Urteil vom Bundesgerichtshof (2. Zivilsenat) - II ZR 275/14
Tenor
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Auf die Revisionen der Beklagten und ihrer Streithelferin wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. August 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden ist, und wie folgt neu gefasst:
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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ingolstadt vom 15. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich der durch die Streithilfe verursachten Kosten.
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Von Rechts wegen
Tatbestand
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Die beklagte GmbH ist die Konzernholdinggesellschaft der M. Gruppe. Die M. Märkte werden als Enkelgesellschaften der Beklagten betrieben. Dabei wird regelmäßig für jeden Markt eine eigene Gesellschaft gegründet, die dann die erforderlichen Mietverträge abschließt.
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Die Klägerin ist an der Beklagten mit 21,62 %, die Streithelferin der Beklagten, ein Konzernunternehmen der M. AG, mit dem Rest beteiligt. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten erfordern eine Mehrheit von 80 % der Stimmen.
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Nach dem Ausscheiden des letzten Gründungsgesellschafters aus der Geschäftsführung im Jahr 2010 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten mit den Stimmen der Streithelferin die Einrichtung eines in der Satzung vorgesehenen Beirats. Die dagegen gerichtete Beschlussmängelklage der Klägerin hatte keinen Erfolg (OLG München, ZIP 2012, 1756).
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In einem Schiedsverfahren zwischen den Gesellschaftern wurde am 8. August 2011 festgestellt, dass Beschlüsse des Beirats mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen nach Köpfen gefasst werden. Außerdem wurde festgestellt, dass der Beirat für die Zustimmung zu bestimmten Maßnahmen und Geschäften der Geschäftsführung der Beklagten zuständig ist, u.a. zu dem Abschluss von Mietverträgen mit einer Laufzeit von über fünf Jahren und einem jährlichen Verpflichtungsvolumen von mehr als 300.000 DM durch die Beklagte. Der Schiedsspruch ist rechtskräftig für vollstreckbar erklärt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - I ZB 3/14, ZIP 2015, 2019).
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Im Laufe des Jahres 2012 arbeitete die Geschäftsführung der Beklagten Vorschläge für die Eröffnung neuer Standorte im In- und Ausland und für den Neuabschluss von Mietverträgen bei Enkelgesellschaften aus und legte diese entsprechend der bisherigen Praxis den Gesellschaftern zur Zustimmung im Umlaufverfahren vor. Die Streithelferin teilte der Geschäftsführung mit, dass von ihrer Seite aus keine Einwände gegen die vorgeschlagenen Standortmaßnahmen bestünden, eine Vorlage an Gremien der Beklagten jedoch nicht erforderlich sei. Die Klägerin beantragte gegenüber der Geschäftsführung der Beklagten, die Beschlussfassung über die Standortmaßnahmen auf die Tagesordnung der bereits anberaumten Gesellschafterversammlung vom 5. Dezember 2012 zu nehmen. Die Geschäftsführung der Beklagten setzte als Tagesordnungspunkt 13 „Gesellschafterbeschlussvorlagen der Geschäftsführung“ auf die Tagesordnung, der Vorschläge über insgesamt 51 Standortmaßnahmen enthält.
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Am 5. Dezember 2012 beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten in 38 von 50 Fällen die vorgeschlagenen Standortmaßnahmen einvernehmlich. Eine Standortmaßnahme wurde von der Tagesordnung genommen. In neun Fällen stimmte die Streithelferin gegen die vorgeschlagenen Maßnahmen, in drei Fällen enthielt sie sich der Stimme; die Klägerin stimmte in allen Fällen für die vorgeschlagenen Maßnahmen. Die Streithelferin hatte dazu vor der Abstimmung erklärt, dass sie in diesen Fällen nicht aus inhaltlichen, sondern nur aus formalen Gründen eine ablehnende Stimme abgebe oder sich enthalte, weil diese Maßnahmen jeweils nicht von der Gesellschafterversammlung zu beschließen seien, sondern von der Geschäftsführung ohne Zustimmung der Gesellschafter durchgeführt werden könnten.
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Mit ihrer Anfechtungs- und Feststellungsklage hat die Klägerin in den neun Fällen, in denen die Streithelferin gegen die jeweiligen Standortmaßnahmen gestimmt hat, die Nichtigerklärung der mit der Stimmenmehrheit der Streithelferin beschlossenen Ablehnung und im Weg der positiven Feststellungsklage die Feststellung begehrt, dass in diesen Fällen sowie in den Fällen, in denen sich die Streithelferin der Stimme enthalten habe, jeweils positiv festgestellt werde, dass die Gesellschafterversammlung der Beklagten beschlossen habe, dass die jeweiligen Standortmaßnahmen umzusetzen seien. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Anfechtungsklage und der positiven Beschlussfeststellungsklage mit der Begründung, die Stimmabgabe der Streithelferin sei treuwidrig gewesen und daher nichtig, insoweit stattgegeben, als die Streithelferin mit Nein gestimmt hat (neun Standortmaßnahmen). Dagegen wenden sich die Beklagte und ihre Streithelferin mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage.
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I. Das Berufungsgericht (OLG München, GmbHR 2015, 84) hat ausgeführt: Soweit die Streithelferin gegen die Beschlussvorschläge gestimmt habe, seien die Klageanträge begründet. Die Stimmabgabe der Streithelferin sei insoweit treuwidrig und daher unwirksam gewesen, so dass den Beschlussvorschlägen mit der erforderlichen Mehrheit zugestimmt worden sei. Grundsätzlich dürfe jeder Gesellschafter das ihm zustehende Stimmrecht nach Belieben ausüben. Eine Wahrnehmung der Rechte sei aber treuwidrig, soweit sie nicht geeignet oder nicht erforderlich sei, die berechtigten eigenen Interessen des Gesellschafters zu wahren, vor allem, soweit dafür ein milderes Mittel genüge. Dabei komme es nicht entscheidend darauf an, ob die Standortmaßnahmen aufgrund der Satzungsbestimmungen oder der sogenannten M. -Vereinbarung von der Geschäftsführung nur mit Zustimmung der Gesellschafterversammlung vorgenommen werden dürften. Auch wenn man davon ausgehe, dass die Maßnahmen auch ohne Zustimmung der Gesellschafterversammlung hätten getroffen werden können, sei die Streithelferin aufgrund ihrer Treuepflicht dennoch gehindert gewesen, gegen die Beschlussvorschläge zu stimmen. Maßgeblich sei, dass die Maßnahmen im Interesse der Gesellschaft lägen und die Zwecke der Gesellschaft förderten.
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Ein hinreichend sachlicher Grund dafür, dass die Streithelferin trotz inhaltlicher Zustimmung zu den vorgeschlagenen Standortmaßnahmen gegen die Beschlussvorschläge gestimmt habe, sei weder dargetan noch sonst ersichtlich. Ein anzuerkennender Grund könne nicht darin gesehen werden, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nach Auffassung der Streithelferin nicht der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurft hätten. Ein Gesellschafter und die Geschäftsführung seien grundsätzlich nicht daran gehindert, einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen der Gesellschafterversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen, auch wenn diese nach der Satzung nicht der Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung bedürften. Dies gelte jedenfalls dann, wenn wie hier die zur Abstimmung gestellten Maßnahmen von nicht unerheblicher Bedeutung für die Gesellschaft seien. Die Standortmaßnahmen, die den Abschluss oder die Fortführung längerfristiger Mietverhältnisse und die Gründung einer neuen Vor-Ort-Gesellschaft beträfen, seien von nicht unerheblicher wirtschaftlicher Relevanz. Dies zeige sich auch daran, dass vergleichbare Maßnahmen unmittelbar auf der Ebene der Beklagten nach der Satzung und der Geschäftsordnung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bzw. des Beirats bedürften. Ein Nichtbefassungsbeschluss oder ein Beschluss über die Absetzung der Beschlussvorschläge sei nicht gefasst worden und hätte nach der Satzung der Beklagten auch nicht allein mit den Stimmen der Streithelferin gefasst werden können. Die Streithelferin habe unter diesen Umständen kein schützenswertes Interesse daran, mit der Abstimmung über die Zustimmung zu diesen Maßnahmen erst gar nicht befasst zu werden.
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II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Stimmabgabe der Streithelferin gegen die Zustimmung zu den Standortmaßnahmen treuwidrig gewesen sei, weil die Maßnahmen im Interesse der Gesellschaft gelegen seien und die Zwecke der Gesellschaft förderten.
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a) Dass eine Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt, die Zwecke der Gesellschaft fördert und die Zustimmung dem Gesellschafter zumutbar ist, genügt nicht, um eine Zustimmungspflicht des Gesellschafters zu begründen oder eine entgegenstehende Stimmabgabe als unwirksam anzusehen. Aufgrund der Treuepflicht muss nach der Rechtsprechung des Senats nur dann in einem bestimmten Sinn abgestimmt werden, wenn die zu beschließende Maßnahme zur Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter erleiden könnten, objektiv unabweisbar erforderlich ist und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist, also wenn der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft gerade diese Maßnahme zwingend gebieten und der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1986 - II ZR 262/85, BGHZ 98, 276, 279; zur Personengesellschaft: BGH, Urteil vom 10. Juni 1965 - II ZR 6/63, BGHZ 44, 40, 41; Urteil vom 24. Januar 1972 - II ZR 3/69, WM 1972, 489; Urteil vom 28. April 1975 - II ZR 16/73, BGHZ 64, 253, 258; Urteil vom 5. November 1984 - II ZR 111/84, WM 1985, 195, 196; Urteil vom 20. Oktober 1986 - II ZR 86/85, ZIP 1987, 166, 167; Urteil vom 8. November 2004 - II ZR 350/02, ZIP 2005, 25; Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 44). Diese hohen Anforderungen, die vornehmlich an die Zustimmungspflicht zu Änderungen des Gesellschaftsvertrags gestellt werden, bestehen auch dann, wenn - wie hier - die Zustimmungspflicht zu Maßnahmen der Geschäftsführung in Rede steht (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 1972 - II ZR 3/69, WM 1972, 489).
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aa) Ein Gesellschafter ist in der Ausübung seines Stimmrechts frei, soweit sie ihm nicht schon nach § 47 Abs. 4 GmbHG untersagt ist und er die durch die Treuepflicht gezogenen Grenzen einhält. Eine Rechtspflicht zur Zustimmung zu Maßnahmen der Geschäftsführung, die die Geschäftsführung oder die Mitgesellschafter für sinnvoll halten, besteht grundsätzlich nicht. Auch die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Maßnahme ist Aufgabe der Gesellschafter. Die Gesellschafter müssen hinnehmen, dass eine Maßnahme unterbleibt, wenn einer von ihnen nach eigener Beurteilung der Dinge nicht zustimmen zu können glaubt, auch wenn ihnen die Ablehnung oder die dazu möglicherweise abgegebene Begründung falsch oder töricht erscheint. Der Gesellschafter muss aus diesem Grund seine Stimmabgabe auch nicht rechtfertigen.
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Soweit der Gesellschafter durch die Treuepflicht nicht zur Zustimmung verpflichtet ist, kann er sie zu einer vorgeschlagenen Maßnahme verweigern, selbst wenn seine Beweggründe dafür sachwidrig und unverständlich erscheinen. Das Gericht darf einen Beschluss nicht deshalb beanstanden, weil er unzweckmäßig oder nicht im Interesse der Gesellschaft erscheint. Umgekehrt kann auch die Ablehnung eines Beschlussantrags nicht allein deshalb beanstandet werden, weil der Beschluss zweckmäßig erscheint und im Interesse der Gesellschaft liegt.
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Eine Beschränkung dieser Stimmrechtsausübungsfreiheit kommt nur im Ausnahmefall in Frage, wenn der Gesellschaftszweck objektiv eine bestimmte Maßnahme zwingend gebietet, also die zu beschließende Maßnahme zur Erhaltung des Geschaffenen oder zur Vermeidung von Verlusten dringend geboten ist, und dem Gesellschafter die Zustimmung zumutbar ist. Die Treuepflicht gebietet es zwar, sich bei der Stimmabgabe grundsätzlich von den Interessen der Gesellschaft leiten zu lassen. Wie die Interessen der Gesellschaft am besten gewahrt bleiben, haben aber grundsätzlich die Gesellschafter zu beurteilen. Eine Pflicht zur Abstimmung in einem bestimmten Sinn besteht daher nur, wenn zur Verfolgung der Interessen der Gesellschaft keine andere Stimmabgabe denkbar ist, andernfalls nur schwere Nachteile entstehen und die eigenen Interessen des Gesellschafters dahinter zurückstehen müssen.
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bb) Geringere Anforderungen an eine Beschränkung der Stimmrechtsausübungsfreiheit sind nicht deshalb zu stellen, weil das Berufungsgericht nicht angenommen hat, dass die Streithelferin in einem bestimmten Sinn abstimmen musste, sondern ihre Stimmabgabe nur als unwirksam angesehen hat. Der beantragte Zustimmungsbeschluss ist zustande gekommen, wenn die Gesellschafter aufgrund ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht zur Zustimmung verpflichtet waren und deshalb ihre abweichend abgegebenen Stimmen unwirksam waren (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2008 - II ZR 39/07, ZIP 2008, 1818 Rn. 20). Die Unwirksamkeit der abweichend abgegebenen Stimmen ist eine Folge der Pflicht, in einem bestimmten Sinn abzustimmen. Von der Treuepflicht ist nicht wie bei den Stimmverboten nach § 47 Abs. 4 GmbHG die Teilnahme an der Abstimmung betroffen, sondern der Inhalt der Stimmabgabe. Dabei kann die Enthaltung oder Nichtteilnahme an der Versammlung der Treuepflicht in tatsächlicher Hinsicht genügen, wenn durch die Stimmen der Mitgesellschafter gesichert ist, dass die Maßnahme erfolgen kann. Rechtlich steht dahinter aber immer die Verpflichtung, durch das eigene Verhalten eine bestimmte Maßnahme zu ermöglichen. Diese Verpflichtung trifft jeden Gesellschafter unabhängig vom Abstimmungsverhalten der Mitgesellschafter. Wenn keine Treuepflicht zur Stimmabgabe in einem bestimmten Sinn besteht, kann eine im gegenteiligen Sinn abgegebene Stimme auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Treuepflicht als unwirksam gewertet werden (vgl. Ekkenga, Der Konzern 2015, 409, 412 f.).
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b) Dass die Maßnahmen der Geschäftsführung, denen zugestimmt werden sollte, zum Zwecke der Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter erleiden könnten, objektiv unabweisbar erforderlich waren, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und ist auch nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Standortmaßnahmen, die den Abschluss oder die Fortführung längerfristiger Mietverträge und die Gründung einer neuen Vor-Ort-Gesellschaft betrafen, von nicht unerheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für die Beklagte waren. Eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung besagt nicht, dass die Maßnahmen zur Erhaltung der bei der Beklagten geschaffenen Werte objektiv unabweisbar erforderlich waren. Angesichts der Größe der Beklagten ist auch nicht ersichtlich, dass ein Unterbleiben von neun Standortmaßnahmen zu einer Gefährdung ihres Bestands führen könnte.
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Darauf, ob für die Ablehnung durch die Streithelferin ein sachlicher Grund bestand, kommt es entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht entscheidend an, solange die Maßnahme nicht objektiv unabweisbar erforderlich war. Die Zweckmäßigkeit der Stimmabgabe ist von den Gerichten nicht zu überprüfen. Ebenso wenig ist entscheidend, ob die Beweggründe nachvollziehbar oder zutreffend sind. Wenn die Streithelferin - wie die Klägerin behauptet - allein deshalb nicht zugestimmt hat, weil die Gesellschafterversammlung für die Zustimmung nicht zuständig sei, obwohl sie keine sachlichen Einwände gegen die Maßnahmen hatte und im Grunde mit ihnen einverstanden war, mag dies unverständlich erscheinen, weil sie damit die Gefahr schuf, dass die Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Die Klägerin muss es aber hinnehmen, dass die Streithelferin nicht zustimmen zu können glaubte, auch wenn ihr die Ablehnung oder die dazu möglicherweise abgegebene Begründung falsch oder sachwidrig erscheint, solange die Zustimmung nicht objektiv unabweisbar erforderlich war.
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2. Die Stimmabgabe war auch nicht aus anderen Gründen rechtsmissbräuchlich.
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a) Sie war nicht wegen widersprüchlichen Verhaltens unbeachtlich. Dass die Streithelferin, wie die Klägerin meint, die Maßnahmen als solche befürwortete, machte die Ablehnung der zustimmenden Stimmabgabe nicht widersprüchlich. Ein Widerspruch ergibt sich daraus weder in der Erklärung noch zu früherem oder späteren Verhalten. Die ablehnende Stimmabgabe ist keine in sich widersprüchliche Erklärung, weil der Erklärende die Maßnahme, gegen die er stimmt, als solche befürwortet. Ein Widerspruch in der Erklärung liegt nicht vor, wenn der Gesellschafter die Stimme in der gewählten Form abgeben will und die Zustimmung zu einer Maßnahme ablehnt, aber davon ausgeht, dass die Zustimmung für die gewollte Durchführung der Maßnahme nicht erforderlich ist.
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Aus diesem Grund liegt auch kein widersprüchliches Verhalten darin, dass die Streithelferin vor und nach der Stimmabgabe erklärt hat, sie sei für die Umsetzung der Maßnahmen. Selbst wenn darin darüber hinaus - wie nicht - die Ankündigung eines bestimmten Abstimmungsverhaltens läge, wäre die Streithelferin nicht gehindert gewesen, ihre Meinung bis zur Abstimmung zu ändern. Ein Gesellschafter, der keine Stimmbindung eingegangen ist, ist rechtlich nicht gehindert, anders als vorher angekündigt abzustimmen, weil die Ankündigung eines bestimmten Abstimmungsverhaltens noch keinen Vertrauenstatbestand schafft, sich auch nach einer weiteren Erörterung in der Versammlung in einer bestimmten Weise zu verhalten.
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b) Die Stimmabgabe war auch nicht aus anderen Gründen treuwidrig. Zwar kommt eine Verletzung der Treuepflicht auch in Frage, wenn ein Gesellschafter sein Stimmrecht ausübt, um damit ausschließlich eigennützige Zwecke zu verfolgen, etwa seine Blockademacht dazu benutzt, um seinen Lästigkeitswert in die Höhe zu treiben und eine Abfindung zu erstreiten, oder seine Mehrheitsmacht zur Schädigung der Mitgesellschafter oder für ungerechtfertigte Sondervorteile einsetzt. Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Die Streithelferin hat die Beschlussfassung bei der Beklagten nicht blockiert. Sie hat lediglich einigen Maßnahmen die Zustimmung versagt und ihnen im Übrigen zugestimmt bzw. sie durch Stimmenthaltung ermöglicht. Sie hat dadurch nicht zur Erzielung von Sondervorteilen gehandelt oder die Klägerin als Minderheitsgesellschafterin geschädigt.
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III. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten. Inwieweit die Maßnahmen im Interesse der Gesellschaft erforderlich waren, wurde bereits in den Vorinstanzen erörtert.
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Born Sunder
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