EuGH-Vorlage vom Bundesgerichtshof (10. Zivilsenat) - X ZR 80/15
Tenor
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Das Verfahren wird ausgesetzt.
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Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:
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Ist bei einer Personenbeförderung auf zwei Flügen ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflughäfen der Abflugort der ersten Teilstrecke auch dann als Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 anzusehen, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 auf eine auf der zweiten Teilstrecke aufgetretene Störung gestützt wird und sich die Klage gegen den Vertragspartner des Beförderungsvertrags richtet, der zwar ausführendes Luftfahrtunternehmen des zweiten, nicht aber des ersten Flugs ist?
Gründe
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I. Der Kläger begehrt eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 296/91 (im Folgenden: FluggastrechteVO) sowie Zahlung von Zinsen ab Rechtshängigkeit.
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Der Kläger schloss mit der Beklagten, deren Sitz außerhalb der Europäischen Union liegt und die keine Niederlassung in Berlin unterhält, einen Luftbeförderungsvertrag ab, der einen Flug am 7. August 2013 von Berlin-Tegel nach Brüssel und einen Anschlussflug von Brüssel nach Peking umfasste. Der erste Flug sollte von dem Luftfahrtunternehmen B. Airlines ausgeführt werden und um 8 Uhr in Brüssel eintreffen, der zweite Flug sollte von der Beklagten selbst ausgeführt werden; die vereinbarte Abflugzeit war 13.40 Uhr. Der Kläger wurde am Abflugtag in Berlin für beide Flüge abgefertigt und erhielt entsprechende Bordkarten. Auch sein Gepäck wurde bis Peking abgefertigt. Der Flug von Berlin nach Brüssel verlief plangemäß. In der Folge flog der Kläger zurück nach Berlin und erwarb einen Flugschein für einen Direktflug von Berlin nach Peking, wo er am 8. August 2013 eintraf. Mit seiner Klage verlangt der Kläger eine Ausgleichszahlung von 600 € nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO nebst Zinsen sowie Freistellung von Kosten für die vorgerichtliche Beauftragung von Rechtsanwälten. Er hat behauptet, ihm sei am Flugsteig in Brüssel die Beförderung auf dem zweiten Flug grundlos und gegen seinen Willen verweigert worden.
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Das Amtsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
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II. Das Berufungsgericht hat wie das Amtsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte verneint. Es hat gemeint, diese könne weder aus Art. 33 oder aus Art. 17 f. des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Übereinkommen) hergeleitet werden, noch aus einer Bestimmung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (im Folgenden: Brüssel-I-VO). Insbesondere liege im Inland kein Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b Brüssel-I-VO. Die Flüge von Berlin nach Brüssel und von Brüssel nach Peking seien als zwei gesonderte Flüge im Sinne der Fluggastrechteverordnung anzusehen und dementsprechend auch nicht als eine einheitliche Dienstleistung der Beklagten. Der geltend gemachte Anspruch knüpfe jedoch ausschließlich an den Flug von Brüssel nach Peking an, für den die Beklagte zwar ausführendes Luftfahrtunternehmen sei, für den aber nur Brüssel als Erfüllungsort infrage komme.
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III. Der Erfolg der Revision hängt entscheidend davon ab, ob die deutschen Gerichte international zuständig sind. Dies ist nach Lage der Dinge nur dann der Fall, wenn der Rechtsstreit Ansprüche aus einem Vertrag zum Gegenstand hat und der Gerichtsstand des Erfüllungsortes in Deutschland liegt. Dies hängt wiederum von der Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a., Buchst. b, 2. Spiegelstrich Brüssel-I-VO ab, die im Streitfall anzuwenden ist (Art. 66 der Verordnung 1215/12 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen).
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1. Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für eine Klage auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 FluggastrechteVO ist nicht nach Art. 19 Abs. 1 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999 (ABl. EG L 194, S. 39 vom 18. Juli 2001) ausgeschlossen, weil für Ansprüche aus der FluggastrechteVO und aus jenem Abkommen unterschiedliche Regelungsrahmen gelten (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2009 - C-204/08, Slg. 2009, I-6073 Rn. 27 - Rehder; vom 23. Oktober 2012 - C-581/10 und C-629/10, RRa 2012, 272 Rn. 46, 55, 57 mwN - Nelson u.a.).
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2. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte kann sich, da der geschlossene Vertrag die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand hat, nur aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. a, Buchst. b, 2. Spiegelstrich Brüssel-I-VO ergeben.
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a) Die Anknüpfung an den dem Wohnsitz gleichgesetzten Unternehmenssitz (Art. 2, 60 Brüssel-I-VO) führt nicht zur Zuständigkeit deutscher Gerichte, weil der Sitz der Beklagten nicht in Deutschland liegt. Der Verbraucherwahlgerichtsstand am Wohnsitz des Klägers in Deutschland (Art. 16 Abs. 1 Brüssel-I-VO) ist nicht auf Beförderungsleistungen anzuwenden, die außerhalb von Reiseverträgen mit einem Pauschalpreis für kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen erbracht werden (Art. 15 Abs. 3 Brüssel-I-VO). Der Deliktsgerichtsstand läge auch dann nicht in Deutschland, wenn eine Beförderungsverweigerung i. S. von Art. 4 Abs. 3 FluggastrechteVO, die einen Anspruch aus Art. 7 FluggastrechteVO auslöst, als schädigendes Ereignis im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO einzuordnen wäre. Der Ort der unerlaubten Handlung umfasste dann zwar sowohl den Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens als auch den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - C-147/12, EuZW 2013, 703 Rn. 51 - ÖFAB). Dafür kämen aber lediglich der Ort der Verweigerung der Beförderung, also Brüssel, oder gegebenenfalls der Ankunftsort des betreffenden Fluges (Peking) in Betracht.
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b) Der Senat versteht den Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 FluggastrechteVO als einen gesetzlichen Anspruch gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen auf vertraglicher Grundlage. Der Anspruch folgt zwar nicht unmittelbar aus dem mit einem Luftfahrtunternehmen abgeschlossenen Beförderungsvertrag, setzt aber voraus, dass der Anspruchsteller über eine bestätigte Buchung verfügt, was wiederum regelmäßig vom Bestehen eines Beförderungsvertrages abhängig ist. Ein solcher Beförderungsvertrag kann entweder mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen selbst bestehen oder mit einem anderen Unternehmen, für welches das ausführende Luftfahrtunternehmen die Beförderungsleistung erbringt (BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 - X ZR 71/10, BGHZ 188, 85 Rn. 26; Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, RRa 2010, 34 Rn. 18; Urteil vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 113/08, RRa 2009, 242 Rn. 9; Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 78/08, RRa 2009, 239 Rn. 13). Im Streitfall ist die erstere Voraussetzung erfüllt. Nach den vom Amtsgericht und vom Landgericht getroffenen Feststellungen liegt eine einheitlich bei der Beklagten gebuchte Personenbeförderung ohne nennenswerten Aufenthalt auf dem Umsteigeflughafen Brüssel vor. Das Luftfahrtunternehmen B. Airlines hat seine Beförderungsleistung nach den gesamten Umständen in Kooperation mit der Beklagten für diese erbracht; die Beklagte schuldete dem Kläger die Luftbeförderung von Berlin nach Peking über Brüssel. Dass diese Beförderungsverpflichtung durch die Beförderung auf zwei voneinander zu unterscheidenden Flügen im Sinne der Fluggastrechteverordnung erfüllt werden sollte, ändert ebenso wenig etwas an der Einheitlichkeit der vertraglichen Verpflichtung wie der Umstand, dass der erste Flug nicht von der Beklagten, sondern von B. Airlines ausgeführt werden sollte. Der Annahme des Landgerichts, es liege keine einheitliche Dienstleistung der Beklagten vor, kann deshalb nicht beigetreten werden. Da die Leistungsstörung in Gestalt der behaupteten Beförderungsverweigerung den Flug betraf, für den die Beklagte Vertragspartner des Klägers und zugleich ausführendes Luftfahrtunternehmen war, erscheint dem Senat in Anbetracht der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. z. B. EuGH, Slg. 2009, I-6073 Rn. 47 Rehder) nicht zweifelhaft, dass der geltend gemachte Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO als Anspruch "aus einem Vertrag" i. S. von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a Brüssel-I-VO anzusehen ist.
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c) Danach kommt es für die Entscheidung über die Revision darauf an, ob der Abflugort des ersten Flugs, der Flughafen Berlin-Tegel, als Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b, 2. Spiegelstrich Brüssel-I-VO anzusehen ist.
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aa) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich bereits zur Frage des Gerichtsstands im Fall einer Beförderung von Personen im Luftverkehr von einem Mitgliedstaat in einen anderen auf der Grundlage eines mit einem einzigen, den Flug auch ausführenden Luftfahrtunternehmen geschlossenen Vertrages geäußert: Für eine auf diesen Beförderungsvertrag und die Fluggastrechteverordnung gestützte Klage auf Ausgleichszahlungen ist nach Wahl des Klägers das Gericht des Ortes des Abflugs oder der Ankunft des Flugzeugs entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b, 2. Spiegelstrich Brüssel-I-VO zuständig (EuGH, Slg. 2009, I-6073 - Rehder).
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bb) Der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich davon in zweierlei Hinsicht. Zum einen sollte der Fluggast zu seinem Endziel mit zwei Flügen ohne nennenswerten Aufenthalt auf dem Umsteigeflughafen befördert werden; zum anderen wurde ihm nach seinem Vortrag die Beförderung mit dem zweiten Flug verweigert, dessen Abflugort ebenso wenig wie der Ankunftsort im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats liegt, in dem sich der insoweit einen Erfüllungsort bildende Abflugort des ersten Fluges befindet, wobei das Luftfahrtunternehmen, das ihm die Beförderung verweigert haben soll, sein Vertragspartner war, aber den ersten Flug nicht ausgeführt hat.
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cc) Der Senat neigt gleichwohl dazu, auch den Flughafen Berlin-Tegel als vereinbarten Erfüllungsort für die Gesamtheit der vertraglichen Verpflichtungen der Beklagten und damit auch für diejenigen anzusehen, die im Zusammenhang mit dem an den Zubringerflug anschließenden Interkontinentalflug von Brüssel nach Peking zu erbringen waren.
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Hätte die Beklagte auch den Zubringerflug ab Berlin-Tegel selbst ausgeführt, läge eine Konstellation vor, die mit dem Fall Rehder insofern vergleichbar wäre, als der Vertrag dann ebenfalls mit einem einzigen, die Flüge auch ausführenden Luftfahrtunternehmen geschlossen worden wäre. Nach Ansicht des Senats läge es dann nicht fern, beim vertraglichen Erfüllungsort ebenso wenig wie im Fall Rehder zwischen den einzelnen vertraglichen Teilleistungen zu differenzieren, die sich bei der Luftbeförderung ohnehin nicht eindeutig örtlich zuordnen lassen. Der Umstand, dass es sich um zwei voneinander zu unterscheidende Flüge im Sinne der Fluggastrechteverordnung handelt, zwänge jedenfalls nicht dazu, auch die vertraglichen Erfüllungsorte für jeden Flug gesondert zu bestimmen. Vielmehr könnte der erste Abflugort als Erfüllungsort auch für Verpflichtungen anzusehen sein, die lediglich den Anschlussflug betreffen, und zwar auch dann, wenn die Unterbrechung der Beförderung in Brüssel nicht als Zwischenlandung einzuordnen wäre (vgl. EuGH, Slg. 2009, I-6073 Rn. 40 - Rehder). Auch im Streitfall war die gesamte Flugbeförderung von Berlin nach Peking einheitlich bei der Beklagten gebucht. Die Beklagte war mithin verpflichtet, den Kläger nicht nur von Brüssel nach Peking zu befördern, sondern auch für seine Beförderung von Berlin nach Brüssel Sorge zu tragen. Der Kläger hatte demgegenüber als Fluggast naturgemäß keinen Einfluss darauf, ob die Beklagte auch den Flug von Berlin-Tegel nach Brüssel selbst ausführen oder sich dazu eines anderen Luftfahrtunternehmens als Erfüllungsgehilfen bedienen würde. Wie vielfach üblich wurden der Kläger und sein Gepäck zudem am ersten Abflugort auch für den Anschlussflug abgefertigt. Das könnte dafür sprechen, den ersten Abflugort auch dann als einen Erfüllungsort anzusehen, wenn die Klage Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung gegen den Vertragspartner als ausführendes Luftfahrtunternehmen betrifft, die im Zusammenhang mit einem Anschlussflug entstanden sind.
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Meier-Beck Gröning Bacher
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Hoffmann Schuster
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Referenzen
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