Urteil vom Bundesfinanzhof (5. Senat) - V R 55/17

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 21. Dezember 2016  14 K 3821/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

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Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb in den Streitjahren 2007 bis 2010 mit dem Anbau von Mais und Getreide ein landwirtschaftliches Unternehmen. Zusätzlich erbrachte er Dienstleistungen an andere Landwirte, für die er Getreide und Mais erntete. Dafür verwendete er einen auch im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzten Mähdrescher. Am 29. September 2009 erwarb er einen neuen Mähdrescher und gab am gleichen Tag seinen bis dahin verwendeten Mähdrescher in Zahlung. Weitere Erntemaschinen besaß er nicht. Er beschäftigte keine Arbeitnehmer. Das Verhältnis der eigenen gedroschenen Fläche zu der für die Kunden gedroschenen Fläche lag bei ca. 20 zu 80.

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Der Kläger unterwarf die Umsätze aus seiner landwirtschaftlichen Urproduktion ebenso wie die Umsätze aus den Dienstleistungen an andere Landwirte der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).

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Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass der Kläger aufgrund des Umfangs der Lohndrescharbeiten ab dem 1. Juli 2007 ertragsteuerlich einen eigenständigen gewerblichen Lohnbetrieb neben seinem landwirtschaftlichen Unternehmen geführt habe. Die Dienstleistungen für andere Landwirte fielen nicht in den Anwendungsbereich des § 24 UStG, da der Kläger den Mähdrescher nicht weit überwiegend für die eigene Produktion verwendet habe und er damit die Dienstleistungen nicht mit der "normalen Ausrüstung" des Betriebs erbracht habe. Die landwirtschaftlichen Dienstleistungen seien daher der Regelbesteuerung zu unterwerfen. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

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Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Nach seinem Urteil unterliegen Umsätze eines Land- und Forstwirts aus Mähdrescharbeiten mit einem Mähdrescher, der zur normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen Betriebs gehört, gegenüber anderen Land- und Forstwirten der Durchschnittssatzbesteuerung. Der Kläger habe den für die Dienstleistungen eingesetzten Mähdrescher auch im eigenen landwirtschaftlichen Betrieb verwendet. Für seine eigene Fläche von ca. 170 ha habe er eine Erntemaschine benötigt. Der Kläger habe nur einen einzigen Mähdrescher besessen. Daher sei dieser nicht ausschließlich zur Erbringung von sonstigen Leistungen an Dritte vorgehalten worden. Es handele sich auch nicht um einen betriebsuntypischen Überbestand. Der Mähdrescher habe zur normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen Betriebs gehört. Das Verhältnis der für andere Landwirte gedroschenen Fläche zu der eigenen Fläche ändere nichts am Bedarf des Mähdreschers für seinen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb. Eine Beschränkung derart, dass die normale Ausrüstung überwiegend zur eigenen landwirtschaftlichen Erzeugung verwendet werden müsse, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Dies ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) und zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage.

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Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Das FG sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Kläger seine landwirtschaftlichen Dienstleistungen mit Hilfe der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen Betriebs erbracht habe. Der konkret erworbene Mähdrescher sei für den eigenen Betrieb zu groß gewesen. Aufgrund der Verwendung des Adjektivs normal müsse der Ausrüstungsgegenstand üblicherweise für die eigene landwirtschaftliche Produktion verwendet werden. Ein eigenbetrieblicher Einsatz von 20 % genüge nicht. Durch die Anwendung der Pauschalregelung komme es zu erheblichen Vorteilen gegenüber den Unternehmen, die der Regelbesteuerung unterliegen. Der Kläger könne seine Leistungen billiger anbieten. Die Anwendung der Pauschalregelung sei für den Kläger auch nicht belastend.

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Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Das FG habe zutreffend entschieden.

Entscheidungsgründe

II.

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Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Dienstleistungen des Klägers bei den Erntearbeiten für andere Landwirte als landwirtschaftliche Dienstleistungen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG unterliegen.

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1. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen, bei denen es sich nicht um die in Satz 1 dieser Vorschrift näher bezeichnete Lieferung von forstwirtschaftlichen Erzeugnissen oder andere Leistungen mit Getränken handelt, auf 10,7 % festgesetzt.

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§ 24 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH richtlinienkonform entsprechend Art. 295 ff. MwStSystRL auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. Januar 2013 V R 34/11, BFHE 239, 552, BStBl II 2013, 460, unter II.1.b, und vom 21. Januar 2015 XI R 13/13, BFHE 248, 462, BStBl II 2015, 730, unter II.1.b). Danach finden die sog. Pauschalausgleich-Prozentsätze gemäß Art. 300 f. MwStSystRL auf landwirtschaftliche Erzeugnisse und landwirtschaftliche Dienstleistungen Anwendung.

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Landwirtschaftliche Dienstleistungen sind nach Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mithilfe seiner Arbeitskräfte oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs erbracht werden und die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Hierzu zählen insbesondere die in Anhang VIII der MwStSystRL aufgeführten Dienstleistungen wie z.B. "Arbeiten des Anbaus, der Ernte, des Dreschens, des Pressens, des Lesens und Einsammelns, einschließlich des Säens und Pflanzens". § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG ist bei richtlinienkonformer Auslegung auf landwirtschaftlichen Dienstleistungen i.S. von Art. 295 Abs. 1 Nr. 5 MwStSystRL, nicht aber auch auf andersartige sonstige Leistungen anzuwenden (BFH-Urteil vom 8. Februar 2018 V R 55/16, BFHE 261, 181, unter II.1.c).

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2. Zwischen den Beteiligten ist das Erbringen landwirtschaftlicher Dienstleistungen, die der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG unterliegen, nur im Hinblick auf die Frage streitig, ob der Kläger seine landwirtschaftlichen Dienstleistungen mit der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen Betriebs erbracht hat. Dies hat das FG entgegen der Auffassung des FA zu Recht bejaht.

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a) Für die Streitjahre 2007, 2008 und die Besteuerungszeiträume bis einschließlich September 2009 folgt dies bereits daraus, dass die grundsätzliche Berechtigung des Klägers zur Besteuerung nach Durchschnittssätzen im Revisionsverfahren dem Grunde nach unstreitig ist, da das FA diese nur in Bezug auf eine nach seiner Auffassung überdimensionierte Gerätschaft bezweifelt. Dies stützt das FA auf den Erwerb eines Ende September 2009 erworbenen Mähdreschers, den das FA als für den eigenen Betrieb des Klägers zu groß ansieht, so dass er mit dem Einsatz dieses Mähdreschers keine landwirtschaftlichen Dienstleistungen erbringe. Damit ist die Revision für die Besteuerungszeiträume vor diesem Erwerb von vornherein unbegründet.

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b) Der Kläger erbrachte auch in den restlichen Zeiträumen des Jahres 2009 sowie im Streitjahr 2010 mit dem Einsatz des neuen Mähdreschers landwirtschaftliche Dienstleistungen.

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aa) Mit dem Begriff der normalen Ausrüstung eines landwirtschaftlichen Betriebs stellt die Richtlinie auf die gewöhnliche Ausrüstung derartiger Betriebe ab. Im Hinblick auf die auf landwirtschaftliche Dienstleistungen anzuwendenden Regelungen in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 UStG, nach denen die Mehrwertsteuer-Vorbelastung der Steuer auf die Ausgangsleistung des Pauschallandwirts exakt entspricht, kommt es nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats darauf an, dass es sich bei der landwirtschaftlichen Dienstleistung um eine Leistung handelt, bei der jedenfalls typisierend davon auszugehen ist, dass ihre Erbringung zu einer (entsprechenden) Mehrwertsteuer-Vorbelastung führt oder zumindest führen kann (BFH-Urteil vom 24. August 2017 V R 8/17, BFH/NV 2018, 65, unter II.2.). Dies trifft auf den Erwerb eines Mähdreschers anders als beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft des Betriebsinhabers (vgl. hierzu BFH-Urteil in BFH/NV 2018, 65) oder seines Personals zu.

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bb) Weitergehende Wirtschaftlichkeitsberechnungen oder Angemessenheitsbetrachtungen in Bezug auf die eigenbetriebliche Verwendung sind nicht anzustellen. Insbesondere besteht nach dem EuGH-Urteil Shields & Sons Partnership vom 12. Oktober 2017 C-262/16 (EU:C:2017:756) keine Befugnis, landwirtschaftliche Erzeuger von der Pauschalbesteuerung auszuschließen, nur weil sie als Teilnehmer an der Pauschalregelung erheblich mehr erstattet erhalten, als sie bei Anwendung der normalen oder vereinfachten Steuerregelung erstattet bekämen.

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cc) Der erkennende Senat berücksichtigt dabei auch, dass der Kläger über nur einen, nicht aber über mehrere Mähdrescher im Fremdeinsatz verfügte und dass ein Eigennutzungsanteil von 20 % nicht unerheblich ist. Im Rahmen einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, der auch das unionsrechtlich harmonisierte Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt, kann dem Landwirt bei der Inanspruchnahme der Durchschnittssätze nach § 24 Abs. 1 UStG entgegen der Auffassung des FA nicht vorgehalten werden, er könne im Hinblick auf seine eigene Betriebsgröße vom Erwerb eines eigenen Mähdreschers und der Erbringung von Dienstleistungen an Fremdbetriebe absehen, um stattdessen selbst Fremdleistungen bei der Ernte zu beziehen. Sich hieraus möglicherweise ergebende Wettbewerbsnachteile zu Lasten gewerblicher Konkurrenten sind im Hinblick auf den Einsatz nur einer Gerätschaft hinzunehmen.

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Der erkennende Senat geht somit davon aus, dass "ein Maschinen- und Ausrüstungsbestand, der über die Anforderungen des eigenen Betriebs hinausgeht" (Abschn. 24.3 Abs. 3 Satz 6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses i.d.F. vom 27. Oktober 2010), der zur Annahme einer Tätigkeit außerhalb der Land- und Forstwirtschaft führen soll, bei Erstmaschinen im Allgemeinen nicht vorliegt.

20

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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