Beschluss vom Bundesgerichtshof (4. Zivilsenat) - IV ZR 422/15
Tenor
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Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. August 2015 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
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Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen
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eines Monats
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Stellung zu nehmen.
Gründe
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I. Die Klägerin macht Ansprüche aus einer bei der Beklagten genommenen Krankentagegeldversicherung geltend, der die MB/KT 2008 zugrunde liegen.
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Die Klägerin war als Dermatologin in einer Gemeinschaftspraxis tätig, in der sie sämtliche chirurgischen Eingriffe sowie manuellen kosmetischen Behandlungen durchführte. Aufgrund einer Hirnblutung im April 2007 ist ihr die Durchführung dieser Eingriffe und Behandlungen nicht mehr möglich. Daher war eine grundlegende Umstrukturierung der Praxis dergestalt beabsichtigt, dass die Klägerin nur noch Beratungen, klinische Untersuchungen, allergologische Behandlungen, Gutachtenerstellungen sowie aufsichtführende Anleitungen von Ausbildungsassistenten durchführen sollte. Im Jahr 2009 wurde mit der Kassenärztlichen Vereinigung und der Praxispartnerin der Klägerin eine Halbierung des Kassenarztsitzes und die Abgabe der Hälfte der Patienten an einen Nachfolger vereinbart, der erst Ende 2010 gefunden wurde. Die für Januar 2011 geplante Wiederaufnahme der kassenärztlichen Tätigkeit im geänderten Umfang war der Klägerin nicht möglich, nachdem sie im Dezember 2010 eine Gallenkolik erlitten hatte. Zudem zog sie sich im April 2011 eine Schultergelenksläsion und eine Fraktur des Daumengrundgelenks zu. Auf ihren Antrag bewilligte ihr die zuständige Versorgungsanstalt mit Bescheid vom 17. November 2011 rückwirkend zum 1. Oktober 2011 Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit.
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Die Beklagte erbrachte zunächst die vereinbarten Krankentagegeldleistungen. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2010 kündigte die Beklagte die Beendigung der Krankentagegeldversicherung und die Einstellung der Krankentagegeldzahlungen zum 18. November 2010 wegen Berufsunfähigkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 Buchst. b MB/KT 2008 an.
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Mit der Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Krankentagegeld in Höhe von insgesamt 64.628,32 € für den Zeitraum vom 19. November 2010 bis zum 30. September 2011.
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Sie meint, für eine Berufsunfähigkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 Buchst. b MB/KT 2008 komme es auf das allgemeine Berufsbild und nicht auf die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit an. Die berufliche Tätigkeit als Dermatologin in einer Gemeinschaftspraxis hätte sie nach Umstrukturierung der Praxis ohne die weiteren Erkrankungen in dem streitgegenständlichen Zeitraum ausüben können.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
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II. Nach Auffassung des Berufungsgerichts lag bereits ab dem 19. August 2010 bei der Klägerin hinsichtlich ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als operierende Dermatologin Berufsunfähigkeit vor. Damit habe die Leistungspflicht der Beklagten spätestens zum 18. November 2010 geendet. Bei der Bestimmung der Berufsunfähigkeit sei von der zuletzt im Jahr 2007 von der Klägerin ausgeübten konkreten Tätigkeit als operierende Dermatologin auszugehen; die beabsichtigten, jedoch nicht verwirklichten Umstrukturierungen seien genauso wenig zu berücksichtigen wie ein allgemeines Berufsbild einer Dermatologin. Der in § 15 Abs. 1 Buchst. b MB/KT 2008 verwendete Begriff der Berufsunfähigkeit werde von einem durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer nicht anders verstanden als derjenige der Berufsunfähigkeit im Rahmen der speziellen Berufsunfähigkeitsversicherung. Wenn der Versicherungsnehmer nach dem Verständnis des Begriffs der Berufsunfähigkeit frage, werde er auf § 172 Abs. 2 VVG stoßen und dort eine vergleichbare Formulierung finden. Danach sei berufsunfähig, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet gewesen sei, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben könne. Auf ein allgemeines Berufsbild komme es dabei nicht an, sondern vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung.
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III. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
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1. Das Berufungsgericht hat die Revision "mit Blick auf das hier zugrunde gelegte Verständnis des Begriffs der Berufsunfähigkeit in § 15 Ziff. 1 lit. b MB/KT 2008 und die Feststellungen in der Entscheidung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 9. März 2011 (IV ZR 137/10, r+s 2011, 256 Rn. 19)" zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Dieser Zulassungsgrund ist indes nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat sich an der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung orientiert und ist nicht von der Rechtsprechung des erkennenden Senats abgewichen.
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a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass in der Krankentagegeldversicherung bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 Buchst. b MB/KT 2008 die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit der versicherten Person in ihrer konkreten Ausprägung maßgeblich und die Möglichkeit einer Umorganisation nicht zu berücksichtigen ist.
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aa) Ohne Erfolg verweist die Revision darauf, dass im Rahmen der Berufsunfähigkeitsversicherung ein mitarbeitender Betriebsinhaber auf eine zumutbare Umorganisation seines Betriebes verwiesen werden kann (Senatsurteile vom 26. Februar 2003 - IV ZR 238/01, VersR 2003, 631 unter II; vom 12. Juni 1996 - IV ZR 118/95, VersR 1996, 1090 unter II 3 a m.w.N.). Der Krankentagegeldversicherung ist eine Verweisung auf eine Umorganisation der Arbeitsabläufe fremd. Der Krankentagegeldversicherer kann den Versicherten nicht darauf verweisen, durch Umorganisation seiner Arbeitsabläufe die Voraussetzungen für die Wiederausübung seines Berufs zu schaffen (Senatsurteil vom 20. Mai 2009 - IV ZR 274/06, VersR 2009, 1063 Rn. 10 f.).
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bb) Anders als die Revision meint, lässt der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Buchst. b Satz 2 MB/KT 2008, der auf den "bisher ausgeübten Beruf" abstellt, nicht offen, ob darunter der bisherige Beruf in seiner konkreten Ausprägung oder nur ein allgemeines Berufsbild zu verstehen ist. Der durchschnittliche, um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer versteht unter dem "bisher ausgeübten Beruf" dasselbe wie unter dem Begriff der "beruflichen Tätigkeit" im Sinne des § 1 Abs. 3 MB/KT, d.h. den Beruf in seiner konkreten Ausprägung, so wie die versicherte Person ihn zuletzt ausgeübt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 27. März 2013 - IV ZR 256/12, VersR 2013, 848 Rn. 7).
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b) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Senatsurteil vom 9. März 2011 (IV ZR 137/10, VersR 2011, 518 Rn. 13 ff. = r+s 2011, 256), auf das sich die Klägerin beruft und das Anlass für das Berufungsgericht zur Zulassung der Revision war. In dieser Entscheidung hat der Senat betont, dass Maßstab für die Prüfung der Arbeitsunfähigkeit der bisherige Beruf in seiner konkreten Ausprägung ist. Entscheidend ist, dass der Versicherte aufgrund seiner Erkrankung seiner bisher ausgeübten beruflichen Tätigkeit in der konkreten Ausgestaltung nicht nachgehen kann (Senatsurteil vom 9. März 2011 aaO Rn. 14). Bei der Bewertung, ob Tätigkeiten zur Berufsausübung gehören oder nicht, kommt es auf das Berufsbild an, das sich aus der bis zum Eintritt des Versicherungsfalles konkret ausgeübten Tätigkeit der versicherten Person ergibt. Das bedeutet nicht, dass sich die berufliche Tätigkeit als solche nach dem allgemeinen Berufsbild bestimmt (Senatsurteil vom 9. März 2011 aaO Rn. 18).
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Diesem Verständnis stehen nach Auffassung des Senats nicht die Regelungen über die Anzeigepflicht in § 9 Abs. 5 MB/KT 94 und den bisher ausgeübten Beruf in § 15 Buchst. b MB/KT 94 entgegen. Dies hat der Senat damit begründet, dass diese Bestimmungen aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auf das allgemeine Berufsbild und nicht auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit abstellten und der Versicherungsnehmer daher nicht annehmen werde, dem Versicherer jeden Arbeitsplatzwechsel auch dann anzeigen zu müssen, wenn sich nichts am Berufsbild ändert. Diese Ausführungen hat das Berufungsgericht richtig so verstanden, dass erläutert werden sollte, warum das dargelegte Verständnis des Versicherungsfalls in der Krankentagegeldversicherung keine (ungerechtfertigte) Gleichsetzung des Begriffs der beruflichen Tätigkeit mit dem des Arbeitsplatzes bedeutet. Eine abweichende Definition der Berufsunfähigkeit im Sinne des § 15 Buchst. b MB/KT 94 war damit nicht verbunden. Dies ist auch daraus ersichtlich, dass der Senat ein Ruhen des Versicherungsverhältnisses wegen Berufsunfähigkeit deshalb verneint hat, weil dem Vorbringen des Versicherungsnehmers, das sich der Versicherer hilfsweise zu eigen gemacht hatte, nicht zu entnehmen war, dass der Versicherungsnehmer im Sinne von § 15 Buchst. b Satz 2 MB/KT 94 nach medizinischem Befund "im bisher ausgeübten Beruf" auf nicht absehbare Zeit zu mehr als 50% erwerbsunfähig gewesen sei (Senatsurteil vom 9. März 2011 aaO Rn. 24).
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2. Die Revision hat in der Sache auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der erstinstanzlichen Feststellungen Leistungsfreiheit der Beklagten angenommen, weil die Klägerin nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in ihrem bisher ausgeübten Beruf zu mehr als 50% erwerbsunfähig sei. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden und wird von der Revision nicht angegriffen.
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Mayen
Felsch
Harsdorf-Gebhardt
Lehmann
Dr. Bußmann
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Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
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Referenzen
- ZPO § 552a Zurückweisungsbeschluss 2x
- IV ZR 238/01 1x (nicht zugeordnet)
- IV ZR 118/95 1x (nicht zugeordnet)
- IV ZR 256/12 1x (nicht zugeordnet)
- IV ZR 137/10 2x (nicht zugeordnet)
- § 172 Abs. 2 VVG 1x (nicht zugeordnet)
- IV ZR 274/06 1x (nicht zugeordnet)