Beschluss vom Bundesgerichtshof (3. Strafsenat) - 3 StR 72/16

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2015 im Schuldspruch in den Fällen B. 1. - 4., 6. und 8. - 14. der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte jeweils tateinheitlich nicht wegen Herstellens, sondern wegen Sichverschaffens kinderpornographischer Schriften verurteilt wird.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in acht Fällen und schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften, sowie wegen Besitzverschaffens kinderpornographischer Schriften in zwei Fällen zu der Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat lediglich den aus dem Tenor ersichtlichen (Teil-)Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

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1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen fotografierte oder filmte der Angeklagte in 12 Fällen die nackte Scheide und das nackte Gesäß seiner im Tatzeitraum neun und zehn Jahre alten Nichte, wobei er in drei Fällen ihren Schambereich bzw. ihre Pobacken mit den Fingern spreizte (B. 1., 2. und 4. der Urteilsgründe), sie in fünf Fällen entkleidete und anwies, mit gespreizten Beinen auf dem Bett liegend ihre Scheide zu zeigen oder kniend ihm ihr nacktes Gesäß entgegenzustrecken (B. 6., 9., 11., 13. und 14. der Urteilsgründe), sowie je zweimal veranlasste, sein erigiertes Geschlechtsteil in die Hand und dann in den Mund zu nehmen (B. 3. und 12. der Urteilsgründe), bzw. mit ihr den Geschlechtsverkehr vollzog (B. 8. und 10. der Urteilsgründe). In zwei Fällen (B. 5. und 7. der Urteilsgründe) leitete er die Fotografien per Email oder SMS an einen Freund weiter.

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2. Diese Feststellungen tragen in den Fällen B. 3., 8., 10. und 12. die Verurteilung wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB, in den Fällen B. 1., 2. und 4. wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176 Abs. 1 StGB sowie in den Fällen B. 5. und 7. wegen Besitzverschaffens kinderpornographischer Schriften an einen Dritten nach § 184b Abs. 2 StGB aF (nunmehr: § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB). Im Übrigen erweist sich die rechtliche Bewertung hingegen als rechtsfehlerhaft.

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a) Soweit der Angeklagte in den Fällen B. 6., 9., 11., 13. und 14. der Urteilsgründe die Geschädigte entkleidete und bezüglich der Pose anwies, bevor er ihren Schambereich bzw. ihr nacktes Gesäß fotografierte, ist der Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zwar im Ergebnis zutreffend. Doch hat der Angeklagte insoweit nicht den Tatbestand des § 176 Abs. 1 StGB, sondern den des § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB erfüllt.

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aa) Als Tatbestandsvariante des § 176 Abs. 1 StGB kommt hier allein die Vornahme einer sexuellen Handlung an einem Kind in Betracht. Das vom Landgericht festgestellte Entkleiden der Geschädigten, das in den genannten Fällen die einzige Handlung darstellt, bei der ein Körperkontakt mit dem Kind hergestellt wurde, erfüllt diese tatbestandlichen Voraussetzungen indes nicht.

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Das Ausziehen eines Kindes stellt sich regelmäßig nicht als sexuelle Handlung "an" dessen Körper dar, wenn nicht das Entblößen seinerseits mit einer sexuellen Handlung am Körper verbunden ist. Denn das bloße Entfernen der Kleidung stellt nicht den körperlichen Kontakt her, der für eine sexuelle Handlung im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 1988 - 2 StR 346/88, BGHR StGB § 178 Abs. 1 sexuelle Handlung 2; Beschlüsse vom 19. April 1990 - 3 StR 87/90, NStZ 1990, 490; vom  17. Juli 1991 - 5 StR 279/91, NStE Nr. 8 zu § 178 StGB; Urteil vom 24. November 1993 - 3 StR 517/93, juris Rn. 17). Ob insoweit etwas anderes gilt, wenn der Täter sich - wie vorliegend festgestellt - schon mit dem Ausziehen selbst sexuell erregen will (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 1984 - 2 StR 392/84), kann hier dahinstehen. Denn nicht sämtliche sexualbezogenen Handlungen, die auf Sinnenlust beruhen oder ihr dienen sollen, sind tatbestandsmäßig im Sinne des § 176 Abs. 1 StGB. Auszuscheiden sind vielmehr kurze oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1983 - 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553 mwN). Dass es vorliegend zu Körperkontakten gekommen ist, die über die beim Ausziehen üblichen hinausgehen, ergeben die Feststellungen nicht. Solche Berührungen von geringer Intensität erfüllen aber das Erheblichkeitsmerkmal des § 184g Nr. 1 StGB aF bzw. § 184h Nr. 1 StGB nF nicht.

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bb) Der Angeklagte hat sich aber in diesen Fällen gleichwohl des sexuellen Missbrauchs eines Kindes schuldig gemacht. Denn die Anweisungen an die Geschädigte, mit gespreizten Beinen auf dem Bett liegend ihre Scheide zu zeigen oder kniend ihm ihr nacktes Gesäß entgegenzustrecken, erfüllt den Tatbestand des § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB, weil der Angeklagte damit das Kind zur Vornahme einer sexuellen Handlung bestimmt hat. Beide Posen, zu deren Vornahme er das Kind aufgefordert hat, enthalten eine - nicht unerhebliche (§ 184g Nr. 1 StGB aF) - sexuelle Handlung, durch die der Betrachter sexuell provoziert werden soll (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - 3 StR 567/97, BGHSt 43, 366, 368). Damit hat der Angeklagte sich nach dieser Vorschrift wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes strafbar gemacht, so dass es insoweit einer Schuldspruchänderung nicht bedarf.

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b) Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Herstellens kinderpornographischer Schriften in den Fällen B. 1. - 4., 6., 8. - 14. der Urteilsgründe erweist sich als rechtsfehlerhaft. Insoweit hat sich der Angeklagte lediglich des Sichverschaffens solcher Schriften nach § 184b Abs. 4 StGB aF schuldig gemacht.

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Mit den Aufnahmen der Missbrauchshandlungen hat der Angeklagte zwar tatsächlich kinderpornographische Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) hergestellt. Doch war die Herstellung solcher Schriften nach der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung des § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB (Fassung vom 31. Oktober 2008, BGBl. I, 2149) nur dann strafbar, wenn diese im Sinne von Nr. 1 und Nr. 2 der Vorschrift - Verbreitung oder öffentliches Zugänglichmachen - Verwendung finden sollten. Eine solche Verwendungsabsicht des Angeklagten ist den Feststellungen nicht zu entnehmen. Die frühere Gesetzesfassung stellt sich daher als die für den Angeklagten günstigere dar (§ 2 Abs. 3 StGB). Das Verhalten des Angeklagten erfüllt indes die Voraussetzungen des § 184b Abs. 4 StGB aF, weil er sich Lichtbilder und Filme, die einen sexuellen Missbrauch von Kindern nach § 176 StGB zum Gegenstand haben und die auch ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, durch Anfertigen verschafft hat (BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1997 - 3 StR 567/97, BGHSt 43, 366, 368).

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Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch deshalb dahin, dass der Angeklagte in den genannten Fällen des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Schriften schuldig ist. § 265 Abs. 1 StPO steht einer Schuldspruchänderung nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

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3. Einer Aufhebung der festgesetzten Jugendstrafe bedarf es nicht. Zwar sieht der in den Fällen B. 6., 9., 11., 13. und 14. der Urteilsgründe zur Anwendung kommende § 176 Abs. 4 StGB im Vergleich zu § 176 Abs. 1 StGB einen milderen Strafrahmen vor. Auch ist der teilweise tateinheitlich verwirklichte § 184b Abs. 4 StGB aF mit einer milderen Strafe als Taten nach § 184b Abs. 1 StGB aF bedroht. Es ist jedoch auszuschließen, dass die Jugendkammer, die die Schwere der Schuld zutreffend festgestellt und die Dauer der Jugendstrafe mit fehlerfreien Erwägungen bemessen hat, bei Zugrundelegung der vom Senat vorgenommenen geringfügigen Änderungen in der rechtlichen Bewertung eine niedrigere Strafe verhängt hätte.

    

    

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Becker    

    

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