Beschluss vom Bundessozialgericht (9. Senat) - B 9 SB 89/17 B

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. November 2017 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 380,08 Euro festgesetzt.

Gründe

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I. Der Kläger wendet sich in der Hauptsache gegen seine Zurückweisung als Verfahrensbevollmächtigter im Widerspruchsverfahren.

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Der Kläger ist Renten- und Pflegeberater.

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Als Pflegeberater der Frau P. stellte er für sie einen Antrag auf Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) sowie der Voraussetzungen verschiedener Merkzeichen. Der Beklagte stellte einen GdB von 60 sowie die Voraussetzungen des Merkzeichens G fest und lehnte den Antrag im Übrigen ab.

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Der Kläger legte namens und in Vollmacht der Frau P. Widerspruch ein, gerichtet auf Zuerkennung des Merkzeichens B. Die Beklagte wies den Kläger nach Anhörung als Bevollmächtigten zurück (Bescheid vom 27.11.2015, Widerspruchsbescheid vom 28.1.2016).

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Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, der Widerspruch mit dem Ziel der Zuerkennung des Merkzeichens B weise keinen Bezug zur gesetzlichen Rente auf (§ 10 Abs 1 S 1 Nr 2 RDG). Das Widerspruchsverfahren zu führen, sei auch keine Nebenleistung zum Berufsbild des Pflegeberaters, weil es bereits an einem hinreichenden sachlichen Zusammenhang zur Hauptleistung fehle. Darüber hinaus handele es sich auch nicht um eine Nebenleistung zur Tätigkeit eines Renten- oder Pflegeberaters (Urteil vom 8.11.2017).

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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

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1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 2.5.2017 - B 5 R 401/16 B - Juris RdNr 6 mwN).

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Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher mit der vorinstanzlichen Entscheidung, dem Wortlaut, Kontext und ggf der Entstehungsgeschichte des fraglichen Gesetzes sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (Senatsbeschluss vom 21.8.2017 - B 9 SB 11/17 B - Juris RdNr 8 mwN).

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Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger hält es nach den von ihm formulierten Rechtsfragen zusammengefasst für klärungsbedürftig, ob die Vertretung von Pflegebedürftigen in Widerspruchsverfahren in Schwerbehindertenangelegenheiten insbesondere zur Erlangung des Nachteilsausgleichs B als Nebenleistung zum Berufs- und Tätigkeitsfeld von gegen Honorar tätigen - "freischaffenden" - Pflegeberatern gehören kann.

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Insoweit fehlt es aber bereits an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der bisherigen Senatsrechtsprechung, auf die sich das LSG für seine Entscheidung bezogen hat. Danach werden die Grenzen einer Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs 1 S 1 RDG dann überschritten, wenn die Rechtsdienstleistung isoliert als gesonderte Dienstleistung angeboten wird. Entscheidend ist, ob die Rechtsdienstleistung innerhalb der Gesamtleistung ein solches Gewicht hat, dass für sie die volle Kompetenz eines Rechtsanwalts oder die besondere Sachkunde einer registrierten Person erforderlich ist. Für ein Widerspruchsverfahren im Schwerbehindertenrecht ist das regelmäßig der Fall (vgl Senatsurteil vom 14.11.2013 - B 9 SB 5/12 R - BSGE 115, 18 = SozR 4-1300 § 13 Nr 1, RdNr 45 und 48). Der Senat hat diese Aussage für einen Steuerberater getroffen, dessen stark rechtlich geprägtes Berufsbild eine umfassende Ausbildung und Prüfung ua im Steuerverfahrensrecht beinhaltet. Warum die Grundsätze der genannten Entscheidung deshalb nicht umso mehr für Pflegeberater gelten sollten, hat die Beschwerde nicht substantiiert dargelegt. Nach § 7a Abs 1 S 1 SGB XI haben Personen, die Leistungen nach diesem Buch erhalten, Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch einen Pflegeberater. Die Pflegekassen sind verpflichtet, zu diesem Zweck eine ausreichende Zahl von Pflegeberatern bereitzustellen und dafür qualifiziertes Personal einzusetzen (§ 7a Abs 3 S 1, Abs 4 SGB XI). Als Beispiel qualifizierten Personals für die Pflegeberatung nennt § 7a Abs 3 S 2 SGB XI an erster Stelle Pflegefachkräfte. Sie gehören auch empirisch zu den im Aufgabenbereich der Pflegeberatung überwiegend tätigen Berufsgruppen (vgl Spitzenverband der Pflegekassen, Evaluation der Pflegeberatung nach § 7a Abs 7 S 1 SGB XI, 2011 S 281, abrufbar unter www.gkv-spitzenverband.de). Weder ihre Ausbildung noch die für Pflegeberater vorgesehene rechtliche Weiterbildung (vgl die Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes zur Anzahl und Qualifikation von Pflegeberatern vom 29.8.2008 abrufbar unter www.gkv-spitzenverband.de) beinhaltet aber vertiefte Kenntnisse des Verfahrensrechts des SGG, zu dem das Widerspruchsverfahren gehört. Die Beschränkung der Weiterbildung insbesondere auf das Leistungsrecht der Kranken- und Pflegeversicherung sowie auf das Recht der Rehabilitation entspricht vielmehr dem gesetzlichen Berufsbild der Pflegeberatung. Sie zielt vor allem darauf ab, einen individuellen Versorgungsplan zu erstellen und auf die für seine Durchführung erforderlichen Maßnahmen hinzuwirken einschließlich deren Genehmigung durch den jeweiligen Leistungsträger (§ 7a Abs 1 S 3 Nr 2 und 3 SGB XI). Selbst wirksam auslösen können soll der Pflegeberater Leistungen und Maßnahmen anderer Leistungsträger nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht (BT-Drucks 16/8525 S 95). Seine Aufgabe beschränkt sich vielmehr darauf, Leistungsanträge nach dem SGB XI und SGB V entgegenzunehmen und, soweit er nicht selber zur Entscheidung befugt ist, an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Von der Zubilligung weitergehender Rechte ist keine Rede (Schubert/Schaumberg, NZS 2009, 353, 355). Insgesamt sieht der Gesetzgeber den Pflegeberater trotz seiner gewissen Managementfunktion zugunsten des Pflegebedürftigen noch als Vertreter der Kostenträgerseite an. Seine Tätigkeit ist in erster Linie keine rechtliche, sondern mehr eine faktische (vgl Möwisch/Wasem/Heberlein in Möwisch/Wasem/Heberlein, SGB-XI Kommentar Pflegeversicherung, 36. AL, November 2017, § 7a Pflegeberatung, RdNr 10 f). Die Beschwerde legt nicht hinreichend substantiiert dar, wie sich in dieses Bild einer überwiegend tatsächlichen Beratung auf Seiten des Kostenträgers eine qualifizierte rechtliche Vertretung des Pflegebedürftigen im Widerspruchsverfahren gegen andere Behörden einfügen könnte. Ein davon wesentlich abweichendes Berufsbild des von der Beschwerde so bezeichneten freischaffenden Pflegeberaters hat sie ebenfalls nicht dargetan.

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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

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2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO und trägt dem vollständigen Unterliegen des Klägers mit seiner Beschwerde Rechnung.

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4. Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1 und § 52 Abs 1 GKG. Die für die Streitwertbestimmung maßgebende Bedeutung der Sache für den Kläger ist kostenrechtlich mit dem Gebührenanspruch des Bevollmächtigten für das Vorverfahren zu beziffern (vgl Senatsurteil vom 14.11.2013 - B 9 SB 5/12 R - BSGE 115, 18 = SozR 4-1300 § 13 Nr 1 RdNr 53). Danach ergibt sich eine Geschäftsgebühr nach Nr 2302 Nr 1 VV RVG in Höhe des aktuellen Schwellenwertes von 300,00 Euro sowie eine Post- und Telekommunikationspauschale nach Nr 7002 VV RVG von 20,00 Euro zzgl 19 % Umsatzsteuer (60,08 Euro) nach Nr 7008 VV RVG, insgesamt 380,08 Euro.

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