Beschluss vom Bundesgerichtshof (6. Zivilsenat) - VI ZR 287/17

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 30. Juni 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert wird auf 65.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Der damals 10-jährige Kläger zog sich am 5. Oktober 2014 eine Fraktur des linken Schien- und Wadenbeins zu. Er wurde am selben Tag in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Krankenhaus, in dem der Beklagte zu 2 als Chefarzt der chirurgischen Abteilung tätig ist, stationär aufgenommen. Es wurden Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen gefertigt. Ausweislich des schriftlichen Befundes der radiologischen Abteilung zeigte sich eine komplette Unterschenkelfraktur im mittleren Schaftdrittel mit Dislokation des distalen Tibiafragmentes um circa 8 mm und des distalen Fibulafragmentes um die Schaftbreite nach lateral. Der behandelnde Arzt veranlasste eine Ruhigstellung des Beins durch Anlage einer Oberschenkelgipsschiene. Am 8. Oktober 2014 führte der Assistenzarzt Dr. M. mit der alleinsorgeberechtigten Mutter des Klägers ein Gespräch, in dem er eine operative Versorgung des Bruchs empfahl. Die Mutter des Klägers lehnte einen operativen Eingriff ab. Daraufhin erfolgte am 9. Oktober 2014 lediglich eine geschlossene Reposition mit Anlage eines Oberschenkelgipsverbandes. Der Kläger wurde am 10. Oktober 2014 entlassen. Nach einer Wiederaufnahme des Klägers am 11. Oktober 2014 wegen eines Dekubitus an der Ferse und einer Spaltung des Gipses stellte sich der Kläger zuletzt am 16. Oktober 2014 in dem von der Beklagten zu 1 betriebenen Krankenhaus vor. Am 20. Oktober 2014 begab er sich wegen anhaltender Schmerzen in das DRK-Krankenhaus in Hachenburg und wurde dort röntgenologisch untersucht. Wegen einer Verschiebung der Tibia um Schaftbreite sowie einer Zunahme der Schaftverkürzung wurde er in die Kinderklinik in Siegen verlegt, wo die Unterschenkelfraktur operativ versorgt wurde (geschlossene Reposition und Osteosynthese der Tibia, offene Reposition der Fibula).

2

Der Kläger macht geltend, dass seine Mutter die operative Versorgung der Fraktur nur deshalb abgelehnt habe, weil der als Chefarzt tätige Beklagte zu 2 ihr am 6. oder 7. Oktober 2014 mitgeteilt habe, dass die Brüche konservativ behandelt werden müssten. Sie habe ihm mehr vertraut als dem Assistenzarzt, der ihr gesagt habe, dass die Fraktur operativ versorgt werden solle. Die konservative Versorgung des Bruchs sei behandlungsfehlerhaft gewesen. Hierdurch habe sich der Heilungsprozess verzögert und sei schlechter abgelaufen. Er leide immer noch unter Bewegungseinschränkungen und Schmerzen. Die Beklagten haben dem entgegengehalten, nach einer Ruhigstellung des Beins bis zum Abschwellen der Unfallregion sei für den 9. Oktober 2014 eine offene Operation geplant gewesen. Diese sei nur aufgrund der Verweigerung durch die Mutter des Klägers nicht durchgeführt worden.

3

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. P. und Anhörung des Sachverständigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat den Kläger mit 15-seitigem Beschluss vom 6. Juni 2017, dem Klägervertreter zugestellt am 8. Juni 2017, darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Darin hat es u.a. ausgeführt, die Entscheidung der Beklagten, eine konservative Behandlung einzuleiten, sei nicht vorwerfbar. Es könne offen bleiben, ob die konservative Behandlung kontraindiziert gewesen sei. Eine Versorgung der Fraktur im Wege einer offenen Operation sei den Beklagten nicht eröffnet gewesen, da die Mutter des Klägers einen solchen Eingriff abgelehnt habe. Der Einwand des Klägers, seine Mutter habe den operativen Eingriff nur deshalb abgelehnt, weil ihr der Beklagte zu 2 zwei Tage zuvor eine konservative Behandlung als richtig dargestellt habe, rechtfertige keine andere Sichtweise. Denn allein entscheidend sei, dass dem Kläger in dem späteren Gespräch vom 8. Oktober eine operative Versorgung der Fraktur vorgeschlagen worden sei. Unabhängig davon könne in der Einleitung einer konservativen Behandlung aber auch deshalb kein Behandlungsfehler gesehen werden, weil sich diese nach den Ausführungen des Sachverständigen, des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. P., als relativ indiziert darstelle. Einer Heranziehung eines kinderchirurgischen Sachverständigen habe es nicht bedurft, da die Behandlung in der unfallchirurgischen Abteilung des Krankenhauses der Beklagten zu 1 erfolgt sei.

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Das Berufungsgericht hat dem Kläger eine Frist zur Stellungnahme zum Hinweisbeschluss bis 29. Juni 2017 gesetzt. Unter Ziffer III des Beschlusses hat es ausgeführt, dass die übliche Frist zur Stellungnahme gemäß §§ 522, 277 Abs. 3 ZPO zwei Wochen betrage, der Senat die Frist aber von vornherein großzügiger bemessen habe, um der Partei eine hinreichende Überlegungsfrist zu gewährleisten und Fristverlängerungsgesuche überflüssig zu machen. Fristverlängerungen seien deshalb auf absolute Ausnahmefälle beschränkt, weil sie in der ersten Fristsetzung bereits berücksichtigt seien. Nicht prüffähige, pauschale Behauptungen genügten für eine Fristverlängerung nicht. Mit Schriftsatz vom 9. Juni 2017 hat der Klägervertreter die Verlängerung der Frist zur Stellungnahme beantragt, da er als alleiniger Sachbearbeiter in der Zeit vom 9. bis einschließlich 26. Juni 2017 urlaubsbedingt abwesend sei und eine notwendige Besprechung mit dem Kläger erst nach Rückkehr aus dem Urlaub erfolgen könne. Diesen Antrag hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 12. Juni 2017 unter Hinweis auf seine Ausführungen in Ziffer III des Hinweisbeschlusses zurückgewiesen.

5

Nachdem eine Stellungnahme des Klägers bis zum 29. Juni 2017 nicht eingegangen war, hat das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers mit Beschluss vom 30. Juni 2017 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

6

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG dadurch verletzt, dass es dessen Antrag, die Frist zur Stellungnahme auf den 15-seitigen Hinweisbeschluss zu verlängern, ohne konkrete Befassung mit dem geltend gemachten Verlängerungsgrund abgelehnt und die Berufung unmittelbar nach Ablauf der bis zum 29. Juni 2017 gesetzten Frist zur Stellungnahme mit Beschluss vom 30. Juni 2017 zurückgewiesen hat. Durch diese Verfahrensgestaltung hat es dem Kläger die Möglichkeit, sich sachlich fundiert zum Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, in unzumutbarer Weise erschwert.

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1. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, dass sowohl die gesetzliche Ausgestaltung des Verfahrensrechts als auch das gerichtliche Verfahren im Einzelfall ein Ausmaß an rechtlichem Gehör eröffnen, das dem Erfordernis eines wirkungsvollen Rechtsschutzes auch in Verfahren nach der Zivilprozessordnung gerecht wird und den Beteiligten die Möglichkeit gibt, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. März 2013 - 2 BvR 2918/12, juris Rn. 21). Der Einzelne soll nicht bloßes Objekt des Verfahrens sein, sondern vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können (BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133, 144 f.). Er muss Gelegenheit haben, durch einen sachlich fundierten Vortrag die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen (vgl. BVerfGE 22, 114, 119; 49, 212, 215; BVerfG, Beschluss vom 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14, NJW 2017, 3218 Rn. 47 mwN). Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG, Beschluss vom 1. August 2017 - 2 BvR 3068/14, NJW 2017, 3218 Rn. 47 mwN).

8

Aus diesem Grunde ist der Anspruch auf rechtliches Gehör nicht nur dann verletzt, wenn das Gericht eine den Beteiligten selbst gesetzte Frist zur Äußerung mit seiner Entscheidung nicht abwartet (BVerfGE 12, 110, 113), sondern auch dann, wenn das Gericht sofort entscheidet, ohne eine angemessene Frist abzuwarten, innerhalb deren eine eventuell beabsichtigte Stellungnahme unter normalen Umständen eingehen kann (vgl. BVerfGE 4, 190, 192; 6, 12, 15; 8, 89, 91; 12, 6, 9; 17, 191, 193). Gleiches gilt, wenn die vom Gericht gesetzte Frist objektiv nicht ausreicht, um innerhalb der Frist eine sachlich fundierte Äußerung zum Sachverhalt und zur Rechtslage zu erbringen (vgl. BVerfGE 49, 212, 215; 60, 175, 211; 64, 203, 206; BVerfG NVwZ 2003, 859 Rn. 28; Maunz/Dürig/Remmert, GG, Art. 103 Abs. 1 Rn. 75, 99 [Stand: September 2017]; BeckOK-GG/Radtke/Hagemeier, Art. 103 Rn. 12 [Stand: 1. März 2015]).

9

2. Mit diesen Grundsätzen steht die angefochtene Entscheidung nicht im Einklang. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht beanstandet, hatte der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 9. Juni 2017, in dem er unter Hinweis auf seine urlaubsbedingte Ortsabwesenheit vom 9. Juni bis einschließlich 26. Juni 2017, die Notwendigkeit, ein weiteres Gespräch mit dem Kläger zu führen, und den Umstand, dass er der alleinige Sachbearbeiter der Angelegenheit sei, um Fristverlängerung bis 31. Juli 2017 gebeten hatte, klar zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger innerhalb der gesetzten Frist zu einer sachgerechten Stellungnahme auf den 15-seitigen Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts nicht in der Lage war. Mit diesen konkret vorgetragenen und im Rahmen der Entscheidung über die Fristverlängerung (§ 224 Abs. 2 ZPO) grundsätzlich erheblichen Gründen hat sich das Berufungsgericht in seinem Beschluss vom 12. Juni 2017, mit dem es den Fristverlängerungsantrag des Klägers zurückgewiesen hat, in keiner Weise befasst. Es hat lediglich pauschal auf seine allgemeinen Ausführungen unter Ziffer III. des Hinweisbeschlusses verwiesen. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht rügt, gehen seine dort niedergelegten Erwägungen, wonach Fristverlängerungen auf absolute Ausnahmefälle beschränkt seien, weil sie in der ersten Fristsetzung bereits berücksichtigt seien, und nicht prüffähige, pauschale Behauptungen nicht genügten, am Fall vorbei. Das Berufungsgericht konnte die urlaubsbedingte Ortsabwesenheit des Klägervertreters in der Zeit vom 9. Juni bis einschließlich 26. Juni 2017 bei der Fristsetzung noch nicht berücksichtigen, weil es hierauf erst durch den Antrag vom 9. Juni 2017 hingewiesen worden war. Wie bereits ausgeführt hatte der Klägervertreter seinen Verlängerungsantrag auch konkret und nicht lediglich mit "pauschalen Behauptungen" begründet. Sollte das Berufungsgericht die geltend gemachten Verlängerungsgründe für nicht hinreichend glaubhaft gemacht gehalten haben, hätte es dies offenlegen und dem Klägervertreter die Gelegenheit geben müssen, die Glaubhaftmachung nachzuholen.

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Dadurch dass das Berufungsgericht den Fristverlängerungsantrag des Klägers ohne eine nähere und auf den Fall bezogene Befassung mit dessen im Grundsatz berechtigten Anliegen abgelehnt und die Berufung unmittelbar nach Ablauf der bis zum 29. Juni 2017 gesetzten Frist zur Stellungnahme mit Beschluss vom 30. Juni 2017 zurückgewiesen hat, hat es dem Kläger das rechtliche Gehör in unzumutbarer Weise erschwert. Es hat seine Möglichkeit, die Willensbildung des Gerichts in dem nicht einfach gelagerten Arzthaftungsprozess durch sachlich fundierten Vortrag zur Sach- und Rechtslage zu beeinflussen, unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG unangemessen verkürzt.

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3. Der Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre, wenn es dem Kläger eine angemessene Frist zur Stellungnahme auf den umfassend begründeten Hinweisbeschluss eingeräumt hätte.

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a) Nach den schlüssigen Darlegungen der Nichtzulassungsbeschwerde hätte der Kläger die Beurteilung des Berufungsgerichts in Frage gestellt, den Beklagten sei ein - in der Einleitung der konservativen Versorgung der Fraktur möglicherweise liegender - Behandlungsfehler deshalb nicht vorzuwerfen, weil die Mutter des Klägers die Versorgung der Fraktur im Wege einer offenen Operation abgelehnt habe. Er hätte sich insbesondere gegen die Erwägung gewandt, dass es für die Würdigung des Verhaltens der Mutter allein darauf ankomme, dass ihr die operative Versorgung der Fraktur im Gespräch vom 8. Oktober 2014 vorgeschlagen worden sei, und es unerheblich sei, ob der als Chefarzt tätige Beklagte zu 2 der Mutter des Klägers zwei Tage zuvor eine konservative Behandlung des Bruchs als richtig dargestellt habe. Der Kläger hätte in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass seine Mutter über die medizinisch gebotenen Maßnahmen widersprüchlich informiert worden sei und sie der Beurteilung des Chefarztes der chirurgischen Abteilung der Beklagten zu 1 ein höheres Gewicht beigemessen habe als derjenigen des Assistenzarztes. Wie die Nichtzulassungsbeschwerde weiter ausführt, hätte der Kläger auch die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts beanstandet, wonach die "interne Motivation" der Mutter des Klägers zur Verweigerung der Einwilligungserklärung von der Behandlungsseite nach dem Gespräch vom 8. Oktober 2014 nicht mehr habe erforscht werden müssen. Der Kläger habe insoweit auf die Widersprüchlichkeit der bislang gegebenen Informationen, die höhere Qualifikation des Chefarztes und den Umstand hingewiesen, dass seine Mutter den Assistenzarzt in dem mit ihm geführten Gespräch ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass der Beklagte zu 2 zuvor ein konservatives Vorgehen als geboten angesehen und die Notwendigkeit einer offenen operativen Versorgung des Bruchs nicht einmal angesprochen habe.

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Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht aufgrund dieser Ausführungen zu einer anderen Beurteilung des Falles gelangt wäre. Das Berufungsgericht hat zwar im Ansatz zutreffend angenommen, dass ein Behandlungsfehler zu verneinen sein kann, wenn der Patient die medizinisch gebotenen Maßnahmen abgelehnt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Juli 2017 - VI ZR 103/17, NJW 2018, 308 Rn. 14). Eine solche Würdigung setzt allerdings voraus, dass der Patient über die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Maßnahme vollständig und widerspruchsfrei informiert worden ist und er die Informationen auch verstanden hat (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 2009 - VI ZR 157/08, VersR 2009, 1267; Beschluss vom 2. Juli 2013 - VI ZR 110/13, VersR 2014, 261 Rn. 15). Machen der Chefarzt einerseits und der Assistenzarzt andererseits dem Patienten gegenüber widersprechende Angaben über die medizinisch gebotenen Maßnahmen, so kann ein in der Wahl der vom Chefarzt vorgeschlagenen Behandlungsweise liegender Behandlungsfehler - den das Berufungsgericht insoweit für möglich gehalten hat - nicht unter Hinweis darauf verneint werden, der Patient habe die vom Assistenzarzt zutreffend angeratene Maßnahme abgelehnt.

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b) Wie die Nichtzulassungsbeschwerde schlüssig aufzeigt, hätte sich der Kläger darüber hinaus gegen die selbständig tragende Beurteilung des Berufungsgerichts gewandt, ein in der Einleitung der konservativen Therapie liegender Behandlungsfehler müsse auch deshalb verneint werden, weil diese Therapie relativ indiziert gewesen sei. Er hätte darauf hingewiesen, dass bei der Auswahl des Sachverständigen nicht - wie das Berufungsgericht angenommen hat - auf die Sachkunde in dem medizinischen Fachgebiet abzustellen ist, dem die Beklagtenseite angehört, sondern in das der durchzuführende Eingriff bzw. die zu beurteilende medizinische Frage fällt (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2008 - VI ZR 198/07, VersR 2009, 257 Rn. 18; Senatsbeschluss vom 31. Mai 2016 - VI ZR 305/15, NJW 2016, 3785 Rn. 13).

15

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht aufgrund entsprechender Ausführungen des Klägers zu einer anderen Beurteilung des Falles gelangt wäre. Nach der Senatsrechtsprechung kann zur Ermittlung des betroffenen medizinischen Fachgebiets auf die fachärztlichen Weiterbildungsordnungen abgestellt werden (Senatsurteil vom 18. November 2008 - VI ZR 198/07, aaO). Die Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer differenziert zwischen dem Facharzt für Kinderchirurgie einerseits und dem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie andererseits. Dem entspricht es, dass es sowohl eine Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie als auch eine solche für Kinderchirurgie gibt. Beide Gesellschaften geben eigenständige Leitlinien heraus (vgl. www.dgou.de).

Galke     

      

von Pentz     

      

Roloff

      

Klein     

      

Allgayer     

      

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