin eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2007 (nebst Abtretungsanzeige für das sich ergebende Guthaben) ein. Den Einspruch wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 5. November 2015 als unbegründet mit der Begründung zurück, dem FA habe bei der Übersendung des genannten Computerausdrucks am 17. November 2014 der Bekanntgabewille gefehlt. Dies sei durch den Aufdruck "Doppel", das Datum aus dem Jahr 2008 und die Angabe des durch Organisationsakt untergegangenen FA Z als erlassender Behörde nach außen dokumentiert. Die sich anschließende Klage 1 K 3807/15 U wies das Finanzgericht (FG) ab und ließ die Revision nicht zu. Dies ist Gegenstand des Verfahrens XI B 17/18.

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Daneben wurde von der Klägerin am 18. Dezember 2014 ein "Widerruf" des Tabelleneintrags gemäß den §§ 130 bis 132 der Abgabenordnung (AO) beantragt. Diesen lehnte das FA mit Bescheid vom 29. April 2015 ab. Die Umsatzsteuer 2007 sei widerspruchslos zur Tabelle festgestellt worden und damit bestandskräftig. Eine Änderung des Tabelleneintrags nach § 130 AO scheide im Streitfall aus. Dem FA stehe insoweit ein Ermessen zu. Dieses sei ermessensfehlerfrei ausgeübt, wenn die Gründe, die eine Rücknahme rechtfertigen, mit einem fristgerecht eingelegten Einspruch hätten vorgebracht werden können und keine besonderen Umstände vorliegen, nach denen die Rechtsverfolgung im Einspruchsverfahren nicht hätte erwartet werden können. Eine Änderung der Umsatzsteuer 2007 komme daher nicht in Betracht.

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Den Einspruch der Klägerin vom 2. Juni 2015 gegen den Ablehnungsbescheid vom 29. April 2015 wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 5. November 2015 als unbegründet zurück. Eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO aufgrund der im Dezember 2014 eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2007 sei nicht möglich. Da der Insolvenzverwalter die Forderungen des FA im Prüfungstermin nicht bestritten habe, sei kein Bescheid gemäß § 251 Abs. 3 AO ergangen, so dass sich die Beantwortung der Frage erübrige, ob dieser nach § 130 AO geändert werden könne. Der Tabelleneintrag wirke deshalb als rechtskräftiges Urteil. Dieser könne zwar ebenfalls nach § 130 AO geändert werden. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass die Rechtsbehelfsfristen in Teilbereichen unterlaufen würden. Mit dem Bestreiten des Tabelleneintrags habe der Insolvenzverwalter Einwendungen gegen die Umsatzsteuer 2007 vorbringen können. Auch eine Änderung nach anderen Vorschriften der AO, insbesondere § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, sei nicht möglich.

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Das FG wies die dagegen gerichtete Klage 1 K 3808/15 U ab und ließ die Revision nicht zu. Es entschied, das FA habe es zu Recht abgelehnt, den von der Klägerin begehrten Verwaltungsakt zu erlassen. Die Eintragung in die Insolvenztabelle wirke wie ein rechtskräftiges Urteil, könne allerdings nach § 130 AO geändert werden. Die Ermessensentscheidung des FA, ob es einen rechtswidrigen Verwaltungsakt ändert, sei gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Im Streitfall sei die Ermessensentscheidung des FA, die Feststellung zur Tabelle nicht zu ändern, nicht zu beanstanden. Das FA habe sein Ermessen erkannt und fehlerfrei ausgeübt, weil weder die Klägerin noch der Insolvenzverwalter der Forderungsanmeldung des FA widersprochen hätten. Besondere Umstände, die eine abweichende Beurteilung erfordern würden, seien nicht vorgetragen worden. Außerdem habe das FA zu Recht berücksichtigt, dass der Klägerin Restschuldbefreiung erteilt worden sei und die Steuerforderung sie nicht mehr belaste. Auch eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO habe das FA zu Recht abgelehnt.

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Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie wegen Verfahrensfehlern zuzulassen.

Entscheidungsgründe

II.

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Die Beschwerde ist --bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind überwiegend nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.

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1. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Verfahren XI B 18/18 bereits deshalb nicht hinreichend dargelegt, weil sie keine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage aufgeworfen hat, die das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (vgl. zu diesem Erfordernis Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. September 2017 XI B 65/17, BFH/NV 2018, 240, Rz 12 f.; vom 2. Januar 2018 XI B 81/17, BFH/NV 2018, 457, Rz 15). Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grund die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 27. November 2017 III B 179/16, BFH/NV 2018, 350, Rz 8, m.w.N.).

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2. Mit ihrem Vortrag, das Urteil des FG stehe in Widerspruch zu den BFH-Urteilen vom 24. November 2011 V R 13/11 (BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298) und vom 6. Dezember 2012 V R 1/12 (BFH/NV 2013, 906), hat die Klägerin den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) wegen Divergenz nicht hinreichend dargelegt.

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a) Zur schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrundes muss der Beschwerdeführer tragende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander so gegenüberstellen, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (z.B. BFH-Beschlüsse vom 11. Dezember 2014 XI B 49/14, BFH/NV 2015, 363, Rz 14; vom 17. November 2015 XI B 52/15, BFH/NV 2016, 431, Rz 28).

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b) Dies ist vorliegend nicht geschehen. Die Klägerin hat zwar in der Beschwerdebegründung angebliche Divergenzentscheidungen benannt, aber keine voneinander abweichenden Rechtssätze der angeblichen Divergenzentscheidungen und der Vorinstanz derart gegenübergestellt, dass eine Abweichung erkennbar wird.

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c) Eine zur Zulassung wegen Divergenz führende Nichtübereinstimmung im Rechtsgrundsätzlichen läge außerdem selbst dann nicht vor, wenn das FG von den Rechtsgrundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgegangen und diese lediglich unzutreffend auf den Einzelfall angewendet hätte (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 2017 V B 48/16, BFH/NV 2017, 629, Rz 11; vom 27. Februar 2018 XI B 97/17, BFH/NV 2018, 738, Rz 9).

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d) Im Streitfall steht das Urteil der Vorinstanz aber ohnehin in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH.

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aa) Entgegen der Annahme der Beschwerde hat das FG im Streitfall zu Recht angenommen, das FA habe sein Ermessen im Ablehnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt. Das FA habe zu Recht berücksichtigt, dass weder die Klägerin noch der Insolvenzverwalter der Forderungsanmeldung des FA widersprochen hätten, obwohl die Möglichkeit bestanden habe, mit dem Bestreiten des Tabelleneintrags Einwendungen gegen die vom FA zur Tabelle angemeldete Umsatzsteuer vorzubringen.

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bb) Diese Beurteilung ist nicht zu beanstanden. Da für die Klägerin nach der Rechtsprechung des BFH die Möglichkeit bestand, durch einen Widerspruch gemäß § 178 Abs. 2 i.V.m. § 201 Abs. 2 Satz 1 der Insolvenzordnung (InsO) den Eintritt der Urteilswirkung des Tabelleneintrags zu verhindern (vgl. BFH-Urteile vom 16. Mai 2017 VII R 25/16, BFHE 257, 515, BStBl II 2017, 934; vom 27. September 2017 XI R 9/16, BFHE 259, 221, BFH/NV 2018, 75), durfte das FA den auf § 130 AO gestützten Änderungsantrag der Klägerin nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteile in BFHE 235, 137, BStBl II 2012, 298, Rz 50; in BFH/NV 2012, 711, Rz 13; in BFH/NV 2013, 906, Rz 13; vom 11. Dezember 2013 XI R 22/11, BFHE 244, 209, BStBl II 2014, 332, Rz 31 und 32; vom 22. Oktober 2014 I R 39/13, BFHE 247, 300, BStBl II 2015, 577, Rz 27) ermessensfehlerfrei ablehnen. Das Versäumnis der Klägerin, der Forderungsanmeldung im Prüfungstermin nicht widersprochen zu haben, geht auch insoweit zu ihren Lasten.

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cc) Eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO (vgl. BFH-Urteil in BFHE 247, 300, BStBl II 2015, 577, Rz 18 ff.) oder § 172 ff. AO (vgl. BFH-Urteil in BFHE 259, 221, BFH/NV 2018, 75, Rz 42) ist ebenfalls nicht möglich. Einwendungen des Steuerpflichtigen gegen die Steuerforderungen des FA sind durch den Widerspruch im Prüfungstermin geltend zu machen.

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3. Da die Vorentscheidung zutreffend ist, ist die Revision auch nicht wegen eines schwerwiegenden Rechtsanwendungsfehlers des FG i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen. Auf die Frage, ob dieser Zulassungsgrund ebenfalls nicht hinreichend dargelegt ist (zu den Anforderungen hieran BFH-Beschluss vom 20. Februar 2018 XI B 129/17, BFH/NV 2018, 641, Rz 12, m.w.N.), kommt es deshalb nicht mehr an.

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4. Soweit die Beschwerde rügt, die Begründung des FG sei widersprüchlich und stehe nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH wendet sich die Klägerin im Übrigen gegen die sachliche Richtigkeit des Urteils. Die Sachverhalts- und Beweiswürdigung gehört jedoch revisionsrechtlich dem materiellen Recht an. Die Klägerin macht daher einen materiellen Fehler geltend, der --so er denn vorläge-- grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision rechtfertigen würde, aber keinen Verfahrensfehler (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Juni 2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584, Rz 47; vom 2. März 2017 XI B 81/16, BFH/NV 2017, 748, Rz 30, 34).

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5. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO von einer weiteren Begründung ab.

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