Urteil vom Bundesfinanzhof (5. Senat) - V R 14/18
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 13.12.2017 - 12 K 2690/16 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Baden-Württemberg zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) lieferte im Streitjahr 1999 sog. Depotware im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Über ihre Eingangslieferungen wurden Abrechnungen im Wege des Electronic Data Interchange (EDI) erstellt.
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Aufgrund einer Rahmenvereinbarung "Depot mit EDI" übermittelten die Lieferanten Stammdaten wie Netto-Einkaufspreis, Verkaufspreis und 18-stellige Warenbezeichnung für das festgelegte Sortiment per Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport (EDIFACT), einem internationalen Standard für das Format elektronischer Daten im Geschäftsverkehr. Die Stammdaten wurden elektronisch in das Kassensystem der Klägerin eingepflegt. Der Lieferant war dabei u.a. zuständig für die Auszeichnung aller Artikel mit European Article Number Etiketten. Die Anlieferung der Ware erfolgte bedarfsgerecht zentral an das Zentralwarenlager der Klägerin. Die Waren verblieben bis zum Abverkauf im Eigentum des Lieferanten. Die Klägerin informierte die Lieferanten über die Abverkäufe durch einen wöchentlichen Sales-Report im Wege des Datenaustausches über EDIFACT. Dabei handelt es sich um einen elektrischen Impuls, der von der EDV der Klägerin über entsprechende Netze an die EDV des Lieferanten versandt wurde. Aufgrund dieses Impulses wurden in der EDV des Lieferanten und der Klägerin ohne manuellen Eingriff Dokumente erstellt, welche alle Angaben i.S. von § 14 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) enthielten. Insbesondere wurden aus dem System der Lieferanten Steuersatz und Steuerbetrag ergänzt. Die Dokumente wurden durch die Lieferanten ausgedruckt oder elektronisch archiviert. Eine Übersendung einer Gutschrift in Papierform durch die Klägerin oder einer Rechnung durch die Lieferanten erfolgte zunächst nicht. Erst im Jahr 2006 wurden von der Klägerin Sammelrechnungen über Gutschriften erstellt und an die Lieferanten in Papierform übersandt.
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Im Rahmen einer Außenprüfung für das Streitjahr 1999 reichte die Klägerin am 30.11.2007 unter Hinweis auf ein Besprechungsergebnis und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine berichtigte Umsatzsteuererklärung mit einem verminderten Vorsteuerbetrag für das Streitjahr ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte dementsprechend mit Bescheid vom 17.12.2007 Zinsen zur Umsatzsteuer für das Streitjahr fest.
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Hiergegen legte die Klägerin jeweils Einspruch ein, wobei sie den Einspruch gegen die Umsatzsteuerfestsetzung 1999 wieder zurücknahm. Stattdessen stellte sie den Antrag, den Bescheid gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung zu ändern. Diesen Antrag lehnte das FA mit Schreiben vom 04.11.2009 ab. Hiergegen legte die Klägerin wiederum Einspruch ein.
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Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das FA davon aus, dass ein Vorsteuerabzug nicht anzuerkennen sei, da er auf den Abrechnungen im Rahmen des Depot-Systems mit EDI beruhe. Die Klägerin habe es versäumt, die Gutschrift ihren Lieferanten in Schriftform zuzusenden. Dieser Betrag sei daher in der Umsatzsteuererklärung vom 30.11.2007 zu Recht nicht berücksichtigt worden.
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Mit Bescheid vom 26.11.2010 änderte das FA die Steuerfestsetzung für 1999 erneut und minderte den Betrag der festgesetzten Umsatzsteuer und setzte zudem Zinsen zur Umsatzsteuer fest. Außerdem hob er den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Auch hiergegen legte die Klägerin am 23.12.2010 jeweils Einspruch ein.
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Die Klägerin beantragte zudem mit Schreiben vom 23.10.2008, den streitigen Vorsteuerabzug im Wege einer Billigkeitsmaßnahme nicht erst für Februar 2006 zu gewähren, sondern schon für das Streitjahr, oder ihr jedenfalls die Zinsen auf die streitigen Vorsteuerbeträge zu erlassen. Mit Schreiben vom 17.04.2012 lehnte das FA den Erlass der Zinsen im Billigkeitswege ab.
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Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 09.05.2012 ebenfalls Einspruch ein. Die Klägerin beantragte zugleich, das Verfahren über diesen Einspruch "mit den bereits anhängigen Verfahren in der Hauptsache und der Zinsfestsetzung zu verbinden". Mit Einspruchsentscheidung vom 24.10.2012 wies das FA die Einsprüche der Klägerin jeweils als unbegründet zurück.
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Im ersten Rechtsgang wies das Finanzgericht (FG) die Klage gegen den Zinsbescheid als unzulässig und die Klage im Übrigen als unbegründet ab. Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das FG-Urteil mit Beschluss vom 21.07.2016 - V B 66/15 (BFH/NV 2016, 1574) auf und verwies die Sache an das FG zurück.
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Im zweiten Rechtsgang gab das FG der Klage im Hauptantrag statt. Nach seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 1589 veröffentlichten Urteil lagen bereits im Streitjahr zum Vorsteuerabzug berechtigende Gutschriften vor. Der Begriff der Urkunde sei nicht auf Schriftstücke in Papierform beschränkt gewesen. Die Übermittlung elektronischer Daten im EDI-Verfahren sei ausreichend gewesen. Alle erforderlichen Daten seien automatisiert übermittelt worden. Unionsrechtlich sei eine Empfehlung der Europäischen Kommission zum EDI zu berücksichtigen, was bei der Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) zu beachten sei. Spätere Änderungen des nationalen Rechts hätten nur klarstellenden Charakter gehabt. Der Berichtigung in 2006 komme Rückwirkung auf das Streitjahr zu. Die EDI-Rechnung sei berichtigungsfähig. Im Hinblick auf die Klagestattgabe im Hauptantrag hatte das FG nicht mehr über die Hilfsanträge zum Verfahren nach § 86 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), zur Beiladung und zum Billigkeitserlass zu entscheiden.
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Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Gegen die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs spreche nicht nur die Art der Übermittlung, es fehlten auch Rechnungsangaben. Die ursprünglichen Datensätze enthielten keinen Steuerausweis. Auch der von der Klägerin übermittelte Sales-Report habe keine Angaben zum Steuersatz und auch keinen Steuerausweis enthalten. Damit hätten wesentliche Rechnungsangaben gefehlt. Ergänzungen im System der Lieferanten könnten der Klägerin nicht zugerechnet werden. Eine Rechnungsberichtigung komme mangels hinreichender Ausgangsdokumente nicht in Betracht. Schließlich hätten Rechnungen in Papierform erteilt werden müssen.
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Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Auch Urkunden könnten elektronisch übermittelt werden. Ein Papiererfordernis gehe über das Unionsrecht hinaus. Die Lieferanten seien nicht Aussteller der im EDI-Verfahren übermittelten Dokumente gewesen. Aussteller der Dokumente in der EDV der Lieferanten sei die Klägerin gewesen. Aufgrund des elektronischen Impulses seien Dokumente auch in der EDV der Klägerin erstellt worden. Schließlich komme der Rechnungsberichtigung Rückwirkung zu. Der Übersendung von Rechnungsdokumenten per Telefax und per EDI sei gemeinsam, dass beide auf einem vom Absender an den Empfänger gesendeten elektrischen Impuls beruhten. Dabei enthalte der elektrische Impuls im EDI-Verfahren noch weitergehende Informationen. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) müsse Beachtung finden.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache mangels Spruchreife an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Entgegen dem Urteil des FG setzte der Vorsteuerabzug nach der Rechtslage im Streitjahr eine Rechnung in Papierform voraus.
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1. Nach dem im Streitjahr geltenden § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG war der Unternehmer berechtigt, die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer abzuziehen. Rechnung war nach § 14 Abs. 4 UStG jede Urkunde, mit der ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter über eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber dem Leistungsempfänger abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird.
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Unionsrechtlich beruhten diese Regelungen auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, aus dem sich das Recht auf Vorsteuerabzug ergab, auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie, auf dem das Rechnungserfordernis beruhte, und auf Art. 22 Abs. 3 Buchst. a Satz 1 dieser Richtlinie. Diese Bestimmung hatte folgenden Wortlaut: Jeder Steuerpflichtige hat für die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen, die er an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt, eine Rechnung oder ein an deren Stelle tretendes Dokument auszustellen. Art. 22 Abs. 3 Buchst. c dieser Richtlinie bestimmte zudem, dass die Mitgliedstaaten die Kriterien festlegen, nach denen ein Dokument als Rechnung betrachtet werden kann.
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2. Entgegen dem Urteil des FG erforderte der Begriff der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnung oder Gutschrift im Streitjahr 1999 eine Abrechnung in Schriftform.
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a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats setzte der Vorsteuerabzug einen sog. "Belegnachweis" mittels eines "Abrechnungspapieres" in Form einer Rechnung oder Gutschrift voraus (BFH-Urteile vom 24.09.1987 - V R 50/85, BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688, und V R 125/86, BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694, jeweils unter II.5.), den der erkennende Senat als "urkundenmäßigen Nachweis" ansah (BFH-Urteile in BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688, und in BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694, jeweils unter II.9.).
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b) Auf dieser Grundlage hat die Finanzverwaltung als Rechnungen zutreffend nur Urkunden angesehen und hierfür auf das Vorliegen eines Schriftstücks abgestellt und für elektronisch übermittelte Daten eine zusätzliche schriftliche Abrechnung verlangt (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25.05.1992, BStBl I 1992, 376, unter 1.).
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c) Danach kam ein Vorsteuerabzug aufgrund von Abrechnungen im EDI-Verfahren nur bei Vorliegen einer zusätzlichen schriftlichen Abrechnung in Betracht (Fritzemeyer/ Heun, Computer und Recht --CR-- 1992, 198; Raubenheimer, CR 1993, 19, 22, und Bernütz, Der Betrieb 2003, 2405).
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d) Bestätigt wird diese Beurteilung nach der bereits im Streitjahr vorliegenden Rechtsprechung des erkennenden Senats durch die spätere Änderung der Rechtslage.
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aa) Mit Wirkung ab 01.01.2002 ergänzte Art. 9 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433) § 14 Abs. 4 UStG um einen Satz 2, nach der Rechnung "auch eine mit einer digitalen Signatur nach dem Signaturgesetz vom 22.07.1997 (BGBl I 1870, 1872) in der jeweils geltenden Fassung versehene elektronische Abrechnung" war. Aufgrund weiterer Änderungen (erste Änderung bereits vor dem Inkrafttreten durch Art. 18 Nr. 6 Buchst. b des Steueränderungsgesetzes 2001, BGBl I 2001, 3794, und zweite Änderung durch Art. 10 Nr. 2 des Gesetzes vom 23.07.2002, BGBl I 2002, 2715) kam es auf eine mit einer qualifizierten elektronischen Signatur oder eine mit einer qualifizierten elektronischen Signatur mit Anbieter-Akkreditierung nach dem Signaturgesetz versehene elektronische Abrechnung an.
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Nach der amtlichen Gesetzesbegründung wurden durch diese Neuregelung "– neben den herkömmlichen Papierrechnungen – auch elektronische Abrechnungen unter bestimmten Voraussetzungen als Rechnungen anerkannt". Damit sollte einem Anliegen der Wirtschaft Rechnung getragen werden (BTDrucks 14/2683, S. 130). Dies sollte aber nur unter den Bedingungen der Neuregelung gelten: "Wird die Voraussetzung des § 14 Abs. 4 Satz 2 UStG nicht erfüllt, gelten die elektronischen Abrechnungen nicht als Rechnungen im Sinne des § 14 UStG, d. h. sie können nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen" (BTDrucks 14/2683, S. 131).
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Die Annahme des FG, spätere Änderungen des nationalen Rechts seien nur klarstellender Art gewesen, trifft somit nicht zu. Durch die Neuregelung sollte der Rechnungsbegriff erweitert werden (zutreffend Vellen, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2001, 185, 187). Träfe hingegen die Rechtsauffassung der Klägerin zu, hätte sich durch das Erfordernis der digitalen Signatur oder der qualifizierten elektronischen Signatur die Rechtslage entgegen dem Willen des historischen Gesetzgebers verschärft.
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bb) Damit spricht auch die nach dem Streitjahr geänderte Rechtslage gegen das Vorliegen von im Streitjahr zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen. Denn mangels digitaler Signaturen oder qualifizierter elektronischer Signaturen handelte es sich bei den im Streitjahr vorliegenden Abrechnungsdokumenten auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen auch nach der späteren Rechtslage nicht um Rechnungen.
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e) Ein Verstoß gegen das Unionsrecht liegt nicht vor. Denn waren die Mitgliedstaaten nach dem im Streitjahr erreichten Harmonisierungsstand berechtigt, die Kriterien festzulegen, nach denen ein Dokument als Rechnung betrachtet werden konnte (s. oben II.1.), stand das Urkundenerfordernis im Einklang mit der Richtlinie. Die Mitgliedstaaten waren daher auch nicht verpflichtet, Empfehlungen der Europäischen Kommission umzusetzen.
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3. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht das danach bestehende Erfordernis einer urkundenmäßigen Abrechnung nicht nur im Einklang mit dem im Streitjahr bestehenden Harmonisierungsstand des Unionsrechts, nach dem die Mitgliedstaaten befugt waren, die Kriterien festlegen, nach denen ein Dokument als Rechnung betrachtet werden könnte (s. oben II.1.), sondern entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH.
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a) Der EuGH hat im Urteil Terra Baubedarf-Handel vom 29.04.2004 - C-152/02 (EU:C:2004:268) auf Vorlage durch den erkennenden Senat zu der auch im Streitjahr bestehenden Rechtslage 1999 geantwortet: "Für den Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG … ist Artikel 18 Absatz 2 Unterabsatz 1 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben ist, in dem die beiden nach dieser Bestimmung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, dass die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt wurde und dass der Steuerpflichtige die Rechnung oder das Dokument besitzt, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann."
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In Rz 37 der Entscheidungsgründe hat der EuGH dies insbesondere wie folgt begründet: "Es verstößt keineswegs gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass der Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug für den Erklärungszeitraum vorzunehmen hat, in dem sowohl die Voraussetzung des Besitzes einer Rechnung oder eines als Rechnung zu betrachtenden Dokuments als auch die der Entstehung des Vorsteuerabzugsrechts erfüllt sind. Dieses Erfordernis steht nämlich zum einen im Einklang mit einem der Ziele der Sechsten Richtlinie, das darin besteht, die Erhebung der Mehrwertsteuer und ihre Überprüfung sicherzustellen (…), zum anderen erfolgt, wie in Randnummer 35 des vorliegenden Urteils festgestellt, die Zahlung für die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen und damit die Abführung der Vorsteuer regelmäßig nicht vor Erhalt einer Rechnung."
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b) Der EuGH hat in seiner weiteren Rechtsprechung hieran festgehalten.
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aa) So hat er in seinem Urteil Senatex vom 15.09.2016 - C-518/14 (EU:C:2016:691, Rz 39) unter ausdrücklicher Bezugnahme auf sein Urteil Terra Baubedarf-Handel (EU:C:2004:268) wiederholt, "dass das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben ist, in dem die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt wurde und in dem der Steuerpflichtige die Rechnung besitzt" und zudem darauf hingewiesen, dass die Rechtssache Terra Baubedarf-Handel (EU:C:2004:268) ein Unternehmen betraf, "das zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts nicht über eine Rechnung verfügte, so dass der Gerichtshof nicht über die zeitlichen Wirkungen der Berichtigung einer ursprünglich ausgestellten Rechnung entschieden hat", so dass sich die Rechtssache Terra Baubedarf-Handel (EU:C:2004:268) von der Rechtssache Senatex (EU:C:2016:691) unterschied, "dass Senatex zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihr Recht auf Vorsteuerabzug ausübte, über Rechnungen verfügte und die Mehrwertsteuer gezahlt hatte".
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Nach Maßgabe des EuGH-Urteils Senatex (EU:C:2016:691) ist danach der --hier vorliegende-- Fall der im Streitjahr fehlenden Rechnung von dem --hier nicht gegebenen-- Fall der Berichtigung einer zuvor (hier im Streitjahr) fehlerhaft erteilten Rechnung abzugrenzen.
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bb) Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin für ihre Rechtsauffassung angeführten Urteil Barlis 06 vom 15.09.2016 - C-516/14 (EU:C:2016:690). Der EuGH hat hier geantwortet, dass Art. 178 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem "die nationalen Steuerbehörden daran hindert, das Recht auf Vorsteuerabzug allein deshalb zu verweigern, weil die Rechnung, die der Steuerpflichtige besitzt, nicht die Voraussetzungen von Art. 226 Nrn. 6 und 7 der Richtlinie erfüllt, obwohl diese Behörden über alle notwendigen Informationen verfügen, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts vorliegen".
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Weder aus dieser Antwort noch aus der Fallgestaltung, auf die sich diese Antwort bezieht, ergibt sich eine Aufgabe des EuGH-Urteils Terra Baubedarf-Handel (EU:C:2004:268). Im Übrigen versteht der erkennende Senat die Rechtsprechung des EuGH dahingehend, dass er durch geeignete Formulierung ("Aufgabe der Rechtsprechung") kenntlich machen würde, wenn er an früheren Entscheidungen nicht mehr festhalten wollte.
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cc) Gleiches gilt für das ebenso von der Klägerin angeführte EuGH-Urteil Vădan vom 21.11.2018 - C-664/16 (EU:C:2018:933). Der EuGH hat hier wie folgt geantwortet: "Die Richtlinie 2006/112/EG …, insbesondere Art. 167, Art. 168, Art. 178 Buchst. a und Art. 179, sowie die Grundsätze der Neutralität der Mehrwertsteuer und der Verhältnismäßigkeit sind dahin auszulegen, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens ein Steuerpflichtiger, der nicht in der Lage ist, durch Vorlage von Rechnungen oder anderen Unterlagen den Betrag der von ihm gezahlten Vorsteuer nachzuweisen, nicht allein auf der Grundlage einer Schätzung in einem vom nationalen Gericht angeordneten Sachverständigengutachten ein Recht auf Vorsteuerabzug geltend machen kann."
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Der EuGH hat auch hier sein früheres Urteil Terra Baubedarf-Handel (EU:C:2004:268) nicht aufgegeben. Der erkennende Senat entnimmt daher dem EuGH-Urteil Vădan (EU:C:2018:933), dass nationale Gerichte bei --bereits von Anfang an-- fehlenden Rechnungen nicht verpflichtet sind, Schätzungen auf der Grundlage von Sachverständigengutachten durchzuführen. Zudem bezieht sich der EuGH ausdrücklich auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, zu dem der EuGH im fortgeltenden Urteil Terra Baubedarf-Handel (EU:C:2004:268) entschieden hatte, dass er gewahrt sei, wenn der "Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug für den Erklärungszeitraum vorzunehmen hat, in dem sowohl die Voraussetzung des Besitzes einer Rechnung oder eines als Rechnung zu betrachtenden Dokuments als auch die der Entstehung des Vorsteuerabzugsrechts erfüllt sind".
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Soweit der EuGH daher ausführt, dass "die strikte Anwendung des formellen Erfordernisses, Rechnungen vorzulegen, gegen die Grundsätze der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit [verstößt], da dadurch dem Steuerpflichtigen auf unverhältnismäßige Weise die steuerliche Neutralität seiner Umsätze verwehrt würde (EuGH-Urteil Vădan, EU:C:2018:933, Rz 42), ergibt sich hieraus unter Berücksichtigung seiner weiteren Rechtsprechung nur, dass zunächst fehlerhaft erteilte Rechnungen mit Rückwirkung berichtigt werden können (vgl. EuGH-Urteil Senatex, EU:C:2016:691) oder unter Berücksichtigung weiterer Umstände ergänzt werden können (EuGH-Urteil Barlis 06, EU:C:2016:690). Demgegenüber ist an den sich aus dem EuGH-Urteil Terra Baubedarf-Handel (EU:C:2004:268) ergebenden Erfordernissen weiter festzuhalten.
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c) Soweit die Klägerin aus dem von ihr zitierten Schrifttum Abweichendes ableitet (vgl. z.B. Höink/Hudasch, Betriebs-Berater 2019, 542, 544; Hartmann, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2019, 595, Korn, Deutsches Steuerrecht kurzgefasst 2019, 13, Spils ab Wilken, Agrarbetrieb 2019, 223, von Streit/Streit, Zeitschrift für das gesamte Mehrwertsteuerrecht --MwStR-- 2019, 13, Maunz, MwStR 2019, 34, und Nücken, UR 2018, 965) schließt sich der erkennende Senat dem aus den vorstehenden Gründen jedenfalls für die im Streitjahr geltende Rechtslage nicht an.
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Denn dabei bleibt in Bezug auf das EuGH-Urteil Vădan (EU:C:2018:933) unberücksichtigt, dass dort zwar "Kassenzettel" vorlagen, die möglicherweise die Rechnungsanforderungen erfüllten, diese aber nach ihrem Zugang beim Leistungsempfänger unleserlich geworden waren (EuGH-Urteil Vădan, EU:C:2018:933, Rz 29). Dem entspricht die Rechtsprechung des Senats, nach der der Unternehmer den Nachweis darüber, dass ein anderer Unternehmer Steuern für Lieferungen oder sonstige Leistungen gesondert in Rechnung gestellt hat, mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Beweismitteln führen kann (BFH-Urteil vom 23.10.2014 - V R 23/13, BFHE 247, 480, BStBl II 2015, 313, Leitsatz 1). Eine weitergehende Möglichkeit "durch bloßen Zeugenbeweis die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs" nachweisen zu können (vgl. etwa Hartman, DStR 2019, 596) ergibt sich demgegenüber aus dem EuGH-Urteil Vădan (EU:C:2018:933) nicht. Im Hinblick auf das weiter zu beachtende Urteil Terra Baubedarf-Handel (EU:C:2004:268) kann daher weder "eine Rechnung als formelle Anforderung komplett entfallen" (so von Streit/Streit, MwStR 2019, 13, 18) noch kommt es in Betracht, dass "der Vorsteuerabzug auch dann gewährt werden muss, wenn gar keine Rechnung vorliegt" (Maunz, MwStR 2019, 34). Dementsprechend ergibt sich auch nichts anderes aus dem von der Klägerin angeführten EuGH-Urteil Pannon Gep Centrum vom 15.07.2010 - C-368/09 (EU:C:2010:441), das den Fall einer "ursprünglichen Rechnung" betrifft, in der "ein falsches Datum des Abschlusses der Dienstleistung aufgewiesen" war und die dann später berichtigt wurde.
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4. Lagen somit im Streitjahr keine Rechnungen vor, konnten diese auch nicht später mit Rückwirkung auf das Streitjahr berichtigt werden (BFH-Urteil vom 20.10.2016 - V R 26/15, BFHE 255, 348). Die als "EDI-Rechnungen" bezeichneten Dokumente waren als Nichtrechnungen nicht berichtigungsfähig.
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5. Die Sache ist nicht spruchreif. Hat die Klage im Hauptantrag keinen Erfolg, hat das FG nunmehr über die Hilfsanträge zu entscheiden.
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6. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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