Beschluss vom Bundesgerichtshof (2. Strafsenat) - 2 StR 96/15
Tenor
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1. Auf die Revision der Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 14. Juli 2014, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
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2. Auf die Revision des Angeklagten J. wird das oben genannte Urteil, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz dahingehend abgeändert, dass hinsichtlich eines Betrages von 6.860,80 Euro der Verfall von Wertersatz angeordnet wird.
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3. Die weitergehende Revision des Angeklagten J. wird verworfen.
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4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
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Das Landgericht hat den Angeklagten J. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit acht Fällen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten, die Angeklagte P. wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es eine Einziehungsentscheidung sowie eine Anordnung über den Verfall von Wertersatz getroffen. Gegen vier weitere Mitangeklagte hat es ebenfalls Freiheitsstrafen verhängt. Die Revision der Angeklagten P. hat in vollem Umfang, das auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten J. in dem aus dem Tenor ersichtlichem Umfang Erfolg; im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet.
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1. Der Schuldspruch gegen die Angeklagte P. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Annahme des Landgerichts, die Angeklagte habe dadurch Beihilfe zum Betreiben der Cannabisplantage des Mitangeklagten J. geleistet, dass sie ihm in Kenntnis des dort betriebenen Betäubungsmittelanbaus zum Zwecke der Führung konspirativer Gespräche auf ihren Namen, den Namen ihrer Tochter und ihres Enkels lautende SIM-Karten übergeben und zudem zwei Kraftfahrzeuge für Fahrten zum Ort der Plantage zur Verfügung gestellt habe (UA S. 79), liegt keine tragfähige Beweiswürdigung zugrunde.
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Die Strafkammer ist zwar unter Hinweis auf Telefongespräche vom 8. und 27. August 2013 ohne Rechtsfehler zu der Überzeugung gelangt, die Angeklagte habe von der Cannabisplantage gewusst (UA S. 102). Dass die Angeklagte aber den Mitangeklagten J. , ihren Verlobten, durch die beschriebenen Tathandlungen in dessen Aktivitäten konkret unterstützt hat bzw. unterstützen wollte, hat das Landgericht nicht bzw. nicht hinreichend belegt. Die Angeklagte hat die Tatvorwürfe bestritten, der Mitangeklagte J. hat angegeben, die Angeklagte P. habe ihn bei seinem Tun nicht unterstützt bzw. nicht unterstützen wollen (UA S. 89). Einer der Mitangeklagten, der Angeklagte M. , hat sich zwar entsprechend den getroffenen Feststellungen geständig eingelassen (UA S. 87); dass er, der sich lediglich vertretungsweise eine Woche um die Aufzucht der Cannabispflanzen kümmerte, aber etwas zur Übergabe von Handys oder Kraftfahrzeugen durch die Angeklagte gesagt haben könnte, lässt sich der Beweiswürdigung des Landgerichts nicht entnehmen.
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Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich nicht, worauf die Strafkammer ihre Feststellungen insoweit gestützt haben könnte. Lediglich an einer Stelle im Urteil ist (gestützt auf die Auswertung überwachter Telefongespräche) überhaupt erwähnt, dass der Mitangeklagte J. ein Telefon verwendete, welches auf die Angeklagte P. registriert war (UA S. 83). Ein Hinweis auf eine Nutzung der auf die Tochter und den Enkel der Angeklagten registrierten SIM-Karten fehlt ebenso wie Ausführungen dazu, dass es die Angeklagte war, die diese SIM-Karten beschafft und an den Mitangeklagten J. (weiter-)gegeben hatte. Eine solche Weitergabe versteht sich bei dritten Personen zuzuordnenden SIM-Karten im Übrigen auch nicht von selbst. Soweit sich den Urteilsgründen im Übrigen entnehmen lässt, dass der Mitangeklagte J. ein Gespräch über ein auf die Angeklagte registriertes Handy führte, belegt dies nicht die im Urteil getroffene Feststellung, sie habe ihm mehrere Handys zum Zwecke der konspirativen Führung von Gesprächen überlassen. Zudem hätte - was die Überlassung eines Telefons an den Verlobten anbelangt - der Gehilfenvorsatz näherer Erörterung bedurft, weil die Angeklagte dies möglicherweise allein im Hinblick auf die persönliche Beziehung und nicht zur Förderung von ihm begangener Straftaten getan haben könnte (vgl. BGHR StGB § 27 I Hilfeleisten 32).
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Mit Blick auf die Überlassung zweier Kraftfahrzeuge zur Nutzung durch den Mitangeklagten J. ergibt sich ein ähnliches Bild. Dass die Angeklagte P. ihrem Verlobten die PKWs konkret zu bestimmten einzelnen Fahrten zu der Cannabis-Plantage zur Verfügung gestellt hätte, ergibt sich nicht aus der Beweiswürdigung des Landgerichts, das sich auch insoweit nicht auf Aufgaben der Angeklagten und ihres Verlobten stützen konnte. Soweit nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass die Angeklagte es wahrgenommen und auch grundsätzlich billigend zugelassen hat, dass ihr Verlobter ihre Kraftfahrzeuge nutzte, hätte auch insoweit ihr Gehilfenvorsatz näherer Darlegung bedurft. Die Strafkammer hätte mit Blick auf die Einräumung einer allgemeinen Nutzungsmöglichkeit, die grundsätzlich eine neutrale Handlung darstellt, darlegen müssen, dass und ab wann die Angeklagte positiv wusste, dass ihr Verlobter auch Fahrten zur Plantage unternahm. Nur dann nämlich, wenn der Hilfeleistende weiß, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird, ist sein Handeln regelmäßig als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen. Hält er es dagegen lediglich für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so reicht dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht aus, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung "die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein" ließ (vgl. BGHSt 46, 107, 112 im Zusammenhang mit berufstypischen neutralen Handlungen).
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Die Sache bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Dabei wird der zu neuer Entscheidung berufene Tatrichter zu erwägen haben, ob sich eine Beihilfestrafbarkeit der Angeklagten auch aus ihren Telefonaten vom 27. August 2013 ergeben kann, mit denen sie möglicherweise die Betäubungsmittel zum Zwecke des Weiterverkaufs vor dem Zugriff durch die Strafverfolgungsbehörden sichern wollte. Mit Blick auf eine mögliche (Wert)Ersatzverfallsentscheidung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass der Tatrichter bisher nicht dargelegt hat, ob und in welchem Umfang die Angeklagte P. durch den Verkauf von Betäubungsmitteln etwas erlangt hat.
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2. Der Schuldspruch gegen den Angeklagten J. hält ebenso wie der gegen ihn gerichtete Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung stand. Bedenken begegnet hingegen die Anordnung des Verfalls von Wertersatz "hinsichtlich sichergestellter Geldbeträge von 3.995,-- Euro, 470,-- Euro und 2.910,-- CHF". Insoweit war der Ausspruch entsprechend dem Tenor zu berichtigen.
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a) Nach den Feststellungen des Landgerichts verkaufte der Angeklagte mindestens drei Kilogramm Marihuana und erzielte dadurch einen Erlös von zumindest 10.500,-- Euro. Bei der Durchsuchung der gemeinsam von ihm und der Mitangeklagten P. bewohnten Wohnung wurden ein Bargeldbetrag von 3.995,-- Euro, bei dem es sich nach der Überzeugung der Strafkammer "jedenfalls ganz überwiegend" um einen Teil des erzielten Verkaufserlöses handelte, bei der späteren Festnahme des Angeklagten weitere Bargeldbeträge von 470,--- Euro und 2.910,-- CHF sichergestellt.
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b) Dies rechtfertigt die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe eines Gesamtbetrages von insgesamt 6.860,80 Euro. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte zumindest 10.500,-- Euro im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB aus der Veräußerung von Drogen erlangt hat. Dieses Geld ist aber nicht mehr individualisierbar im Vermögen des Angeklagten vorhanden, so dass lediglich die Anordnung von Wertersatzverfall in Betracht kommt (§ 73a StGB). Soweit die Strafkammer davon ausgegangen ist, es handele sich bei den in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Geldscheinen "jedenfalls ganz überwiegend" um Erlöse aus den Betäubungsmittelgeschäften, hat sie sich damit nicht die für eine Verfallsanordnung nach § 73 Abs. 1 StGB erforderliche Überzeugung verschaffen können, dass sämtliche Geldscheine unberührt und unvermischt aus der Veräußerung von Drogen erlangt worden sind. Mit Blick auf eine eingetretene Vermischung von Geldern scheidet deshalb Verfall zugunsten von Wertersatzverfall aus (vgl. Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 7. Aufl. § 33, Rn. 145).
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Die Anordnung dieses Wertersatzverfalls hat das Landgericht wertmäßig auf den Betrag von Geldern begrenzen wollen, die bei dem Angeklagten und der Mitangeklagten P. sichergestellt werden konnten. Soweit es sich dabei neben 3.995,-- Euro aus deren Wohnung und 470,-- Euro bei seiner Festnahme auch um 2.910,-- CHF handelte, war dieser Fremdwährungsbetrag entsprechend dem im Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung am 14. Juli 2014 geltenden Wechselkurs (0,8233 €/CHF) in 2.395,60 Euro umzurechnen. Zusammen ergibt dies insgesamt einen Betrag von 6.860,80 Euro, auf den die Anordnung von Wertersatzverfall entsprechend den tatrichterlichen Vorgaben zu beschränken war, ohne dass es in der Person des Angeklagten insoweit von Bedeutung ist, dass im Hinblick auf einen Betrag von 3.995,-- Euro die gegen die Mitangeklagte P. gerichtete Anordnung des Wertersatzverfalls aufgehoben worden ist.
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Appl Krehl Eschelbach
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Ott Bartel
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Referenzen
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