Beschluss vom Bundesgerichtshof (2. Strafsenat) - 2 StR 410/17
Tenor
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Es wird festgestellt, dass die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 2. Juni 2017 wirksam zurückgenommen worden ist.
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Die (erneut eingelegte) Revision des Beschuldigten gegen das vorgenannte Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Revision zu tragen.
Gründe
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Das Landgericht hat am 2. Juni 2017 die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
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Gegen dieses Urteil legte der Verteidiger des Angeklagten Revision ein. Mit Schreiben vom 7. Juli 2017, beim Landgericht eingegangen am 10. Juli 2017, nahm der Beschuldigte die Revision zurück und erklärte, dass er das „Urteil vom 2. Juni 2017 (...) anerkenne“ und „explizit nicht in Revision gehen“ wolle.
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Mit Schreiben vom 18. Juli 2017, beim Landgericht eingegangen am 21. Juli 2017, teilte der Beschuldigte mit, dass er den „Revisionsantrag“ nunmehr „doch aufrechterhalten möchte“ und fügte hinzu, dass er „zur Not“ erneut Revision einlege. Mit am 24. Juli 2017 beim Landgericht eingegangenem Schreiben vom 20. Juli 2017 teilte der Verteidiger mit, dass das Rechtsmittel nicht zurückgenommen werde. Mit Schriftsatz vom 21. August 2017 begründete der Verteidiger die Revision fristgemäß.
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1. Bei dieser Sachlage ist eine feststellende Klärung der Wirksamkeit der Revisionsrücknahme durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts angezeigt (vgl. Senat, Beschluss vom 30. November 2005 - 2 StR 522/05, BGHR StPO § 302 Abs. 2 Rücknahme 11; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2015 - 4 StR 491/15, NStZ-RR 2016, 180, 181). Der Beschuldigte hat mit seinem Schreiben vom 7. Juli 2017 die zuvor eingelegte Revision wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).
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a) Die Rücknahmeerklärung des Beschuldigten wahrt die hierfür erforderliche Form (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 302 Rn. 7 mwN). Der Inhalt der Erklärung ist zweifelsfrei auf die Beendigung des Revisionsverfahrens und den Eintritt der Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils gerichtet.
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b) Der Beschuldigte war bei der Abgabe seiner Rücknahmeerklärung verhandlungs- und damit prozessual handlungsfähig.
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aa) Die prozessuale Handlungsfähigkeit setzt bei Abgabe einer Rechtsmittelrücknahmeerklärung voraus, dass der Beschuldigte die Tragweite seiner Erklärung erkennt. Der Beschuldigte muss sich in einem Zustand geistiger Freiheit und Klarheit befinden, in dem er seine Interessen vernünftig abwägen und wahrnehmen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2015 - 4 StR 491/15, aaO; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 302 Rn. 8a). Eine etwaige Geschäfts- oder Schuldunfähigkeit des Beschuldigten schließt seine prozessuale Handlungsfähigkeit nicht zwingend aus. Die Annahme einer Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung kommt erst in Betracht, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er bei Abgabe der Erklärung nicht in der Lage war, Bedeutung und Tragweite der Rechtsmittelrücknahme zu erfassen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Juli 2004 - 2 StR 199/04, NStZ-RR 2004, 341; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 302 Rn. 8a). Zweifel an der prozessualen Handlungsfähigkeit gehen hierbei zu Lasten des Beschuldigten (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Juli 2004 - 2 StR 199/04, aaO; BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2007 - 3 StR 368/07).
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bb) Gemessen hieran hat der Senat keine Zweifel an der Verhandlungs- und prozessualen Handlungsfähigkeit des Beschuldigten bei Abgabe der Rücknahmeerklärung.
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Das handschriftlich gefertigte Schreiben vom 7. Juli 2017 enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte Inhalt und Bedeutung der Rücknahmeerklärung vor dem Hintergrund der prozessualen Lage verkannt haben könnte. Unter Bezugnahme auf die durch seinen Verteidiger eingelegte Revision ist die Erklärung inhaltlich und sprachlich präzise gefasst, wobei der Beschuldigte das zutreffende Aktenzeichen wiedergibt. Durch die Formulierung bringt der Beschuldigte seinen Willen zum Ausdruck, das Revisionsverfahren zu beenden und die Rechtskraft des landgerichtlichen Urteils herbeizuführen.
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Das sachverständig beratene Landgericht hat zwar festgestellt, dass der Beschuldigte an einer psychischen Erkrankung in Form einer bipolaren affektiven Störung leidet, die mit wahnhaftem Erleben einhergeht, das die Bereiche Sexualität und Gewalt umfasst; der Beschuldigte litt unter Vergewaltigungsfantasien, die zum Tatzeitpunkt zu einer Aufhebung der Einsichtsfähigkeit geführt haben. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beschuldigte bei Abgabe der Rechtsmittelrücknahmeerklärung - wie vom Verteidiger in seinem Schriftsatz vom 12. Oktober 2017 behauptet - in einem wahnhaften Zustand befunden habe und deshalb nicht in der Lage gewesen sei, die Tragweite seiner Prozess-erklärung zu erkennen, bestehen hingegen nicht.
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2. Die wirksame Rücknahmeerklärung ist nach ihrem Eingang bei Gericht unwiderruflich und unanfechtbar geworden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 16. Dezember 1994 - 2 StR 461/94, NStZ 1995, 356, 357; vom 28. Juli 2004 - 2 StR 199/04, aaO).
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3. Die von dem Beschuldigten (hilfsweise) erneut eingelegte Revision ist unzulässig, da eine wirksame Rücknahmeerklärung regelmäßig den Verzicht auf die Wiederholung des Rechtsmittels enthält (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Juli 2004 - 2 StR 199/04, aaO mwN; BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2016 - 4 StR 558/16).
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Krehl
Eschelbach
Zeng
Bartel
Grube
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Referenzen
- 4 StR 558/16 1x (nicht zugeordnet)
- 2 StR 199/04 4x (nicht zugeordnet)
- 2 StR 461/94 1x (nicht zugeordnet)
- 2 StR 522/05 1x (nicht zugeordnet)
- 3 StR 368/07 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 302 Zurücknahme und Verzicht 1x
- 4 StR 491/15 2x (nicht zugeordnet)